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Jetzt sind Sie dran, Herr Kretschmann!

In der Gemeinderatssitzung am 18.7.2023 stand auch ein Antrag von LLK und FGL auf der Tagesordnung, in dem der Konstanzer Rat aufgefordert wurde, sich gegen die damalige unrechtmäßige Praxis der Berufsverbote auszusprechen. Der Antrag wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Nun liegt es an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die nötigen Rehabilitierungsschritte endlich umzusetzen.

Holger Reile begründete den Antrag für die LLK folgendermaßen:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Oberbürgermeister, Konstanzerinnen und Konstanzer,

Ihnen liegt ein Antrag vor, den wir zusammen mit der Freien Grünen Liste eingebracht haben und wofür wir um Ihre Zustimmung bitten. Die baden-württembergische Landesregierung und der Landtag sollen von uns hiermit aufgefordert werden, dem Wunsch der vom sogenannten Radikalenerlass Betroffenen nach Aufarbeitung, Entschuldigung und Rehabilitierung nachzukommen sowie einen Entschädigungsfonds einzurichten, um besonders in Fällen von Altersarmut und drastischen Pensions- bzw. Rentenkürzungen entstandene Einbußen auszugleichen.

Im Vorfeld haben wir auch in den liberal-konservativen Fraktionen um Unterstützung für den heutigen Antrag gebeten, aber da wurde uns sinngemäß entgegengehalten, damit müsse sich der Konstanzer Gemeinderat nun wirklich nicht beschäftigen, damit solle sich gefälligst der Bund auseinandersetzen, aber nicht wir.

Kolleginnen und Kollegen: Wer diese Auffassung vertritt, den darf man mit Fug und Recht der Ignoranz bezichtigen.

Der Grund für diese Einschätzung: Konstanz war bei dem Thema Radikalenerlass und den nachfolgenden Berufsverboten einer der Hotspots in unserer Republik. Die Auswirkungen der Berufsverbote waren verheerend: Viele verloren als angebliche Verfassungsfeinde nicht nur ihren Arbeitsplatz, und etliche Existenzen wurden vernichtet. Nicht wenige leben heute mit einer Rente unter der Armutsgrenze. In der Folge kam es auch zu ernsthaften Erkrankungen und sogar zu mehreren Suiziden. Damit, Kolleginnen und Kollegen, wurde der Demokratie, ein enormer Schaden zugefügt, versehen auch mit dem Konstanzer Stempel.

Damals, vor rund 50 Jahren, hatte unsere Konstanzer Universität gerade mal 2000 Studierende – allein 500 von ihnen wurden mit Überprüfungsverfahren schikaniert, drangsaliert und gedemütigt. Über 50 Personen waren von Entlassung bedroht. Die Älteren unter uns werden sich vermutlich erinnern: Mehrere namhafte Professoren der Universität und auch der Kleine Senat unter dem damaligen Rektor Frieder Naschold wehrten sich vehement gegen diese unrechtmäßigen Verfahren, bei denen dubiose Spitzel des Verfassungsschutzes eine große und unrühmliche Rolle spielten.

Aber wir müssen gar nicht soweit zurückgehen: Erst vor zwei Jahren erschien im Hartung-Gorre Verlag Konstanz eine Schrift unter dem Titel „Pioniere der Universität Konstanz – Zeitzeugen aus den Gründerjahren“. Herausgeber war der langjährige Rektor der Universität Horst Sund. Darin erinnert sich Friedrich Kambartel, der als einer der ersten Professoren 1966 an unsere Universität berufen wurde – wo er als Gründungsdekan des Fachbereichs Philosophie maßgeblich am Aufbau unserer Uni beteiligt war – noch ziemlich genau an die Zeit der Berufsverbote an unserer Universität.

