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Kreistag beschließt eine Resolution light gegen Freihandelsabkommen

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Protest gegen das Freihandelsabkommen auf dem Hohentwiel.

Dass TTIP und andere Verträge, die den internationalen Handel von seinen angeblichen “Fesseln” befreien sollen, vor allem darauf abzielen, soziale Errungenschaften zu beseitigen und die Macht der Konzerne zu stärken, hat sich mittlerweile bis in bürgerliche Kreise herumgesprochen. Daher hat der Kreistag Konstanz auf Anregung der Linken in seiner Sitzung am Montag nahezu einhellig eine – recht milde – Resolution gegen TTIP & Co. verabschiedet.

Die Linke hat dem Kreistag einen ausführlich begründeten Resolutionsentwurf vorgelegt, der die derzeit – meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit – verhandelten Abkommen wegen ihrer sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen rundheraus ablehnt: “Bei den derzeit verhandelten ‘Freihandelsabkommen’ TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership – EU/USA), CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement – EU/Kanada) und TiSA (Trades in Services Agreement – multilaterales Dienstleistungsabkommen) handelt es sich um eine ‘neue Generation’ von bi- und multilateralen Handelsverträgen, die eine Machtverschiebung zum Ziel haben, weg von demokratisch gewählten Politikern, hin zu multinationalen Konzernen.” TTIP nein danke! ist also die linke Position.

TTIP light?

Auch die bürgerlich dominierten kommunalen Spitzenverbände haben vor einiger Zeit ihre Zweifel an den Abkommen angemeldet, allerdings lehnen sie diese nicht grundsätzlich ab, sondern befürchten nur die Auswirkungen auf ihren eigenen Verantwortungsbereich: “Die kommunalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen begleiten konstruktiv die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und weitere Freihandelsabkommen. Sie unterstützen das mit den Abkommen verfolgte Ziel, durch den Abbau von Handelshemmnissen und die Verbesserung der Investitionsbedingungen die Schaffung von Arbeitsplätzen zu befördern. Freihandelslabkommen bergen jedoch auch erhebliche Risiken für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die durch die Kommunen und ihre Unternehmen verantwortet und erbracht werden. Beeinträchtigungen dieser für die Bürgerinnen und Bürger wichtigen Dienstleistungen durch Freihandelsabkommen müssen ausgeschlossen werden.” TTIP light gern, so der Standpunkt der kommunalen Spitzenverbände.

Skepsis gegen Freihandelsabkommen fast überall

Man erkennt die verschiedenen Stoßrichtungen deutlich: Während es der Resolution der Linken um eine grundsätzliche Ablehnung einer Machtverschiebung hin zu den Konzernen, zu sozialem Elend und Umweltzerstörung geht, schauen die Kommunalpolitiker kaum über ihren Tellerrand hinaus und haben gegen die globalen Auswirkungen von TTIP & Co. wenig einzuwenden, sofern sich in ihrem Machtbereich durch die Verträge nichts ändert – eine Politik, deren enger Blickwinkel sich noch bitter rächen könnte.

Entlang dieser Grundlinien – Komplettablehnung hier, TTIP light dort – verlief schließlich die Diskussion im Kreistag. Landrat Frank Hämmerle stellte sich auf den Standpunkt, der Landkreis sei nicht für alles in der Welt zuständig, und die endgültige Entscheidung liege bei Bundesrat und Bundestag, zwei gewählten Gremien also. Der Landkreis Konstanz solle sich nur dort einmischen, wo seine ureigensten Interessen zur kommunalen Daseinsvorsorge berührt seien. Alles andere falle nicht unter seine Befassungskompetenz, und deshalb sei er dafür, das Papier der kommunalen Spitzenverbände zu übernehmen, die Forderungen im Papier der Linken gingen weit über diese Befassungskompetenz hinaus. Außerdem wollte Hämmerle die Kreisrätinnen und -räte beruhigen: Er habe in Brüssel jüngst erfahren, dass die kommunale Daseinsvorsorge (wie Wasser- und Elektrizitätswerke, Kultureinrichtungen und Gesundheitsdienste) mittlerweile im Vertrag geschützt werde. Uli Burchardt (CDU) sekundierte ihm, die kommunale Daseinsvorsorge habe immerhin im Grundgesetz in § 28 Verfassungsrang und sei daher nicht wirklich bedroht.

FDP pro Freihandel

Erwartungsgemäß trat Birgit Homburger (FDP) gegen die Kritik an Freihandelsverträgen ein. Für sie ist es keinesfalls Aufgabe des Landkreises, sich mit einem internationalen Vertrag zu befassen. Aber wichtiger als diese Formalie waren ihr die Vorteile des TTIP, und wie nicht anders zu erwarten, ist das, was anderen Angst macht, für die FDP vor allem eins: eine Chance für die deutsche Wirtschaft. Einer der häufigsten Kritikpunkte an TTIP ist, dass Streitigkeiten etwa zwischen Firmen und Staaten nicht von ordentlichen Gerichten, sondern von drei Schiedsrichtern entschieden werden, aber für die FDP sind solche Schiedsstellen durchaus von Vorteil: Für ein mittelständisches Unternehmen sei eine Klage vor einem Gericht in den USA mit hohen Kosten und Risiken verbunden, da sei ein solcher Schiedsspruch ein wirksames Mittel, den deutschen Mittelstand vor Enteignungen zu schützen. Sie trat zwar für die kommunale Daseinsvorsorge ein, kann sich aber auch auf diesem Gebiet wie bei den Wasserwerken mehr Wettbewerb (sprich: Privatisierungen) vorstellen. Deshalb kündigte sie an, die FDP werde sich wegen der positiven Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf Mittelstand und Arbeitsplätze bei der Abstimmung über die Resolution enthalten.

