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Politischer Jahresauftakt des Linke-Kreisverbands

Neujahrsempfang-Text„Voll durchstarten in das Wahljahr 2017“ will die Konstanzer Linke und nutzte dazu ihren Neujahrsempfang in der Chérisy. Ihr Bundes­tags­kandidat Simon Pschorr gab dann auch gleich die Schwerpunkte seiner Kampagne vor: Arbeit und Rente in einem Deutschland im Wandel. Assistiert von Richard Pitterle, der die bundesdeutsche Steuerpolitik an den Pranger stellte, machte Pschorr reichlich Dampf. Aber Sekt gab es für die rund 40 Gäste auch auf dem Neujahrsempfang.

Pitterle, Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion aus Böblingen, geißelte wort- und kenntnisreich die „Steuervermeidungsstrategien“ der Konzerne, die dabei fleißig von Banken und Regierungen unterstützt werden. „12 Milliarden an Steuergeldern sind seit 2012 dem Fiskus dadurch entgangen“, kritisierte der Böblinger Anwalt und Abgeordnete, der seine Partei im Untersuchungs- wie im Bundesrats-Vermittlungsausschuss vertritt und pikante Details über Finanzspekulationen, Leerkäufe und andere Steuertricks veranschaulichte.

„Die ungleiche Besteuerung von Arbeit und Erträgen“ müsse auch durch eine endlich effektive Erbschaftssteuer aufgehoben werden. Und einen Seitenhieb auf die AfD („Partei der Steuerflüchtlinge“) mochte er sich nicht verkneifen, die sowohl eine Vermögens- als auch eine Erbschaftssteuer ablehnt: „Mit einer solchen Politik würde Deutschland zur Steueroase“.

„Endlich eine Bürgerversicherung“

Wie abgesprochen passte diese Position zu den Aussagen des Landkreis-Kandidaten Pschorr. Der junge Jurist warnte vor „einem Umbruch der Parteienlandschaft in Deutschland“, der im Sinne der AfD zu mehr Nationalismus, im Sinne der CDU zu mehr „Unternehmerstaat“ führen würde. „Die Linke hingegen will einen Wandel zu mehr Sozialbewußtsein in diesem Staat“. Als Schwerpunkte dieser „sozialen Komponente“ nannte er „Verbesserungen in der Gesetzgebung bei Arbeit und Rente“. Bei der Rente, die durch die Vorgänger-Regierungen geschröpft worden sei, forderte er die Einführung einer Bürgerversicherung, „in die alle einzahlen – auch Abgeordnete, Beamte und Selbstständige“

Heftig ging Pschorr mit den Job Centern ins Gericht, die „weniger sanktionieren und mehr helfen“ sollten. Überhaupt müsse die Arbeitsmarktpolitik auf neue Füße gestellt und Leiharbeit wie Befristungen abgeschafft werden. Denn nur durch eine gezielte Förderung in Bildung und Arbeitsbeschaffung könnten zum Beispiel zusätzliche Straftaten vermieden werden.

„Bessere Bildung schafft mehr Sicherheit“

„Wer gut ausgebildet wird und einen Arbeitsplatz mit ausreichendem Lohn erhält, wird seltener straffällig“, weiß der Jurist und plädiert mit Blick auf die „Innere Sicherheit“ für mehr staatliche Förderung bei Arbeitslosen und Flüchtlingen. Wer lernen darf, wer gefördert wird, wer seinen Lebensunterhalt selbstverantwortlich besorgen kann, so Pschorrs Rückschluss, gibt das der Gesellschaft auch zurück. Daran müsse gearbeitet werden und nicht an einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze.

hpk (zuerst bei seemoz.de erschienen)

Dauerproblem Verkehrskollaps: Busnetze ausbauen, Individualverkehr zurückdrängen

VerkehrsdemoDer Oberbürgermeister hat bei seinem Bürgerempfang beteuert, die von ihm geführte Verwaltung wolle “in allen Bereichen eine nachhaltige Entwicklung”. Einmal abgesehen vom weitgehenden Versagen der Stadt in der Wohnungsfrage, die sich unter anderem im aktuellen Doppelhaushalt durch fehlende Investitionen in den sozialen Wohnungsbau manifestiert, hört sich das vor allem für die Verkehrspolitik wie das Pfeifen im Wald an. Besonders den von Lärm, Dreck und Dauerstaus geplagten Innenstadt-Bewohner*innen dürfte Burchardts Behauptung, man habe “seit 2012 viel bewegt und die politische Arbeit ist weitgehend abgeschlossen”, wie Hohn in den Ohren geklungen haben. Dass kurz zuvor wieder einmal der verkehrstechnische Ausnahmezustand in der Stadt herrschte, betrachtet der wirtschaftsaffine OB offenbar als unvermeidlichen Kollateralschaden, damit die Kassen bei Lago & Co weiter klingeln.

Fakt ist, dass sich in Sachen Stadt- und Verkehrsentwicklung kaum etwas zum Positiven bewegt hat, im Gegenteil. Die Verwaltung setzt in der Innenstadt unverdrossen weiter voll auf Kommerz, was nur funktioniert, wenn die PKWs weiter rollen. Mit dem sogenannten C-Konzept, das Burchardt als Lösung verkauft und das man jetzt nach Jahren der Untätigkeit zaghaft angehen will, stellt die Stadtspitze die Vorzugsbehandlung für den Autoverkehr nicht in Frage und doktert deshalb nur an Symptomen herum. Es wird in der stetig weiter wachsenden Stadt vermutlich noch nicht einmal punktuell für Entlastung sorgen, sollte es dereinst einmal realisiert sein.

Die Linke Liste Konstanz (LLK) hat schon bei der Diskussion um dieses Konzept darauf hingewiesen, dass es durch die faktische Insellage der Innenstadt nur eine taugliche Lösung gibt, um den Bewohner*innen Erleichterung zu verschaffen: Der motorisierte Individualverkehr – ausgenommen die Gefährte von Anwohner*innen – muss durch den entschiedenen Ausbau von P&R-Angeboten zurückgedrängt und das öffentliche Nahverkehrsnetz durch kostenlose Shuttle-Busse massiv ausgeweitet werden. Die Stadtwerke Konstanz, die als Trägerin des ÖPNV eine besondere Verantwortung haben, setzen stattdessen wieder mal ein fatales Signal. Zu Jahresbeginn haben sie nach nur 12 Monaten schon wieder die Buspreise erhöht.

Die LLK fordert in Sachen Verkehr jetzt endlich Taten: Rücknahme der Buspreiserhöhungen, Aus- und Aufbau der Park-and-Ride-Infrastruktur und die Einrichtung eines Bus-Shuttlenetzes.