Er schrieb: „Damals war die Post noch eine öffentliche Institution, also betraf der Radikalenerlass sogar Briefträger. Jürgen Mittelstraß, Peter Janich und ich beschlossen damals einen Versuch, diese Art von McCarthyismus zu kippen. Dazu verfassten wir einen Text gegen diesen Erlass, dem mehr als fünfzig Prozent aller Konstanzer Professoren durch ihre Unterschrift zustimmen konnten. Text und Mobilisierung erreichten selbst für uns Verfasser eine völlig unerwartete große Aufmerksamkeit in den Medien. Insbesondere erhielten wir sehr viele Begehren aus allen Teilen der Republik, dem Text förmlich beizutreten. … sodass das Ganze auch als „Erklärung der 100 Professoren“ bekannt wurde. Als solche trugen die Argumente des Textes dann schließlich wesentlich zur Aufhebung des Erlasses insbesondere im Bund bei … außerdem hatten wir mit unserem Text die Vorlage für viele Formulierungen und Argumente an anderen Universitäten geliefert“. Soweit der Rückblick von Friedrich Kambartel, der zeigt, welch überregional wichtige Rolle unsere Universität zu jener Zeit spielte.

1976 änderte der Bund den Erlass, 1979 hob er ihn ganz auf. Als letztes Land schaffte ihn Bayern 1991 ab. Zudem wurde die Praxis der Berufsverbote 1987 von der Internationalen Arbeitsorganisation und 1995 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg als Unrecht verurteilt.

So gesehen ist es völlig unverständlich, dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann sich bis heute weigert, die Forderung nach Entschuldigung, Rehabilitierung und Entschädigung der vom Berufsverbot Betroffenen mitzuunterstützen. Gerade er, der damals als Teilzeit-Maoist unterwegs war und nur deswegen nicht vom Radikalenerlass betroffen war, weil er private Fürsprecher hatte, sollte es besser wissen und endlich auch danach handeln.

Ich komme zum Schluss: Wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unserem Antrag entnehmen können, unterstützen mehrere Initiativen, Gewerkschaften und auch die SPD im Baden-Württembergischen Landtag diesen Vorstoß. Angeschlossen hat sich auch die Stadt Heidelberg, bald wird Tübingen nachziehen – Grund genug also auch für uns, ähnlich zu verfahren.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Gröber, Knapp, Hindenburg und Co.

Seit Jahren steht die Umbenennung der nach Conrad Gröber, Otto Raggenbass, Felix Wankel, Werner Sombart, Paul von Hindenburg und Franz Knapp benannten Straßen auf der kommunalpolitischen Tagesordnung. Der Grund: Sie alle waren in unterschiedlicher Ausprägung eng mit dem Nationalsozialismus verbunden. Nun fällt bald eine Entscheidung.

Bereits morgen, Dienstag, beschäftigt sich der Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) mit den geplanten Umbenennungen. Im Vorfeld hatte sich die Straßenbenennungskommission (in der alle Gemeinderatsfraktionen mit je einem Sitz vertreten sind) über lange Jahre hinweg in mehreren Sitzungen mit dem Thema beschäftigt und vergangenes Jahr mehrheitlich dafür plädiert, alle Straßen umzubenennen.

Aus der Franz-Knapp-Passage soll die Rathaus-Passage werden; aus der Otto-Raggenbass-Straße die Schwedenschanze mit aufsteigender Hausnummerierung; die Conrad-Gröber-Straße möchte man umbenennen in Pfänderstraße; die Felix-Wankel-Straße in Robert-Gerwig-Straße; die Werner-Sombart-Straße in Ralf-Dahrendorf-Straße und die Hindenburgstraße in Emma-Herwegh-Straße. Eine Minderheit der Kommission sprach sich dafür aus, die alten Straßennamen beizubehalten und lediglich ein kleines Zusatzschild anzubringen, das auf die Verwicklungen der Namensgeber mit dem NS-System hinweist.

Im Vorfeld wurden rund 1000 Bürger*innen und Betriebe der betreffenden Straßen von der zuständigen Verwaltung schriftlich darum gebeten, Stellung zu den möglichen Umbenennungen zu beziehen. Mit rund 120 Rückmeldungen war das Ergebnis eher bescheiden. Was den Schluss zulässt: Den meisten Anwohner*innen ist es ziemlich egal, welchen Namen ihre Straße trägt. Viele befürchten auch, eine Umbenennung bedeute einen zeitlichen und finanziellen Aufwand, u.a. wegen der dann nötigen Adressänderung.