Deutsche Daseinsvorsorge gilt als Stamokap

Landrat Hämmerle spielte der Linken gekonnt den Ball zu, als er berichtete, er habe in Brüssel den Eindruck gewonnen, dass die meisten Staaten in der EU das deutsche Modell der Wasser- und Gesundheitsvorsorge für reinsten Staatsmonopolkapitalismus hielten.

Für Die Linke stieg Hans-Peter Koch in die Bütt: “Was Frau Homburger hier preist, genau das fürchten wir. Hier geht es nicht nur um die ganze Welt, sondern all das passiert genau hier bei uns!” Er führte etwa die Kultur an, die in Deutschland öffentlich subventioniert und in den USA ein privates Geschäft ist: Nach den Freihandelsverträgen könne eine Broadway-Show die Stadt Konstanz verklagen, weil das Stadttheater städtische Mittel erhält und die Broadway-Show nicht. Das dürfte auf Dauer dazu führen, dass sich etwa Kommunen wegen des Prozessrisikos aus der Förderung der Kultur zurückziehen. Als weiteres Beispiel führte er die deutsche Buchpreisbindung an, deren Verbot die kleinen Buchläden in den Ruin treiben und Tausende Arbeitsplätze gefährden würde. Sein Genosse Marco Radojevic ergänzte, dass einige deutsche Städte wie Hannover und München sich schon für TTIP-frei erklärt haben und erinnerte daran, dass ein US-Konzern gerade Kanada auf Schadensersatz verklagt, weil sich die Bürger in Quebec gegen Fracking entschieden haben, das alles drohe dann auch uns (Einwurf von Landrat Hämmerle “Wir sind alle gegen Fracking!”).

Das grüne Nein/Ja-Spiel

Der Grüne Siegfried Lehmann bemängelte, dass die geplanten Schiedsgerichte die Demokratie aushebeln würden, weil sie über dem Gesetz stünden. Und Günter Beyer-Köhler schließlich, kritischer Geist der Grünen, warnte vor den Abkommen. Die Endverbraucher würden die Zeche bezahlen und diese Verträge seien gegen den Umweltschutz und für eine verschärfte Ausbeutung. Nach diesen beherzten Worten kündigte er die Zustimmung der Grünen an – zur milden Resolution der kommunalen Spitzenverbände.

Der Resolutionsantrag der zweiköpfigen Linken erhielt immerhin 17 Stimmen (vor allem auch aus der SPD), am Ende obsiegte aber die Resolution der kommunalen Spitzenverbände mit ihrem TTIP light nebst einer geschützten kommunalen Daseinsvorsorge. Ein klarer Sieg einer Kirchturmspolitik, die sich kaum darum schert, welche globalen Folgen der radikale Freihandel haben wird. Hier am See geht man scheint’s davon aus, dass die Stürme schon an Konstanz vorbeiziehen werden, wenn man sich nur richtig einigelt und die Augen verschließt; aber es ist der linken Resolution gelungen, bis ins bürgerliche Lager hinein ein breites Unbehagen an TTIP und den Folgen zu wecken.

O. Pugliese

Die Schafe, die Wolle und die Maut – eine Kreistagskomödie

MautIn der Schweiz gibt es die Vignette, in Österreich das Pickerl, und in Frankreich beißt man sich in den allerwertesten cul, dass man seine Autobahnen an Firmen verhökert hat, die mit der Straßenmaut in Wegelagerer-Manier rund 25% Kapitalrendite machen. Auch in Deutschland soll jetzt bundesweit eine Auto-Maut eingeführt werden, um Straßen zu finanzieren. Wirklich in ganz Deutschland? Nein, ein kleiner alemannischer Landkreis leistet trutzig Teilwiderstand: Der Landkreis Konstanz.

Landrat Frank Hämmerle hatte ein mulmiges Gefühl dabei, über eine Resolution des Landkreises zur vom Bund geplanten Auto-Maut abstimmen zu lassen, auch wenn er sie auf die Tagesordnung der Kreistagssitzung am Montag gesetzt hatte. Denn immerhin weiß noch niemand so recht, was Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in Sachen Maut überhaupt vorhat, da ist’s ein bisschen schwierig, jetzt schon dafür oder dagegen zu sein.

Aber Vorlage ist Vorlage, und abgestimmt werden muss sie allemal. Also einigte man sich auf folgende drei Punkte zur Beschlussfassung:

1) Der Landkreis Konstanz begrüßt, dass durch eine Maut zusätzliche Finanzmittel für den Bundesstraßenbau generiert werden sollen.

2) Der Landkreis Konstanz erwartet, dass sichergestellt wird, dass diese zusätzlichen Finanzmittel auch tatsächlich in den Straßenbau des Bundes fließen.

3) Der Landkreis Konstanz fordert den Gesetzgeber auf, dafür zu sorgen, dass jegliche Benachteiligung der Grenzregion Landkreis Konstanz ausgeschlossen wird.