Linke Liste Konstanz (LLK)
Anke Schwede, Holger Reile

LLK-Stadrat kritisiert “Schwarz”-Werbung für geistige Bandstifter

kopp-plakatDer Kopp-Verlag in Rottenburg am Neckar veröffentlicht jede Menge Machwerke rechtsextremer Autoren. Die Konstanzer Firma “Außenwerbung Schwarz”, mit einem Marktanteil von bundesweit 16 Prozent eine der Großen im Plakatträgergeschäft, findet aber offenkundig nichts dabei, Geschäfte mit den braunen Hetzern zu machen. Seit Wochen wird auf Schwarz-Großplakaten für ein Buch des ehemaligen FAZ-Journalisten Udo Ulfkotte geworben, der mit seinen Veröffentlichungen den Hass auf Flüchtlinge und Muslime schürt und auch schon mal bei Pegida-Veranstaltungen als Redner auftritt. Das Unternehmen, es gehört auch zu den Gesellschaftern des kommunalen Stadtmarketings, verweigert trotz mehrerer Anfragen bisher eine Stellungnahme zu diesem Geschäftsgebaren. Auch der LLK-Stadtrat Holger Reile hat nun schriftlich den Chef der Firma “Schwarz Außenwerbung” wegen der Reklamekampagne scharf kritisiert. Reile will außerdem auch von der Stadt, dem Stadtmarketing und den Mitgesellschaftern eine Stellungnahme. Das Schreiben im Wortlaut:

Guten Tag, Herr Schwarz

Mit Befremden habe ich festgestellt, dass Sie für Udo Ulfkottes Buch „Volkspädagogen“ werben, das im Kopp-Verlag erschienen ist. Wie Sie sicherlich wissen, übt sich der Kopp-Verlag in rechter und rassistischer Hetze der widerlichsten Art. Ulfkotte ist einer seiner höchst umstrittenen „Star“-Autoren, der den Hass gegen Flüchtlinge und Muslime schürt und auch als Redner bei Veranstaltungen der AfD und von Pegida aufgetreten ist.

Das alles wissen Sie und dennoch werben Sie für diese geistigen Brandstifter. Gibt es dafür eine Begründung? Kommen Sie mir bitte nicht mit dem fragwürdigen Argument, dass die Bücher von Kopp/Ulfkotte nicht verboten seien, denn hierbei geht es um Charakter, Anstand und politische Hygiene. Auch aufgrund Ihres wirtschaftlichen Aufschwungs, den ich Ihnen gönne, könnten Sie auf diese Werbeeinnahmen getrost verzichten.

Persönlich habe ich Ihr Unternehmen in angenehmer Erinnerung. Als ich vor rund 16 Jahren in Konstanz das Festival MuT gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus organisierte, übernahm Ihr Unternehmen kostenlos die Werbung dafür. So ändern sich die Zeiten. Auch die Stadt Konstanz dürfte mit Ihren Werbefeldzügen (Sie plakatierten ja auch schon für die AfD) nicht glücklich sein, denn Ihre Firma ist Gesellschafter beim Konstanzer Stadtmarketing. So gesehen erwarte ich auch von der Stadt, den Aufsichtsratsmitgliedern des Stadtmarketings und dessen Mitgesellschaftern eine Stellungnahme.

Mit besorgten Grüßen
Holger Reile
Stadtrat LLK (Linke Liste Konstanz)

Politischer Jahresauftakt der Konstanzer Linken

pitterle-pschorrDer Kreisverband der Linken lädt Mitglieder und Interessierte zum Neujahrsempfang der Partei am 11. Januar in den Versammlungsraum der „Neuen Arbeit“ in der Konstanzer Chérisy ein.

Als Gast begrüßt die Kreis­organisation dazu den LINKE-Bundes­tags­abgeordneten Richard Pitterle aus Böblingen. Der 57-jährige Rechtsanwalt ist gegenwärtig unter anderem Obmann im parlamentarischen CumEx-Untersuchungsausschuss, der die Verstrickung von Bundesregierung und Finanzbehörden in dubiose Aktiengeschäfte von Banken untersucht, mit denen Steuern in Milliardenhöhe hinterzogen wurden. Pitterle, der sich erneut um ein Bundestagsmandat bewirbt, wird sich in seinem Vortrag mit Fragen der Renten- und Steuerpolitik beschäftigen.

Zu den weiteren Rednern des Abends gehört außerdem Simon Pschorr (24), der für die Linkspartei im Wahlkreis Konstanz zur Bundestagswahl antritt. Der Jurist will beim politischen Jahresauftakt der Kreispartei über seine Wahlkampfziele und die Aufgaben der regionalen Linken sprechen.


Neujahrsempfang 2017

mit Richard Pitterle, MdB DIE LINKE, Simon Pschorr, Wahlkreiskandidat Konstanz

Mittwoch, 11.1. 2017, 20.30 Uhr, Versammlungsraum „Neue Arbeit Konstanz GmbH“
(Schürmann-Horster-Weg 3, Konstanz)


Haushaltsrede der Linken Liste

Die Haushaltsrede der Linken Liste, gehalten vom Fraktionsvorsitzenden Holger Reile am 20. Dezember im Gemeinderat, im Wortlaut:

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, ein kommunalpolitisches Jahr endet in der Regel mit der Verabschiedung des Haushalts – die Frage dabei aber ist: Was machen wir bis dahin? Und da ergibt sich für uns ein Gesamtbild, das beileibe nicht mit den düstersten Farben gemalt ist, mit dem wir aber auch nicht rundum zufrieden sein können.

Neben mehreren unschönen Erkenntnissen der letzten Zeit stach eine erneut heraus: Konstanz ist bundesweit unter allen Städten zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern zur unangefochtenen Nummer eins geworden. Ein durchweg schäbiger Preis. Der Quadratmeter Wohnraum kostet inzwischen im Mittel über 4000 Euro und ist seit 2011 mit einem Plus von 42 Prozent richtiggehend explodiert. Und die Preise sollen, so die Experten, weiter ungebremst nach oben klettern. Solche Schlagzeilen illustrieren anschaulich eines der größten Probleme, mit dem die Menschen auch in unserer Stadt zu kämpfen haben, denn steigende Grundstücks- und Gebäudepreise werden ja in der Regel an die Mieterinnen und Mieter weitergereicht. Auch die Mieten sind allein in den Jahren 2014/2015 im Schnitt um 9,1 Prozent gestiegen – eine nicht hinnehmbare, ja völlig unsoziale Entwicklung. Immer häufiger verschlingt in Haushalten mit wenig Mitteln die Miete inzwischen mehr als ein Drittel des gesamten Einkommens. Und das betrifft nicht nur Geringverdiener, sondern zunehmend auch Bezieher von mittleren Einkommen. Da hilft übrigens kein Mietspiegel, der die Preisentwicklung ja nur abbildet und auch die Mietpreisbremse bringt uns kaum weiter, hat sie sich doch eher als veritable Mogelpackung entpuppt.