Die Verwaltung schlägt dem Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) nun dreierlei vor:
1. Umbenennung der Straße oder
2. Beibehaltung des Straßennamens mit einem Ergänzungsschild zur namensgebenden Person oder
3. Beibehaltung des bisherigen Straßennamens ohne Ergänzungsschild.

Vergessen hat man eine vierte Möglichkeit, auf die aber lediglich die Fraktion der Linken Liste Konstanz (LLK) immer wieder deutlich hingewiesen hat: All diese Straßen umzubenennen und jeweils mit einem Zusatzschild zu versehen, das über den Grund der Umbenennung informiert.

Letztendlich entscheidet der Gemeinderat am 29.6. über die Angelegenheit.

Text und Bild: H. Reile

Die EU trägt die Menschenrechte zu Grabe!

Für den 17.06. organisiert die Seebrücke Konstanz eine Demonstration gegen die von den Innenminister*innen der EU beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Demonstration startet um 13 Uhr im Herosé-Park und endet mit einer Kundgebung an der Marktstätte.

Am 9. Juni haben die Innenminister*innen der EU – darunter die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser – die schärfsten Asylreformen seit Jahrzehnten beschlossen: Entschieden wurden unter anderem die Aussetzung eines fairen und rechtsstaatlich abgesicherten Asylprozesses und die schnelle Abschiebung von Menschen, die aus nicht näher beschriebenen sogenannten „sicheren Staaten“ kommen. Europäische Länder müssen weiterhin keine Geflüchteten aufnehmen, sondern können sich durch Geldzahlungen davon freikaufen. Zentrale Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen werden eingeführt, die einen rechtsstaatlichen und fairen Asylprozess unmöglich machen. Menschen auf der Flucht, darunter Kinder, werden in Lagern inhaftiert, und es kommt zu willkürlichen Abschiebungen.

Die EU trägt damit die Menschenrechte zu Grabe. Die Seebrücke fordert deshalb die Abschaffung des Asylkompromisses 2.0! Es dürfen keine Grenz-Asylverfahren stattfinden.

Medienmitteilung und Bild von der Seebrücke Konstanz

Die Stadtwerke müssen städtisch bleiben!

Die Stadtwerke Konstanz sollen nach den Vorstellungen des Oberbürgermeisters Anteile an die „Thüga Holding“ verkaufen. Dieses Unternehmen hat sich auf Investitionen in kommunale Versorger spezialisiert. Verkauft wird diese Teilprivatisierung als „strategische Partnerschaft“, um sich für die Herausforderungen des Klimawandels zu wappnen. Warum gerade die Thüga ein geeigneter Partner sein soll, bleibt offen: Das Unternehmen kommt nämlich aus dem Erdgassektor. Seine Tochter „Thüga Energie“ ist Mitglied im Lobbyverband „Zukunft Gas“ – bis zum 31.12.2020 „Zukunft Erdgas“. Dieser bewirbt den fossilen Energieträger Gas als klimafreundliche Alternative und macht in den letzten Jahren Werbung für nicht marktreife Wasserstoff-Technologie, um die eigenen Pfründe zu schützen.

Genauso wenig erschließt sich, warum eine Partnerschaft nicht ohne den Verkauf von Gesellschaftsanteilen der Stadtwerke möglich wäre. Ein solcher Verkauf hätte schwerwiegende Folgen: Die Thüga würde eine sogenannte Sperrminorität erhalten und wäre damit in der Lage, die Ausrichtung der Energiesparte der Stadtwerke wesentlich zu bestimmen, denn die Thüga könnte Entscheidungen blockieren, die sie für unlukrativ erachtet. Vertreter*innen des Konzerns bekämen Stimmrecht im Aufsichtsrat und könnten jede Entscheidung im Sinne der Bürger*innenmehrheit verhindern. Der Gemeinderat würde als Akteur nahezu vollständig entmachtet.