Klingt kompliziert – und ist doch ganz einfach …

Die Wolle

Alle wollen Wolle haben, aber keiner möchte sein Schaf geschoren sehen (für Menschen unter 35: Alle wollen am Beach online sein, aber WLAN muss umsonst sein). Das ist ein eherner Grundsatz der föderalen Politik in Deutschland, die Lasten wie Einnahmen zwischen Städten und Gemeinden, Kreisen, Ländern, dem Bund und anderen verteilt.

Da ist es nur ganz natürlich, dass der Landkreis Konstanz sehr dafür ist, dass der Bund auch in Deutschland Straßennutzungsgebühren erhebt, damit er mit diesem Geld auch im Raum Konstanz schönere Bundesstraßen und Autobahnen bauen kann. Deshalb begrüßt der Landkreis ausdrücklich die Maut, fordert aber zugleich, dass „sichergestellt wird, dass diese zusätzlichen Finanzmittel auch tatsächlich in den Bundesstraßenbau fließen“ – und nicht etwa für einen Tarnanstrich fürs Bundeskanzleramt oder ein höheres BAFöG verwendet werden. So weit alles klar?

Die Schafe

Natürlich schätzt der Landkreis Konstanz auch seine Nähe zur Schweiz: In der Schweiz zahlt man Autobahngebühren und in Deutschland (bisher) nicht – so etwas nennt man einen klaren „Standortvorteil“, und den nimmt man natürlich gern in Kauf. Das lockt neben den vergleichsweise niedrigen Preisen und der Mehrwertsteuerrückerstattung die Käufer aus der Eidgenossenschaft zuhauf über die Grenze. Da kümmert’s niemanden, dass dank des Einkaufstourismus nach Deutschland manche schweizerische Stadtviertel in Grenznähe mittlerweile aussehen wie Beirut nach dem Bürgerkrieg. So weit verstanden?

Die Schafschur

Was aber passiert im Landkreis Konstanz, wenn in Deutschland eine Straßenmaut eingeführt wird? Man ahnt es: „Es werden Einbußen u.a. beim Einzelhandel befürchtet, da die Abgabe Fahrten zum Einkauf ins grenznahe Deutschland erschweren bzw. teilweise verhindern könnte.“ Deshalb fordert der zornige Konstanzer Kreistag mit Nachdruck vom Bund, dafür zu sorgen, dass eine Benachteiligung der Grenzregion Landkreis Konstanz ausgeschlossen wird. Was meint, dass die Maut im Landkreis Konstanz für schweizerische Bürger entweder gar nicht gelten oder zumindest nur auf (für den Einkaufsverkehr uninteressanten) Autobahnen, nicht aber auf anderen Straßen wie den Bundesstraßen zu bezahlen sein soll.

Hmmm … Von einer Benachteiligung der Grenzregion kann natürlich keine Rede sein, wenn alle gleichermaßen bezahlen müssen, und die Schweiz verlangt schließlich von deutschen Autofahrern auch eine Maut, da wäre ein wenig Rache an den Eidgenossen eigentlich doch nur süß. Es geht aber darum, dass der geliebte Standortvorteil geringer würde, wenn die schweizerische Kundschaft plötzlich eine Vignette für die Fahrt zum Einkaufen kaufen müsste. Und wenn es um ihren Einzelhandelsumsatz geht, erwacht im Landkreisler plötzlich neben dem Mautfan auch der Mautrebell, der trutzig gleichzeitig für die Maut für alle und gegen die Maut für schweizerische Einkaufstouristen ist. Sind sie noch mitgekommen?

Einem Normalmenschen würde man an dieser Stelle den Gang zum Psychiater oder gleich ein paar herzhafte Elektroschocks nach Hausmacherart empfehlen, der Landkreis versteht das als durchaus rationale und vorausschauende Standortpolitik: Von den zahlungskräftigen schweizerischen Opferlämmern soll der Bund gefälligst die Finger lassen. Sie sollen gänzlich ungeschoren einen der hiesigen Einkaufstempel anfahren dürfen, wo ein Einheimischer nur darauf wartet, ihnen das Fell über die Ohren zu ziehen.

Die Debatte

Der Kreistag war durchaus willig, sich diesem Thema mit Hingabe zu widmen. Marco Radojevic (Die Linke) lehnte jede Maut gleich rundheraus ab: Sie sei ein bürokratisches Monster, das angesichts von etwa 50 Milliarden jährlicher Abgaben aus Steuern für KFZs, Benzin usw. mit lächerlichen 600 Millionen finanziell gar nichts bringe. Sie sei unökologisch, weil sie Verkehr von der Autobahn auf die Landstraße und in die Ortsdurchfahrten umlenke. Und die Maut sei unsozial, weil sie vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen belaste. Birgit Homburger (FDP) forderte schließlich, über die Punkte 1, 2 und 3 (siehe Anfang) getrennt abzustimmen. Sie wollte 3 annehmen und 1 und 2 ablehnen, während der Grüne Rainer Luick grüne Zustimmung für 1 und 2, aber Ablehnung von 3 ankündigte. Verstehen Sie das? Das sind allen Ernstes Grüne, die da fordern, dass der Bund eine Auto-Maut erhebt, damit er die Landschaft besser zubetonieren kann?

Kurzum: Am Ende wurden alle 3 Einzelpunkte der Resolution mit verschieden großen Mehrheiten angenommen. Und Landrat Frank Hämmerle kommentierte die Resolution durchaus selbstironisch: “In dieser Resolution bitten wir nicht nur, sondern fordern sogar, da werden die in Berlin aber erschrecken!”