Mit der Zustimmung zum Handlungsprogramm Wohnen wollte und will man gegensteuern. Das neoliberale Credo „Der Markt wird’s schon irgendwie richten“ hat uns ja gerade die Probleme eingebrockt, mit denen wir heute zu kämpfen haben. Doch längst ist ebenso klar, was unsere Fraktion von Beginn an prognostiziert hatte: Das Wohnbauprogramm kann den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bei weitem nicht decken. Die Wobak selbst gibt in ihrem letzten Jahresbericht zu Protokoll, dass, Zitat: “weiterhin keine Entspannung bei der Wohnungsnachfrage” in Sicht sei.

Der größte Mangel des Handlungsprogramms besteht in seiner Strukturierung, die für die unteren Einkommenssegmente, in denen der größte Bedarf besteht, lediglich ein Sechstel vorsieht. Das reicht bei weitem nicht. Wir regen erneut an, dass die soziale Staffelung umgehend neu untersucht wird und auch der sogenannte Sickereffekt – der kaum eintritt – auf den Prüfstand kommt.

Meine Damen und Herren von der Verwaltung: Stellen Sie sich doch einfach der Realität, die da lautet: Bezahlbarer Wohnraum in Konstanz entsteht nur, wenn Sie auch bezahlbare Wohnungen bauen.

Dazu findet sich im Haushalt kaum etwas. Für das Handlungsprogramm Wohnen wird in den kommenden Jahren zuwenig Geld in die Hand genommen. Die Wohnungsbauförderung beschränkt sich weitgehend auf vergünstigte Darlehen, einigen Zuschüssen für die Wobak und das Studentenwerk zur Sicherstellung nicht allzuhoher Mieten. Das, ich wiederhole mich, reicht nicht aus.

Wir fordern deshalb, dass die Stadt Konstanz mehr Mittel für ein soziales Wohnbauprogramm bereitstellt, Mittel, die der Wobak, Wohnungsgenossenschaften und anderen gemeinnützigen Wohnbauprojekten zugute kommen. Wir verlangen darüberhinaus, dass Bauprojekte nur genehmigt werden, wenn auf mindestens 50 Prozent der neu geschaffenen Geschossfläche geförderter Mietwohnungsbau realisiert wird.

Fakt ist doch, Kolleginnen und Kollegen, folgendes: Die eklatante Wohnungsnot trifft mittlerweile breite Schichten und in Zukunft auch vermehrt Menschen, die vor Krieg und Elend aus ihren Heimatländern flüchten. Machen wir uns nichts vor: Der schmutzige Deal mit dem Despoten vom Bosporus steht ständig auf der Kippe und kann jederzeit scheitern. Der frischgewählte Psychopath aus dem Lande der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten ist ebenfalls Garant für internationale Verwerfungen, die auch vor unserer Türe nicht Halt machen werden. Die weltweite Lage ist desaströs und brandgefährlich wie selten zuvor. Auch wir im beschaulichen Konstanz müssen uns darauf einstellen, dass sich unsere Idylle jederzeit in Luft auflösen kann. Will heißen: Die eingekehrte Ruhe, auch aktuell herbeigeführt durch eine kritikwürdige Abschiebepraxis, ist trügerisch und neue Flüchtlingsbewegungen werden die Folge sein.

An dieser Stelle will ich im Namen meiner Fraktion der Verwaltung, vor allem aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den unterschiedlichen Ämtern große Anerkennung aussprechen. Sie haben trotz geringer Personaldecke viel dazu getan, um die Unterbringung und Integration von Geflüchteten in Gang zu setzen. Diese Leistung, auch die der Trägerorganisationen und vor allem der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, ist auch deshalb besonders hervorzuheben, weil es einerseits massiven Druck aus der rechten Ecke dagegen gab und weiterhin gibt, andererseits das Land die Kommunen erst viel zu spät und in viel zu geringem Umfang finanziell unterstützt hat. Grün-Schwarz leitet noch nicht einmal die Hälfte der knapp 800 Millionen, die der Bund für Baden-Württemberg zur Verfügung stellt, an die Kommunen weiter und das ist so nicht zu akzeptieren.

Bleiben wir bei der Personaldecke vor Ort und werfen wir einen genauen Blick darauf, dann scheint uns folgende Kritik angebracht: In den zurückliegenden Jahren haben die Aufgaben für die städtischen Arbeiter, Angestellten und Beamten ständig zugenommen. Die Stellenentwicklung hat dabei leider nicht mitgehalten, was dazu führt, dass viele Kolleginnen und Kollegen längst die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht haben. Die Verwaltung gibt ständig vor, die Stellenvermehrung an die Einwohnerzahl zu koppeln – doch davon kann nur schwer die Rede sein. Die Zahlen liegen auf dem Tisch: Aus den Fachabteilungen wurden 50 Stellen gewünscht – herausgekommen sind lediglich 14,38 Stellen – also nicht mal 30 Prozent. Das kann und darf nicht die Messlatte für die kommenden Jahre sein. Der Personalrat hat dieses Missverhältnis zu recht kritisiert, denn es ist unverantwortlich, die wachsende Aufgabenlast immer auf dem Rücken der städtischen Beschäftigten abzuladen. Das kann einige Zeit gut gehen, aber irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Es ist – um ein Beispiel zu nennen – nicht einsehbar, umfangreiche Programme wie „Konstanz-digital“ zu beschließen, aber die dafür beantragten Stellen nicht zu bewilligen. Und es kann nicht sein – ein zweites Beispiel – dass dem Stadttheater von wohlbegründeten 11 Stellen nach zähen Verhandlungen gerade noch eine genehmigt wird. Weitere Beispiele ließen sich anführen, die zeigen, dass es um unsere Personalsituation schlecht bestellt ist. Nicht nur hier besteht kurzfristiger Handlungsbedarf, denn viele der Betroffenen gehen längst auf dem Zahnfleisch und das kann nicht in unserem Sinne sein.