Im Gegenzug erhielten die Stadtwerke Geld im Wert der Gesellschaftsanteile, müssten dafür aber Gewinn abführen. Der quotale Anteil übersteigt dabei voraussichtlich die Zinsen eines langfristigen Kredites. Diese Mehrkosten rechtfertigt die Stadtspitze mit „Synergien“ des Verbundes mit der Thüga. Der Gegenwert dieser vermeintlichen Vorteile kann in Geld nicht bemessen werden. Ein ideeller Wert ist nach Auffassung der LLK aber auch nicht ersichtlich. Dass die Thüga de facto Zugang zum Konstanzer Markt erhielte und verschiedene „Lösungen“ für Klimawandelfragen an die Stadt verkaufen könnte, wäre kein Vorteil für Konstanz, sondern ein Vorteil für die Thüga. Der einzige ökonomisch messbare Vorteil einer Partnerschaft wäre die Teilhabe an der Einkaufsgemeinschaft des Unternehmens – diese bezieht fossile Brennstoffe zu einem günstigeren Preis; doch ist es ja gerade das Ziel der Stadt Konstanz, die Abhängigkeit von Gas und anderen klimaschädlichen Energieträgern zu beenden. Die Konstanzer Stadtwerke sollen ein Vorreiter der Klimawandelanpassung werden und sozial verträgliche Klimaneutralität ins Zentrum ihres Geschäftsmodells stellen. Das aber ist mit der Thüga nicht zu machen.

Der Gemeinderat hat zu Recht entschieden, diese wegweisende Entscheidung nicht übers Knie zu brechen. Mit Expert*innen aus verschiedenen wissenschaftlichen Feldern sollen die Möglichkeiten und Alternativen einer Neuausrichtung der Stadtwerke eruiert und der Deal mit der Thüga überprüft werden.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die endgültige Entscheidung alle Konstanzer*innen treffen können: Wir fordern einen Bürger*innenentscheid.

Foto: hr

Brauchen wir längere Kneipenöffnungszeiten?

Im Gemeinderat wurde wieder einmal über eine Sperrzeitverkürzung für die innerstädtischen Lokale abgestimmt, also über verlängerte Kneipenöffnungszeiten bis 3.00 Uhr morgens an Werktagen bzw. 5.00 Uhr an Wochenenden, wie sie das Landesgesetz erlaubt.

Die Befürworter versprachen sich davon neben mehr Umsatz für die Gastronomie auch mehr Spaß vor allem für ein jüngeres Publikum, eine höhere Attraktivität der Stadt für Tourist*innen und eine Minderung des Lärmpegels durch eine Entzerrung der Abmarschzeiten der Gäste. Die Nachbar*innen der betreffenden Etablissements hingegen fürchteten um ihren Schlaf, wenn nächtliche Zecher bis zum Morgengrauen rauchend vor den Gaststätten auf den Straßen stehen und sich lautstark unterhalten.

Beide Seiten konnten also gute Gründe für sich ins Feld führen, am Ende entschied sich der Gemeinderat mehrheitlich gegen die Neuregelung und für eine Prüfung durch die Verwaltung.

Zwei wichtige Gesichtspunkte aber blieben in der Diskussion unserer Meinung nach weitgehend unberücksichtigt: Erstens die Belange der Arbeitnehmer*innen, die sich bei oft prekärer Bezahlung künftig ihre Nächte hinter den Tresen der Stadt um die Ohren schlagen sollten, ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit oder gar ihre Familien. Und zweitens der Mangel an nichtkommerziellen Unterhaltungs- und Treffmöglichkeiten, also an Grillplätzen, in Parks, in städtischen Einrichtungen, die zu sinnvoller Freizeitgestaltung anregen. Gerade in den für ruhesuchende Anwohner*innen besonders sensiblen Hochsommernächten wissen viele Menschen einfach nicht, wohin zum Feiern.

Die Konflikte am Herosépark, am Schänzle und anderswo können weder durch eine längere Kneipenöffnung noch durch einen Kommunalen Ordnungsdienst gelöst werden. Dazu braucht Konstanz vielmehr bessere Freizeitangebote.

Linke Liste (zuerst erschienen im Amtsblatt 10/2023)