O. Pugliese

Landesausschuss der Linken: “Unterstützt Kobanè! Öffnung eines Hilfskorridors für Kobanè!”

Kobane_SolidaritaetDer Landesausschuss der Partei DIE LINKE hat bei seiner Tagung am 19. Oktober in Stuttgart eine Resolution beschlossen, in der zur Unterstützung des bewaffneten Widerstands der kurdischen KämpferInnen in Kobanè gegen die Angriffe des IS, zur Anerkennung der demokratischen Selbstverwaltung der KurdInnen in der Region Rojava und zur Aufhebung des PKK-Verbots in der BRD aufgerufen wird. Wir veröffentlichen die Erklärung des Vertretungsorgans der Kreisverbände und Arbeitsgruppen der baden-württembergischen Linken im Wortlaut.

In ganz Europa demonstrieren tausende Menschen in Solidarität mit den kämpfenden Kurdinnen und Kurden in Kobane/Rojava. Abscheu, Ablehnung und auch die Angst vor den Mörderbanden des IS sind groß, die Empörung über die NATO-Staaten, insbesondere die Türkei, ebenso.

Wir unterstützen die Erklärung der Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger vom 8.10.2014 und betonen:

DIE LINKE fordert:
► massive humanitäre Hilfe, Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge im Grenzgebiet, deutliche Aufstockung der humanitären Hilfe für die mehr als 7 Mio. syrischen und irakischen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten;
► Öffnung der türkisch/syrischen Grenze bei Kobane in beide Richtungen für die Kurdinnen und Kurden, Sicherung eines Hilfs-Korridors für Kobane, dagegen Schließung der Grenzen und Unterbindung jeglicher Unterstützung für den IS durch die Türkei;
► Solidarität und Unterstützung für die bewaffnete Selbstverteidigung der Kurdinnen und Kurden in Kobane/Rojava – Bekämpfung und des IS und Unterbindung aller Unterstützungen und Ressourcen für den IS;
► Anerkennung der demokratischen Selbstverwaltung der Kurdinnen und Kurden in Rojava/Kobane, Demokratisierung in der Türkei, Anerkennung der kurdischen Interessen, Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland und Europa, Abzug der Patriot-Raketen;
► Öffnung der Grenzen in Deutschland und in Europa für die Flüchtlinge, Ausweitung, Verbesserung der Aufnahme im Land und in den Kommunen.

Eine Militärintervention lehnen wir als LINKE ab – die NATO-Staaten sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.

Wir rufen auf zur Durchführung und Teilnahme an Protestaktionen zusammen mit kurdischen und türkischen Vereinen und Organisation, Bündnisse und zur Veröffentlichung von Beschlüssen und Resolutionen.

Zur Bekämpfung des IS und seines Kriegs im Nahen Osten gehört, dass auch alle Destabilisierungs- und Spaltungsversuche seiner Anhänger in Europa, weltweit und in Deutschland bekämpft werden. Die religiös aufgeheizten Mörderbanden des IS dürfen sich nicht darauf berufen können, im Namen des Islam oder irgendeiner Variante des Islam zu handeln. Deshalb unterstützen wir alle Bestrebungen der Menschen aus kurdischen, türkischen, arabischen Ländern und Regionen und aus den verschiedenen Religionsgemeinschaften nach Zusammenarbeit, Ausgleich und friedlichem Zusammenleben. Wir unterstützen Ihre Bestrebungen und Verlautbarungen zur Ablehnung und Bekämpfung des IS und seiner Anhänger.

Wir empfehlen vor Ort Veranstaltungen als LINKE und gemeinsam mit kurdischen, türkischen, arabischen Vereinen und Organisationen; dazu bieten sich auch die Bundestagsabgeordneten an, die in den vergangenen Wochen an der türkisch-syrischen Grenze waren, darunter Karin Binder, Annette Groth und Heike Hänsel.


Wir rufen auf zur Spendenkampagne Friedens- und Zukunftswerkstatt – IBAN: DE 20 5005 0201 0200 0813 90 – Verwendungszweck: “Flüchtlingshilfe Suruç”


Hinweis: Derzeit wird eine Unterschriftensammlung zur Aufhebung des PKK-Verbots durchgeführt, die im Internet unterschrieben werden kann.

“Bürgerfragestunde”: Gemeinderat schränkt Rederecht für EinwohnerInnen ein

OB beim Jahresempfang

OB im Gespräch mit KonstanzerInnen. Im Gemeinderat scheinen ihm Fragen eher lästig zu sein (Bild: konstanz.de).

Bürgernähe, Offenheit, Transparenz – das sind die Attribute, mit denen der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt sich selbst am liebsten in Verbindung bringt. Doch in der Realität hat dieses Bild schon häufig Schrammen abbekommen, zuletzt war es bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Donnerstag wieder soweit. Da wollte der OB von den Stadträten ein Votum für eine Änderung der Geschäftsordnung, unter anderem sollte der Paragraph 21a umformuliert werden. Der regelt das Recht von “Einwohnerinnen und Einwohnern” bei Ratssitzungen während einer “Bürgerfragestunde” ihre Anliegen vorzubringen. Dieses Recht wird durch die Neufassung empfindlich eingeschränkt. Zum einen sollen Beiträge sich nur noch „auf das Aufgabengebiet des Gemeinderats oder des Oberbürgermeisters beziehen und für eine Behandlung in öffentlicher Sitzung geeignet sein“. Außerdem dürfen zukünftig nur „zwei Angelegenheiten“ in nicht mehr als drei Minuten angesprochen werden, Nachfragen sind nicht mehr möglich. Und auch die Antwortpflicht der Verwaltung will Burchardt lockern.