Kolleginnen und Kollegen: Die Stadt Konstanz kann nicht klagen, im Vergleich zu anderen Kommunen geht es ihr finanziell gesehen immer noch verhältnismäßig gut. Dennoch müssen wir feststellen, dass auch bei uns die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Die Berichte aus dem Sozialamt deuten auf diese Entwicklung hin. Dazu hätten wir aber gerne genauere Zahlen, die wir auch brauchen, um zielgerecht gegensteuern zu können. Deshalb weisen wir nochmal mit Nachdruck darauf hin, dass es nun endlich Zeit ist, einen Armutsbericht zu erstellen – denn es ist auch eine unserer vorrangigen Aufgaben, denen das Leben zu erleichtern, die nicht auf der Sonnenseite stehen. Dazu gehören beispielsweise auch Quartierszentren – jenes im Berchengebiet ist ein erfolgreiches Modell – und man sollte Projekte dieser Art nicht aus den Augen verlieren, wenn Bundesmittel ausgelaufen sind. Dazu gehören auch mehr Spiel- und Sportplätze, Freiflächen und Treffpunkte für Jugendliche, sprich Möglichkeiten der Begegnung.

Erinnern wir uns, als es darum ging, das Cafe Mondial gegen den teilweise Widerstand der Verwaltung aus der Taufe zu heben. Das funktioniere nicht, das Gebäude sei abbruchreif und völlig ungeeignet, wurde uns unter anderem erklärt. Heute sehen wir: Das in Eigeninitiative entstandene Cafe ist ein absolutes Erfolgsmodell, an dem sich die Kommunalpolitik zu orientieren hat. Projekte dieser Art sollten uns bedeutend mehr wert sein, als ein millionenteures Kongress- und Tagungszentrum, das uns auf lange Jahre hinaus rote Zahlen bescheren wird und dessen Wirtschaftsplan jetzt schon aus den Fugen geraten ist.

Auf eine weitere Notwendigkeit, für die wir von der Linken Liste seit Jahren eintreten, möchte ich nochmal eindrücklich hinweisen, weil sie im Haushaltsplan erneut nicht berücksichtigt wurde. Beim Sozialpass sollten Anspruchsberechtigte Nulltarif erhalten, denn gerade Mobilität ist für Menschen mit geringem Einkommen von zentraler Bedeutung, um ihrer schwierigen existenziellen Situation im sprichwörtlichen und tatsächlichen Sinn zu entkommen. Wir treten daher erneut dafür ein, dass Sozialpassberechtigte kostenlos den ÖPNV nutzen können – das wäre auch ein erster und wichtiger Schritt auf dem Weg zur kostenlosen Nutzung des städtischen Mobilitätsangebots für alle. Dass das geht und auch zu finanzieren ist, zeigen andere Städte seit Jahren. Es kommt eben darauf an, welche Prioritäten man setzt.

Noch einige abschließende Bemerkungen zu unserer Finanzlage. Angestimmt wird wieder einmal das Hohelied auf die Schwarze Null. Hektische Sparhysterie macht die Runde und scheucht auch diejenigen nachhaltig auf, die sich bislang besonders sozial gebärdeten. Dabei wissen wir doch alle, dass auch das wohlhabende Konstanz wie fast alle Kommunen unter einem Investitionssstau leidet, den der Gemeindetag kürzlich landesweit mit rund 20 Prozent beziffert hat. Mit dem Resultat, dass für den Bau oder Unterhalt von Kindergärten, Schulen, sozialen Einrichtungen oder Straßen Millionen fehlen, weil Bund und Land seit Jahren auf Kosten der Städte und Gemeinden spart und es sträflich unterlässt, für einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu sorgen. Wo also gibt es für uns dennoch Spielräume? Beispielsweise – und das haben wir schon 2015 vorgeschlagen – mit einer Erhöhung der Hebesätze der Gewerbesteuer. Konstanz liegt dabei unter den Sätzen von Freiburg, Heidelberg, Heilbronn oder Karlsruhe. Und von dort ist keineswegs bekannt, dass eine Erhöhung der Gewerbesteuer zu massenhafter Unternehmensflucht geführt hat, im Gegenteil. Eine stärkere Beteiligung der hiesigen Unternehmen an der Finanzierung des Gemeinwesens wäre mehr als gerechtfertigt. Konstanz wächst nicht zuletzt auch deshalb, weil es der Wirtschaft eine gute Infrastruktur bietet, mit Universität und HTWG über exzellente Kooperationspartner verfügt und für viele Unternehmen zusätzlich interessante Standortfaktoren aufweist.

Kolleginnen und Kollegen: Einiges hat sich bewegt und eine erfreuliche Entwicklung genommen. Anderes aber hängt in der Warteschleife oder ist gänzlich in der Versenkung verschwunden. Nach eingehender Diskussion und reiflicher Überlegung werden wir uns heute der Stimme enthalten.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Holger Reile

Der Haushalt 2017/18 und die Windmühlen

chinesische-windmuehle-carl-von-canstein-free-licenseIn der Gemeinderatssitzung am Dienstag versuchte die SPD mit erheblichem Theater­donner, die Verabschiedung des städtischen Doppelhaushaltes 2017/18 zu verschieben. Sie sah durch eine von der Stadt überraschend zu leistende Gewerbe­steuer­nachzahlung von acht Millionen Euro die Solidität des Zahlen­werks gefährdet. Die Verwaltung hingegen hielt angesichts eines Haushalts­gesamt­volumens von ca. 475 Millionen Euro für die beiden Jahre an ihrem Entwurf fest.

Starke Worte fand Jürgen Ruff zur Begründung des SPD-Antrags, die Verabschiedung des Haushalts zu verschieben. “Wir wollen einen genehmigungsfähigen Haushalt,” rief er enthusiastisch in den Saal und deutete damit an, das Regierungspräsidium, das über die Stadt wacht, könne den Haushalt in seiner jetzigen Form am Ende kassieren. Er nannte die Gewerbesteuernachzahlung, die übrigens in den Verantwortungsbereich des Finanzamtes und nicht in jenen der Stadt fällt, einen “Weckruf”. Nur eine Verschiebung des Haushalts ermögliche es, ein neues Zahlenwerk auf soliderer Basis zu verfassen.

Oberbürgermeister Uli Burchardt hielt dagegen: Von den acht Millionen Euro müsse die Stadt aufgrund der “Arithmetik des Finanzausgleichs” ohnehin nur 2,7 Millionen zahlen. Wolle man einen derart planungssicheren Haushalt aufstellen, wie ihn die SPD fordere, müsse man damit warten, bis das Haushaltsjahr ganz vorbei sei, feixte der OB. Ein ganz normaler Vorgang also, wie auch Stadtkämmerer Hartmut Rohloff betonte: “Es gibt täglich geänderte Steuerbescheide, in diesem Fall ist nur die Höhe ungewöhnlich.” Außerdem könne man notfalls 2017 einen Nachtragshaushalt beschließen, eine Vertagung des Haushalts hingegen werde die Verwaltung auf Monate hinaus lähmen. Die Abstimmung über den SPD-Antrag fiel eindeutig aus: Nur sechs SPDlerInnen sowie Jürgen Faden (FWK) waren für die Vertagung.