Für die Linke Liste eine nicht zu akzeptierendes Einschränkung von Mitsprachemöglichkeiten. Stadträtin Anke Schwede protestierte gegen die geplante Neuformulierung und forderte die Mandatsträger auf, den Antrag abzulehnen: “Die Änderung der Geschäftsordnung des Gemeinderates Konstanz sieht unter anderem vor, das Rederecht bzw. die Redezeit von Bürgerinnen und Bürgern zu beschneiden – diesem Ansinnen werden wir nicht zustimmen”. Es sei nicht hinnehmbar, “das Rederecht von Bürgerinnen und Bürgern in der Fragestunde auf nur zwei Themen mit jeweils drei Minuten Redezeit zu beschränken”. Die Formulierung „Von einer Beantwortung von Fragen muss abgesehen werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einzelner erfordern oder wenn sie nicht den Bereich der örtlichen Verwaltung betreffen“ sähe die Linke Liste “als Gummiparagraphen, der abzulehnen ist.” Die LLK-Stadträtin weiter: “Als bürgernah und demokratisch lässt sich der vorliegende Vorschlag der Verwaltung wahrlich nicht bezeichnen, zumal die Fragestunde bisher nur in einigen wenigen Ausnahmefällen ‘überstrapaziert’ wurde.”

Da die Geschäftsordnung noch in einem anderen Punkt geändert werden sollte, beantragte Schwede, über den Paragraphen 21a getrennt abzustimmen, eine knappe Mehrheit stimmte dem zu. Für die vom Oberbürgermeister gewollte Änderung des Paragraphen votierte allerdings dann eine große Mehrheit der Ratsmitglieder. BürgerInnennähe sieht anders aus.

Jürgen Geiger

„Es bleibt wohl nur die Revolution“ – Einblick in rechtliche und ökonomische Auswirkungen von TTIP

Demokratie statt Konzernmacht! Stoppt TTIP, TISA, CETA!In ihrem Vortrag am 14. Oktober im Treffpunkt Petershausen konnten die beiden Aktiven aus der Linksjugend [‘solid] Konstanz, Simon Pschorr und Simon Buchwald, ihren Zuhörern wahrlich keine freudigen Botschaften mitteilen. Als Studierende der Rechtswissenschaft und der mathematischen Finanzökonomie besaßen sie aber ideale Voraussetzungen, um kenntnisreich über ein Thema zu referieren, das seit Monaten die politische Diskussion in Europa anheizt: Die Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) und CETA (Kanadisch-Europäisches Freihandelsabkommen) in ihren internationalen juristischen und ökonomischen Auswirkungen.

Diese Verträge werden zwar schon seit vielen Monaten durch ein breites Spektrum europäischen Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und linker Parteien kritisiert; auch in Konstanz hat sich unter Beteiligung der Linken Liste und der Linksjugend ein lokales Bündnis gegründet, das am europäischen Aktionstag am 11. Oktober erfolgreich mehrere hundert Unterschriften für eine Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP sammeln konnte. Allerdings waren sich die beiden Referenten einig, dass der massive Protest durch eine intensive Diskussions- und Informationskampagne begleitet werden sollte, denn TTIP und andere Freihandelsabkommen dieser Art stellten nur die nächsten Schritte auf einem Weg in der Entwicklung des modernen Kapitalismus dar, der zunehmend die Lebensgrundlagen von Menschen weltweit gefährdet. In diesem Sinn konnten die beiden Studierenden an jenem Abend sicherlich Aufklärungsarbeit leisten.

Ein Gericht, das keines ist, als Interessenvertretung der Wirtschaftsmächtigen

Simon Pschorr führte zunächst aus, wie sich der umstrittene Investitionsschutz als geplanter Bestandteil von TTIP historisch entwickelte. Erstaunlicherweise 1959 in der BRD erfunden, sollten diese Schutzregelungen in erster Linie Investitionen westlicher Unternehmen in politisch instabilen Ländern sichern und der einheimischen Wirtschaft neue Märkte eröffnen. Neben Klauseln, die willkürliche Enteignungen verbieten und die Bevorzugung von Investoren anderer Staaten durch das betreffende Land ausschließen sollten, bewertete Pschorr besonders die sogenannten „Umbrella-Clauses“ sehr kritisch. Diese sollen alle Praktiken eines Staates verhindern, die gegen Treu und Glauben verstoßen, also die Gewinnerwartungen durch Investitionen in ihrem Wert gefährden – eine Regelung, die durch findige Wirtschaftsjuristen buchstäblich in jeder denkbaren Art ausgelegt werden kann und die somit alle wirtschaftspolitisch relevanten staatlichen Maßnahmen betrifft. Damit wird der rechtliche Status quo zum Zeitpunkt einer Freihandelsvereinbarung festgeschrieben und die demokratische Entscheidungsgewalt eines gesamten Staates extrem eingeschränkt.

Dies wird dadurch ermöglicht, dass Streitigkeiten über die Verletzung von Investitionsschutzabkommen vor dem ICSID (Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten) beigelegt werden, nach Pschorrs Worten „die wahnwitzigste Einrichtung, die die Rechtsprechung jemals hervorgebracht hat.“ Weil nationale Gerichte der betroffenen Länder bewusst umgangen werden sollen, wurde diese internationale Gerichtshof eingerichtet, der im eigentlichen Sinne gar keiner ist: Statt Rechtsprechung findet Interessenvertretung statt, da die drei „Richter“ aus einem kleinen Zirkel renommierter wirtschaftsnaher Anwälte ausgewählt werden. Ein Prozessrecht wird vor jedem Fall neu bestimmt, Verhandlungen finden nicht öffentlich statt und es gibt keine Einheitlichkeit in der Entscheidungsfindung. Allerdings gewann dieser Gerichtshof seit den 90er Jahren erheblich an Bedeutung, als Firmen begannen, auf der Grundlage politischer Entscheidungen betroffener Staaten mit Erfolg Schadenersatzleistungen in Milliardenhöhe einzuklagen. Eine immer weiter steigende Zahl von Klagen (98 im vergangenen Jahr) belegt die wachsende Beliebtheit dieses „Geschäftsmodells“, das im CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada und wohl auch in TTIP als völkerrechtliche Verpflichtung der beteiligten Partner verankert werden soll.

 Konkurrenz und schrankenloses Wachstum: Die Ideologie hinter TTIP

Dass neben diesen düsteren Aussichten noch nicht einmal die wirtschaftlichen Auswirkungen von TTIP und Co. als positiv zu bewerten sind, legte Simon Buchwald in seinem Vortragsteil dar. Denn „es handelt sich bei TTIP um eine Handelsumlenkung“: Folge des Abkommens könne keine „aus dem Nichts“ entstandene neue Nachfrage nach Produkten aus dem gemeinsamen europäisch-amerikanischen Wirtschaftsraum sein, sondern die Sicherung des Wohlstands der „westlichen Welt“ im Wettbewerb mit aufstrebenden Schwellenländern stelle das eigentliche Ziel dar. Selbst die optimistischen Studien gingen von einem Rückgang des Handelsumfangs zwischen Europa/USA und verschiedenen Entwicklungs- und Schwellenländern von bis zu einem Drittel aus. Dies könnte sich noch verschärfen, je nachdem wie viele „nicht-tarifäre Handelshemmnisse“ wie Qualitätsstandards oder Umweltschutzregelungen zwischen den westlichen Partnern (nach unten) angeglichen werden. Preise und Absetzbarkeit neuer Produkte zwischen Europa und den USA würden so erhöht, während andere Länder auf dem hiesigen Markt das Nachsehen haben, sollten sie sich nicht den niedrigeren Standards anpassen.

Dies sei auch der Grund, weshalb die Welthandelsorganisation WTO oder die Doha-Runde der Entwicklungsländer nicht in die Verhandlungen miteinbezogen werden: Die Zielsetzung, welche die Verhandlungsführer verfolgten, umfasse ausschließlich die Wohlstandssicherung für „unsere“ Wirtschaftsregion, definiert als möglichst hohes Wirtschaftswachstum und hohe Profitraten der Konzerne ohne Rücksicht etwa auf die zunehmende soziale Spaltung in Arm und Reich. „Die Ideologie, die hinter diesen Abkommen steht, sieht den Staat als Hemmnis und als Problem für das Agieren auf dem Markt“, weshalb seine Gestaltungsmacht durch den Investitionsschutz weitgehend ausgeschaltet werden soll. So wird ein eigentlich sittenwidriger Vertrag auf Kosten Dritter geschlossen, nämlich sowohl zum Nachteil der BürgerInnen in den USA und der EU als auch der Entwicklungs- und Schwellenländer.

 Aktionsmöglichkeiten: Bewahren wir uns eine selbstbestimmte Zukunft!

In der anschließenden Diskussion nach den beiden Vorträgen wurde vor allem die Frage erörtert, welche Möglichkeiten der Zivilgesellschaft gegeben sind, um noch gegen TTIP vorzugehen: Da die Verhandlungen rechtlich abgesichert seien, so Simon Pschorr, könne man nur die Hoffnung in einen Erfolg der neuen Europäischen Bürgerinitiative setzen; diese setzt vor dem eigentlichen Abschluss des Abkommens zu dessen Verhinderung an, während es danach extrem schwierig sein könnte, die negativen Folgewirkungen einzudämmen. Dann bleibe „nur die Revolution“, denn sogar eine Ewigkeitsklausel sei in der Diskussion, um die Vereinbarungen in TTIP unumkehrbar zu machen.

Notwendig sei eine weitere Politisierung und Sensibilisierung der Bevölkerung für die Materie, deren Verständnis für die hochkomplexen juristischen Zusammenhänge häufig fehlt und die die Bedrohung noch nicht richtig erfasst. Neben einer intensiven Unterschriftensammlung müsse man ebenso auf öffentliche Mandatsträger schon auf Gemeinde- und Kreisebene Druck ausüben, sich gegen TTIP auszusprechen. Es gelte, auch ihnen die Ansage zu vermitteln: „Es kann nicht sein, dass wir uns die Zukunft nehmen lassen!“ Ein Appell, der als bleibende Botschaft dieses Abends sicherlich allen Zuhörern im Gedächtnis bleiben wird.