Damit konnten die Spiele beginnen, denn die Haushaltsberatung gibt allen Fraktionen die Möglichkeit, lange Reden zu halten, hier und dort etwas zu bemäkeln, mal wieder an die eigenen Grundsätze zu erinnern, der Verwaltung für ihren Bienenfleiß zu danken – und, last not least, die anderen Gemeinderätinnen und -räte sowie das Publikum herzlich zu langweilen.

Eine heile Welt

Die Haushaltsrede bietet dem Oberbürgermeister eine glänzende Gelegenheit, sich und die Seinen ins beste Licht zu rücken. Uli Burchardt zitierte einleitend ein (angeblich) chinesisches Sprichwort: “Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.” Klingt schön, aber was heißt das für Konstanz? Sollen die einen eine Große Mauer zum Schutz vor den Schweizern bauen, während die anderen auf dem Bodanrück Windräder errichten? Das alles klang ziemlich verwirrend, und man möchte dem OB mit Konfuzius mahnend zurufen: “Das Handeln ist so schwierig; darf da das Reden unbedacht sein?”

Der Oberbürgermeister jedenfalls schaut optimistisch in eine finanziell rosige Zukunft und sieht als größtes Problem den zunehmenden Mangel an Arbeitskräften. Im Südwesten herrscht nach seinen Angaben bei einer Arbeitslosenquote von derzeit 3,5 Prozent faktisch Vollbeschäftigung. Er erwähnte mit Wohlgefallen die Beteilungsgesellschaften der Stadt wie Stadtwerke, Wobak, Kernstiftung, EBK und TBK, die zusammen pro Jahr noch einmal rund 250 Millionen Euro umwälzen. Gemeinsam mit den Beteiligungen dürfte in den nächsten beiden Jahren also über den Daumen gepeilt eine Milliarde Euro durch die verschiedenen städtischen und stadtnahen Konstanzer Kassen fließen.

seemoz-haushalt-17-18Die Pro-Kopf-Verschuldung des städtischen Kernhaushaltes liegt derzeit mit 277 Euro weit unter dem baden-württembergischen Schnitt von 456 Euro, es ist aber absehbar, dass man in den nächsten Jahren neue Schulden machen muss. “Von einem ‘Not-‘ oder ‘Sparhaushalt’ kann aber nach wie vor keine Rede sein. Wie auch in den vergangenen Jahren werden die Investitionen in die Infrastruktur der Stadt fortgesetzt.” Der OB schloss mit einer Mahnung: “Dieses ambitionierte Ziel wird […] nur zu erreichen sein, wenn sich Politik und Verwaltung noch stärker auf das Wesentliche konzentrieren und auch künftig bereit sind, auf bestimmte Angebote und Standards zu verzichten.” Wer worauf zu verzichten bereit sein soll, sagte der Oberbürgermeister leider nicht.

Wohnungsproblem ungelöst

Kritische Töne schlug Peter Müller-Neff (FGL) an. Er bekräftigte, Konstanz sei nicht nur eine Einkaufsstadt, und bedauerte, dass sich der Gemeinderat gegen einen höheren Zuschuss für den Wolfsperger-Film über die Scala-Schließung ausgesprochen hat. Untertanengeist aber klang in seiner Bitte an den OB mit, der möge den Gemeinderat doch auf Augenhöhe und nicht nur als Zustimmungsorgan für die Verwaltung behandeln. Die Grundhaltung des Oberbürgermeisters sei “wir von der Verwaltung sind Profis, Ihr im Gemeinderat seid Laien und habt keine Ahnung, also tut, was wir Euch sagen”. Wenn der OB dem Gemeinderat zunehmend von oben herab kommt, ist es auch Peter Müller-Neff unbenommen, ihm kräftig dorthin zu treten, wo schon bei Konfuzius die Hühneraugen saßen.

Roger Tscheulin (CDU) warf der FGL denn auch gleich vor, sie bejammere Fehler der Vergangenheit, statt den Blick nach vorn zu richten. Er erinnerte an die Zukunftsaufgabe Anschlusswohnen für Flüchtlinge und machte als größte Probleme den Wohnraummangel sowie die Verkehrsanbindung namhaft. Zu letzterer wandte Roland Wallisch (FGL) ein, “die B33 bringt den Stau nur schneller nach Konstanz”.

Holger Reile beklagte für die LLK die Lage auf dem Wohnungsmarkt. “Der Quadratmeter Wohnraum kostet inzwischen im Mittel über 4000 Euro und ist seit 2011 um 42 Prozent teurer geworden. Steigende Grundstücks- und Gebäudepreise werden in der Regel an die Mieterinnen und Mieter weitergereicht, und so sind die Mieten in den letzten Jahren weiter kräftig gestiegen – eine völlig unsoziale Entwicklung.”

Er drängte in diesem Zusammenhang erneut auf eine Umorientierung des Handlungsprogramms Wohnen. “Wir fordern, dass die Stadt Konstanz mehr Mittel für ein soziales Wohnbauprogramm bereitstellt und verlangen darüber hinaus, dass Bauprojekte nur genehmigt werden, wenn auf mindestens 50 Prozent der neu geschaffenen Geschossfläche geförderter Mietwohnungsbau realisiert wird.” Defizite sah er zudem bei der Personalausstattung der Verwaltung. “Es ist unverantwortlich, die wachsende Aufgabenlast auf dem Rücken der städtischen Beschäftigten abzuladen.” Außerdem mahnte er Verbesserungen beim Sozialpass sowie einen städtischen Armutsbericht an. Sein ausdrücklicher Dank galt der Verwaltung hingegen für ihre Bemühungen um die Flüchtlingsbetreuung.

Die SPD lehnt ab

Die SPD blieb bei ihrer Linie einer geschlossenen Ablehnung des “Haushalts des Weiterwurstelns nach dem Prinzip Hoffnung”, so Jürgen Ruff. Er bemängelte, die längst fälligen Grundsatzdiskussionen und die strategische Beratung seien ausgeblieben und die acht Millionen Gewerbesteuernachzahlung seien einfach ein zu großes Risiko. Schwachpunkte sah er auch beim Verkehr, etwa bei der Umgestaltung des Zähringerplatzes, sowie in der mangelnden Ausstattung von Schulen.