Konstantin Eisel

Herosé-Park: Bürger auf den Barrikaden

Herosé-Park

Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Petershausen malt im Gemeinderat Horrorszenarien – sind brave BürgerInnen im Herosé-Park nächtens nicht mehr sicher? (Bild: Assenmacher, Wikipedia.)

Gerade im Sommer ist die Rheinuferpromenade ein beliebter Treffpunkt der Konstanzer und Konstanzerinnen, was die Anwohner der schmucken Häuser auf dem ehemaligen Herosé-Areal an der Reichenaustraße auf die Barrikaden treibt. Sie berichten von Lärm, Vandalismus und Scherben und fühlen sich von Polizei und Verwaltung im Stich gelassen.

Wie viele verschiedene Perspektiven auf die Situation an der Rheinpromenade und an der Seestraße es gibt, wurde in der letzten Gemeinderatssitzung deutlich. Während Anlieger von Zerstörungs- und Gewaltorgien berichten, sieht die Polizei die Lage eher entspannt, und die Stadt, die gerade die Einrichtung eines kommunalen Ordnungsdienstes prüft, zeigt sich hilflos.

Für Hans-Rudi Fischer, den Leiter des Bürgeramtes, steht die rechtliche Situation im Vordergrund: Er braucht eine gesetzliche Grundlage, auf der er Entscheidungen treffen kann, die – anders als das vom Verwaltungsgerichtshof gekippte Konstanzer Glasverbot – auch vor Gericht Bestand haben. Und hier gibt ihm der Gesetzgeber nach seinen Aussagen nicht allzu viel an die Hand, der öffentliche Raum gehört – mit Einschränkungen – allen Bürgerinnen und Bürgern, auch wenn diese mal über die Stränge schlagen.

Alfred Reichle vom Konstanzer Polizeirevier wiederum gilt das Gebiet an Seerhein und Seestraße als nicht kriminalitätsbelastet, denn in einem Jahr wurden dort lediglich 10 Straftaten registriert; auch der Vandalismus hält sich für ihn zwischen Rheinufer und Reichenaustraße in Grenzen, und 2014 ist die Konstanzer Polizei lediglich einige Male zu Einsätzen wegen nächtlicher Ruhestörung dorthin ausgerückt. Allerdings sind die Möglichkeiten der Polizei begrenzt, denn nachts sind in Konstanz nur drei Streifen im Einsatz, die weder zeitnah anrücken noch Dauerpräsenz zeigen können. Aus Sicht der Polizei wird es problematisch, wenn Menschen in größerer Menge auftreten, aber nach Reichles Angaben ist die Polizei ohnehin ziemlich machtlos, weil gesetzliche Instrumente wie Glas- und Alkoholverbote nicht zur Verfügung stehen. Angesichts der von ihm geschilderten Personalsituation dürfte allerdings auch offen sein, ob solche Verbote, wenn es sie denn gäbe, tatsächlich durchzusetzen wären, so lange nächtliche Parties noch nicht als Kapitalverbrechen gelten.

Sodom und Gomorrha am Seerhein?

Ein ganz anderes Bild zeichnete in einem Lichtbildervortrag Christian Millauer von der Bürgergemeinschaft Petershausen: Es sei vor allem das schlechte Wetter dieses Sommers gewesen, das zu einer Entspannung der Lage geführt habe, außerdem hätten viele Anwohner resigniert und griffen gar nicht erst zum Telefonhörer, um die Polizei zu informieren. Runde Tische, Nachtwanderer, Gesprächsrunden, das alles habe nichts an der Situation geändert, und die sei geprägt von Lärm, verbotenem Grillen, betrunkenen Erwachsenen, Vandalismus und wahren Urinseen. Er beklagte, dass es zwar alle möglichen Ge- und Verbote gebe, dass aber niemand da sei, der deren Einhaltung durchsetze. So hätten die Anwohner sich gezwungen gesehen, auf eigene Kosten eine Security anzuheuern (zorniges Getuschel auf den Zuhörerbänken: “Das geht alles auf unsere Kosten, das soll die Stadt zahlen.”).

Die Forderungen der Bürgergemeinschaft laufen auf den starken Staat in Form eines ab 21 Uhr ständig anwesenden kommunalen Ordnungsdienstes oder auf einen rechtlich fragwürdigen und vom Gemeinderat mehrheitlich abgelehnten, von der Stadt zu finanzierenden privaten Sicherheitsdienst hinaus. Verstöße jedenfalls müssten sofort mit Bußgeldern oder Platzverboten geahndet werden. Den nächtlichen kommunalen Ordnungsdienst befürwortet die Bürgergemeinschaft nicht erst für 2016, wie das derzeit in Erwägung gezogen wird, sondern sie will schon für 2015 zumindest eine (Zwischen-) Lösung.