Den Wind der Veränderung hingegen spürte einmal mehr Heinrich Everke (FDP). Er ist stolz auf das Geleistete wie Kitas, Gemeinschaftsschule und Kongresszentrum und will den ÖPNV stärken und die Seilbahn vorantreiben. Er beklagte Defizite in der Kultur, bei der die Mittel zu sehr auf Institutionen wie Orchester und Theater konzentriert würden. Die freie Kultur hingegen darbe, weshalb er eine Bürgerstiftung zur Kulturförderung vorschlug. Konstanz hat sich in den letzten Jahrzehnten in Everkes Augen erheblich verändert, ist weltoffener geworden und auf dem Weg zur Wissenschaftsstadt. Hier haben, so sein Eindruck, “mittlerweile nicht mehr die Alteingesessenen, die mit ihren roten Nasen in den Weinstuben hocken, das Sagen”.

Für die Behebung der Wohnungsnot hatte Everke einige durchaus originelle Ideen anzubieten und forderte eine Mischung von Wohnen und Arbeiten. Er schlug vor, mehr in die Höhe zu bauen und auf Gewerbebauten – wie in Stromeyersdorf – Wohnungen zu errichten. Womit wir doch wieder bei den Mauern wären.

“Wer noch ganz bei Verstand ist, wird sich nicht mutwillig neben eine einsturzgefährdete Mauer stellen”, lehrte der große Menzius vor 2 300 Jahren. Eine tiefe Erkenntnis – auch wenn sie mit der Konstanzer Haushaltsdebatte nicht das Geringste zu tun hat.

O. Pugliese

Der Haushaltsplan ist hier zu finden: http://www.konstanz.de/rathaus/00743/06855/index.html

Bild: Chinesische Windmühle, Zeichnung von Carl von Canstein (own Work, graphit), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/), via Wikimedia Commons

Zitate:
Konfuzius, Gespräche (Lun-yu), übersetzt und herausgegeben von Ralf Moritz, Frankfurt 1983, XII, 3.
Menzius frei nach: Mong Dsi (Mong Ko), aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm, Jena 1921, S. 156.

Burchardts Amtsblatt-Rückzieher “zutiefst undemokratisch”

Scharfe Kritik üben die beiden StadträtInnen der Linken Liste Konstanz (LLK) am Verhalten von Oberbürgermeister Ulrich Burchardt, der während der Sitzung des Gemeinderats am 20. 12. die Vorlage der Verwaltung zurückgezogen hatte, künftig ein Amtsblatt zur Information der Bürgerinnen und Bürger herauszugeben.

„Mit dieser Entscheidung hat er nicht nur die umfangreichen Vorarbeiten der eigenen Verwaltung mit einem Schlag zunichte gemacht“, ärgert sich Stadträtin Anke Schwede, sondern missachte auch das Votum des Haupt- und Finanzausschusses, in dem das Amtsblatt eine Mehrheit gefunden hatte. „Hanebüchen“ sei die Begründung Burchardts für den Rückzieher, die erwarteten 55 Prozent Ja-Stimmen seien ihm zu wenig: „Sollen Tagesordnungspunkte in Zukunft etwa nur noch behandelt werden, wenn das Abstimmungsergebnis dem OB genehm ist?“, fragt die LLK-Rätin. Dieses „zutiefst undemokratische“ Agieren des Stadtoberhauptes dürfe nicht Schule machen.

Holger Reile weist darauf hin, dass Burchardts Rolle rückwärts in Sachen Amtsblatt nur das jüngste Beispiel für ein zunehmend selbstherrliches Gebaren des Oberbürgermeisters sei. Der LLK-Stadtrat erinnert in diesem Zusammenhang an die Querelen um die Richtlinien zur Bürgerbeteiligung. „Auch dabei hat der OB eine mehr als unrühmliche Rolle gespielt, weil er kurzerhand die engagierte Arbeit der Vorbereitungsgruppe in den Papierkorb geworfen hat“, so Reile. Mit Sorge beobachte er, dass die Politik des Konstanzer Stadtoberhauptes „zunehmend autokratische Züge“ annehme.

Die LLK-Mandatsträger kündigten gleichzeitig an, die Initiative für ein Amtsblatt weiterverfolgen zu wollen. „Nicht jedeR ist online und will oder kann sich den Südkurier leisten“, sagt Anke Schwede, deshalb habe sich auch der Stadtseniorenrat für ein solches Mitteilungsorgan stark gemacht. Es fördere – bei bescheidenen Kosten – kommunalpolitische Transparenz und sei damit auch ein Mittel gegen Politikverdrossenheit. „Wenn Uli Burchardt glaubt, damit sei das Kapitel Amtsblatt beendet, hat er die Rechnung ohne uns gemacht“, so Holger Reile abschließend.

Linke Liste Konstanz (LLK)
Jürgen Geiger

Rettung der Geburtshilfe? Ja, aber …

Weit über 100 DemonstrantInnen belagerten am Montag vor der Sitzung des Kreistags das Konstanzer Landratsamt und füllten später im Sitzungsaal alle Besucherplätze, um ihrer Forderung den nötigen Nachdruck zu verleihen: „Die Geburtshilfe in Radolfzell muss bleiben. Gesundheitsverbund und Landkreis müssen Finanzspritzen gewähren, um die Belegarzt-Station zu retten“.

Nach über dreistündiger Debatte einigte sich danach der Kreistag in der Frage, ob die Geburtshilfe am Krankenhaus Radolfzell erhalten bleiben soll, auf einen faulen Kompromiss. Über fünf Jahre lang könnte die Belegarzt-Station subventioniert werden, wenn … Und dann kommen die Fragezeichen.

„Skandal im Kreißsaal“

Mit pfiffigen Umdichtungen bekannter Schlager heizten die Demonstrantinnen, fast nur Mütter und Hebammen, dem Landrat Frank Hämmerle und nur wenigen verdutzten Kreisräten vor der Sitzung ein; mit schlagkräftigen Argumenten belegten in der Sitzung niedergelassene GynäkologInnen und Belegärzte die Notwendigkeit einer Geburtshilfe in Radolfzell und die Risiken einer Verteilung der Schwangeren auf die Kliniken in Konstanz und Singen; Geschäftsführer und Chefärzte konnten die Befürchtungen kaum zerstreuen.

Noch am Tag der Entscheidung flatterten den KreisrätInnen immer neue Anträge auf den Tisch: Letztlich standen fünf alternierende Anträge zur Abstimmung, die von einer ersatzlosen Streichung der Geburtshilfe bis zu vollständigen Kostenübernahme durch den Landkreis und/oder den Gesundheitsverbund reichten.

Natürlich ließ es keiner der Kreistagsredner aus, sein Mitgefühl für die werdenden Mütter zu betonen, doch zwischen den Sätzen wurden die politischen Unterschiede deutlich wie selten. Während Uli Burchardt als CDU-Fraktionsvorsitzender eine Verantwortung des Landkreises durchweg abstritt und der FDP-Sprecher Geiger vor Präzedenzfällen warnte („dann will bald jede defizitäre Klinikabteilung noch mehr Geld“), betonten die linken Kreisräte Koch und Radojevic die Verantwortung der Politik für eine flächendeckende Versorgung in Gesundheitsfragen. Hans-Peter Koch: „Betriebswirtschaftliche Entscheidungen dürfen nicht auf dem Rücken der Mütter gefällt werden.“

Während Anne Overlack aus Feministen-Sicht sehr engagiert für einen Antrag der Grünen stritt, der ein weitergehendes Engagement des Landkreises befürwortete, fiel die SPD durch peinliche Zurückhaltung auf. Außer einem Statement ihres Granden Jürgen Leipold, der Formales in den Anträgen kritisierte, war von den Sozialdemokraten nichts zu vernehmen.

Wenn das Wörtchen ‚wenn‘ nicht wär

Nach vielen Umformulierungen einigte sich der Kreistag schließlich auf einen Antrag von Rainer Stolz, Stockacher Bürgermeister, der sein Krankenhaus aus dem Gesundheitsverbund ausgegliedert hat: Unter der Voraussetzung, dass die Stadt Radolfzell als „Besteller der Geburtshilfe“ auftritt, ist der Landkreis neben anderen Geldgebern bereit, „für ein eventuell auftretendes Defizit der Geburtshilfsstation am Krankenhaus Radolfzell in Höhe von jährlich maximal 100 000 Euro“ einzutreten. „Die Zusage ist auf fünf Jahre begrenzt.“

Und dann kommen die Fragezeichen: Verschiedene juristische Gutachten widersprechen sich in der Wertung der Frage, ob die Stadt Radolfzell nach EU-Anordnung überhaupt als ‚Besteller‘ mit dann Bezahlpflicht fungieren darf; können und dürfen andere Geldgeber, wie z. B. die Werner- und Erika-Messmer-Stiftung per Spende zubuttern, und wie wird die Defizithöhe ermittelt – etliche Kreisräte äußerten erhebliche Zweifel am entsprechenden Zahlenwerk der Geschäftsführung des Gesundheitsverbundes.

Was bleibt? Die Geburtshilfsstation am Krankenhaus Radolfzell arbeitet wohl bis Ende Januar 2017 weiter (dann läuft der Haftpflicht-Versicherungs-Vertrag der Belegärzte aus). Bis dahin müssen die widersprüchlichen juristischen Stellungnahmen auf einen Nenner gebracht werden, dann muss der Kreistag in den Haushaltsberatungen Ende Januar dem zusätzlichen Finanzbedarf zustimmen – da gibt es also genügend Fallstricke.

Der Verdacht liegt nahe, dass die bürgerliche Mehrheit aus CDU, Freien Wählern und FDP im Kreistag auf verklausulierten Umwegen ein Ende der Geburtshilfe in Radolfzell bewirkt hat. Dafür spricht auch, dass eben diese Mehrheit eine namentliche Abstimmung verhinderte. Feiglinge vor.

hpk/red

LINKE-Kandidat Pschorr: Geburtshilfe in Radolfzell erhalten

Im Hegau-Bodensee-Klinikum Radolfzell soll der Fachbereich Geburtshilfe ersatzlos gestrichen werden. Was war der Anlass? Die Versicherung der Klinik, sie ist Teil des Gesundheitsverbunds im Landkreis, hat das Ausscheiden einer Angehörigen des dort tätigen Belegärzteteams genutzt, um die Prämien für die obligatorische Haftversicherung von 45.000 auf 150.000 Euro zu erhöhen – für die MedizinerInnen existenzbedrohend.

Der Landkreis als Hauptgesellschafter des Verbunds weigert sich, die ÄrztInnen fest anzustellen und damit auch die Versicherungskosten zu tragen. Die Stiftung der Stadt Radolfzell, die das Klinikum trägt, ist bereit, die Ärzte mitzuversichern, was aber ein anderes Vertragsmodell nötig macht. Die dadurch entstehenden Mehrkosten kann die Stiftung jedoch aus rechtlichen Gründen nicht vollständig übernehmen. Nötig ist deshalb, dass der Gesundheitsverbund, der die Verantwortung für die Gesundheitsvorsorge im Landkreis trägt, sich solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Darüber hat nun der Kreistag in seiner Sitzung am 19.12. zu entscheiden.

Frank Hämmerle, als Landrat auch Aufsichtsratsvorsitzender des Gesundheitsverbunds, hatte bei Gründung der privatrechtlich als GmbH verfassten Gesellschaft eine wohnortnahe und ausreichende Versorgung an allen Krankenhausstandorten garantiert. Schon nach wenigen Jahren zeigt sich, dass das nur leere Worte waren. Einige Einrichtungen im Pflegebereich wurden schon geschlossen, nun soll ein weiteres, wichtiges Element der Daseinsvorsorge im Landkreis Konstanz ökonomischen Interessen geopfert werden. Was sich nicht rentiert wird ausgedünnt oder geschlossen. Natürlich – es gibt in Konstanz und Singen auch Kreißsäle. Aber: Welche schwangere Frau will schon mit dem Risiko leben, wenn Hilfe unerlässlich ist schlimmstenfalls kilometerweit durch den Stau auf der B33 fahren zu müssen?

Es war bisher eine große Stärke der deutschen Krankenversorgung, dass es regionale, dezentrale Angebote auch in kleineren Städten gab. Die Zentralisierung von Leistungen mag in Einzelfällen medizinisch durchaus gerechtfertigt sein, im Fall von Geburtshilfeeinrichtungen ist das jedoch gewiss nicht der Fall, hier ist ein möglichst ortsnahes Angebot notwendig.
Durch die Krankenhausstrukturreform werden Kleinkrankenhäuser kaputt gespart. In Ermangelung ausreichender Finanzierung durch die Krankenkassen als Folge eines realitätsfern klein gerechneten Fallpauschalensystems müssen sich Krankenhäuser regional zusammenschließen, um „Synergien zu nutzen“, vulgo: Zentralisieren und Teilschließen. Ein flächendeckendes Gesundheitsangebot vom (Land-)Arzt bis zum Krankenhaus wird es so in Zukunft – gerade in ländlichen Räumen – immer seltener geben.

Gesundheit ist keine Ware, deshalb fordert DIE LINKE die KreisrätInnen auf, am 19.12. die nötigen Gelder für den Erhalt der Radolfzeller Geburtshilfe zu bewilligen: Sie ist ein wichtiger Bestandteil der ortsnahen Gesundheitsversorgung im Landkreis. Das Beispiel Radolfzell zeigt erneut, wie berechtigt die Forderungen der Linken nach einer ausreichenden Finanzierung des Gesundheitssystems sind – u. a. durch gleiche Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Mit diesem Geld könnten wir zu einer Kostendeckung der Gesundheitsversorgung zurückkehren und ländliche Strukturen erhalten.

Simon Pschorr

Das Zweckentfremdungsverbot greift

Im Konstanzer Gemeinderat gab es am letzten Donnerstag auf Antrag der FDP eine Debatte über die Wirksamkeit des Zweckentfremdungsverbotes, in der die Verwaltung erste überraschende und durchaus erfreuliche Zahlen vorlegte. Die FDP und einige andere nutzten die Gelegenheit, wieder einmal deutlich zu machen, wie sehr sie Eingriffen in die Freiheit der immobilienbesitzenden Klasse misstrauen.

Nachdem auf der Linken die VertreterInnen einer reinen Lehre im Aussterben begriffen sind, haben die Bürgerlichen mittlerweile die Freuden der Ideologie für sich entdeckt. Die FDP hatte getreu dieser Grundstimmung beantragt: “Der Gemeinderat hat im Februar 2015 beschlossen, einen neuen Mitarbeiter im Baurechtsamt einzustellen, der die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes von Wohnraum überwachen soll. Wir möchten darüber informiert werden, wie viele Wohnungen durch diese Maßnahme dem Wohnungsmarkt zugeführt wurden. Außerdem möchten wir darüber informiert werden, wie viele Gerichtsverfahren in diesem Zusammenhang erforderlich wurden.”

Man erinnert sich: Nach langem Wehgeschrei der Bürgerlichen hat der Gemeinderat damals ein solches Verbot erlassen, durch das, so die Verwaltung, “u.a. die Umnutzung von Wohnraum in Gewerbeflächen oder in dauerhaft genutzte Ferienwohnungen untersagt und der Abbruch von Wohnraum gesteuert werden” können.

Eingriff in das Privateigentum

Nach Heinrich Everkes Worten steht seine FDP jedem Eingriff in die Rechte von Eigentümern höchst kritisch gegenüber und fürchtet, dass durch ein solches Verbot in der Stadt das “Denunziantentum” aufblühen könnte. Außerdem monierte er, dass es ja gar nicht möglich sei, all die Internet-Angebote von Ferienwohnungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Sein Fazit: Das Verbot hat zu wenig Wirkung, ist zu teuer und macht nichts als Ärger. Er forderte statt dessen Erleichterungen für Bauherren, um den Wohnungsbau anzukurbeln.

Es überrascht, dass ausgerechnet die FDP einer unkontrollierbar großen Zahl von Immobilienbesitzern unterstellt, sie könnten vielleicht Wohnraum illegal über das Internet als Ferienwohnungen anbieten, aber man muss Everke zugutehalten, dass er seine Pappenheimer natürlich bestens kennt. Ob es freundlich ist, Mitmenschen, die solche Verstöße melden, im gleichen Atemzuge des “Denunziantentums” zu bezichtigen, bleibe dahingestellt.

Wohnungen “gerettet”

Andreas Napel, Leiter des Baurechts- und Denkmalamtes, wartete jedenfalls mit den gewünschten Zahlen auf, und die sprechen eine sehr deutliche Sprache: “Zur Ermittlung von Wohnraumleerständen und Nutzungsänderungen wurde neben Kontrollen durch Mitarbeiter auch die Möglichkeit eröffnet, dies über eine Mailadresse bei der Stadt Konstanz zu melden. Die bisher aufgegriffenen ca. 500 Anfragen und eingeleiteten Verfahren zeigen, dass hier deutlicher Handlungsbedarf besteht. Neun Wohneinheiten wurden im Verlauf der eingeleiteten Verfahren bereits wieder ihrer Zweckbestimmung zugeführt. Hinsichtlich weiterer 30 Wohneinheiten wurden Instandsetzungsanordnungen erlassen, die innerhalb der gesetzten Fristen zu einem Wiederbezug der fraglichen Wohneinheiten führen werden.” Was den Ärger anbelangt, gibt sich Napel gelassen: 0 Gerichtsverfahren gleich 0 € Gerichtskosten.

Darüber hinaus lässt sich natürlich nicht abschätzen, wie viel Wohnraum durch die Abschreckungswirkung des Zweckentfremdungsverbotes erhalten blieb oder im Stillen auf den Markt zurückgeführt wurde. Dieses Verbot, das stellte die Veraltung noch einmal klar, greift natürlich nur bei vorhandenem Wohnraum, Ferienwohnungen neu zu errichten kann im Rahmen des Baurechts und der Bebauungspläne durchaus möglich sein.

2020 ein Nachmittag der langen Messer?

Roger Tscheulin (CDU) nannte den Erfahrungsbericht wichtig und bezeichnete das (von ihm damals bekämpfte) Zweckentfremdungsverbot als “wohnungspolitische Krücke”, die mit einem großen Eingriff in das Privateigentum einhergehe. Er erinnerte daran, dass das Zweckentfremdungsverbot ja auf fünf Jahre befristet ist. Es bedarf keiner großen Phantasie, um vorherzusagen, dass es dann wieder einen Nachmittag der langen Messer geben wird, aber das ist dann schon nach der nächsten Gemeinderatswahl.

Der alte Konstanzer Mieterkämpe Herbert Weber (SPD) war natürlich bei diesem Thema in seinem Element. “39 Wohnungen sind bei einer derartigen Marktlage verdammt viel!”, rief er zustimmungsheischend in die Runde. Holger Reile (LLK) teilte indes gewohnt beherzt gegen die FDP aus und verkündete nach einigen Lobeshymnen auf das Zweckentfremdungsverbot: “Ich hätte auch nichts gegen Instandbesetzungen!”

Bedenklich ist allerdings ein Nebenaspekt, den Roland Wallisch (FGL) in die Diskussion einbrachte. Ihm sei ein Fall bekannt, in dem ein Vermieter von der Stadt erfahren habe, wer dort des Vermieters leerstehenden Wohnraum gemeldet habe. Dieser Melder sei daraufhin von seinem Wohnungsgeber rausgeschmissen worden. Andreas Napel bestätigte zur Überraschung praktisch aller im Saale, dass schriftliche Zweckentfremdungsmeldungen nicht vertraulich sind, weil die Vermieter in diesen Verfahren Akteneinsicht beantragen können und dann den gesamten Schriftwechsel einschließlich der Leerstandsmeldungen aus der Bevölkerung zu sehen bekommen.

Das Wort des Tages in dieser Sache aber kam von Anselm Venedey (FWK): “Manchmal sind Dinge auch wichtig, wenn sie nicht wirksam sind. Davon lebt ein ganzer Berufsstand.” Wer dabei an HomöopathInnen denkt, irrt, denn diese Replik ging an die Adresse des Rechtsanwaltes Roger Tscheulin.

O. Pugliese