Der Präventionsrat soll’s richten

Von Grünen und SPD wurde auf den frisch eingerichteten Präventionsrat verwiesen, in dem Bürgervertreter zusammen mit Studenten, Polizei, Verwaltung und anderen Institutionen nach Lösungsvorschlägen suchen sollen. Andreas Ellegast (CDU) kommentierte das trefflich mit “Wenn Du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis”. Insgesamt stieß die Debatte bei den hörbar erbosten Bürgerinnen und Bürgern im Publikum auf wenig Gegenliebe, denn es gab immer wieder Kommentare wie “Alles nur dummes Geschwätz und kein einziger Vorschlag”. Erst als Matthias Schäfer (JFK) eine massive Erhöhung des Flaschenpfandes forderte, um der Glasscherben Herr zu werden, gab es von den Rängen zustimmendes Geraune, aber man darf wohl bezweifeln, ob ein vom Alkohol inspirierter Mensch des nächtens darauf verzichtet, eine Glasflasche gegen eine Hauswand zu werfen, wenn die Glasflasche 50 Cent statt wie bisher 8 Cent kostet – Generaltugenden wie die Sparsamkeit sind nach Mitternacht nur bei Menschen handlungsleitend, die schon tief und fest schlummern.

Den politisch Schuldigen konnte dank seines Adlerauges Roger Tscheulin (CDU) ausmachen: Die rot-grüne Landesregierung, die die nötigen Gesetze nicht erlasse, um hier mal klare Kante zu zeigen. Tscheulins Äußerung lässt vermuten, dass eine eventuelle CDU-Regierung in Stuttgart die Kavallerie in Marsch setzen wird, um unter den Missetätern gründlich aufzuräumen. Eine etwas weniger martialische Lösung kann sich Ewald Weisschedel (FWK) vorstellen: Er schlug ein begrenztes Glas- sowie ein Alkoholverbot ab 23 Uhr vor.

Die Stadt zeigt sich machtlos

Oberbürgermeister Uli Burchardt beraubte die Anwohner schließlich aller Hoffnungen. Er sagte, die Verwaltung habe keine Mittel, die Nachtruhe durchzusetzen, und er selbst glaube auch nicht an die Wirkung von Präventionsmaßnahmen. Er sieht nur einen Weg, nämlich den Ministerpräsidenten am Ende doch noch umzustimmen, entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Nach seinem Eindruck habe Winfried Kretschmann – anders als seine Partei – durchaus Verständnis für das Anliegen vieler Städte, und vielleicht höhle steter Tropfen ja doch noch den Stein.

Am Ende also bleibt alles erstmal beim Alten im Kampf zwischen den Interessen der bessergestellten Anwohner und denen einer (gelegentlich ziemlich alkoholisierten) Öffentlichkeit, die sich ihren Platz an der nächtlichen Sonne so bald nicht nehmen lassen wird. Aber vielleicht liegt der Weg zu einer Lösung ja auch ganz woanders? Ein Stadtrat jedenfalls erinnerte an alte Zeiten: “Als wir noch jung waren, gab’s solche Probleme gar nicht erst, denn da konnte man noch überall an den See!”

O. Pugliese

Umstrittenes Jubiläum: Jetzt auch noch ein Konstanzer Konzilspreis

Konzilspreis - Siegertrophäe

Wir hätten da einen Vorschlag für die Siegertrophäe…

Mit dem „Konstanzer Konzilspreis. Preis für Europäische Begegnungen und Dialog“ will Konstanz auf lange Sicht unter die international beachteten Preisverleiher aufsteigen und seinen Namen alle zwei Jahre wieder in alle Welt tragen. Aber nicht allen Volksvertreterinnen und -vertretern im Konstanzer Gemeinderat schien dieses Vorhaben schlüssig.

Ein bisschen Größenwahn wabert gelegentlich durch den Konstanzer Gemeinderat, insbesondere, wenn es um die weltgeschichtliche Bedeutung des Konzils geht („wichtigstes Ereignis des Mittelalters“). Ein wenig davon war auch bei der Debatte über den Konzilspreis zu spüren. Oberbürgermeister Uli Burchardt ist die Angelegenheit sichtlich ein Herzensanliegen, für ihn knüpft der Preis an die Bedeutung der Stadt für das Konzil an, das die Spaltung des Abendlandes beendete und für ihn „das wichtigste Ereignis in Baden-Württemberg seit 2000 Jahren“ ist. Der Preis soll von einem Kuratorium aus 40 Mitgliedern vergeben werden, Preisträger oder Preisträgerin soll ein berühmter Pate an die Seite gestellt werden, der auch die Laudatio hält.

Eine Preisverleihung als Marketingidee?

Ziel der Preisverleihung sind Eigenlob und Stadtmarketing: „Der Preis hält die Erinnerung an das Konstanzer Konzil über 2018 hinaus lebendig und führt die europäische Schwerpunktsetzung des Jubiläums fort. So wie das Konziljubiläum der Stadt Konstanz der Vielfalt der historischen Themen gerecht werden möchte, so will auch der Konzilspreis nicht nur einem Teilaspekt des Konzilsgeschehens verpflichtet sein. Indem er positive ebenso wie negative Momente des historischen Ereignisses aufgreift, vertritt er glaubwürdig sein eigenes Programm, nämlich solche Initiativen zu fördern, die der europäischen Idee als Begegnung und Austausch unterschiedlicher Kulturen, Perspektiven und Meinungen dienen.“ Der Preis soll mit 10.000 € dotiert werden und an Personen, Institutionen oder Initiativen verliehen werden, „die sich in besonderer Weise für ein Europa der Begegnung einsetzen, in besonderer Weise den interkulturellen Austausch in Europa fördern und einen substantiellen Beitrag zur Diskussion der Zukunftsfragen von Europa leisten. Im Fokus stehen vornehmlich Leistungen aus den Bereichen zivilgesellschaftliches Engagement, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Politik und Wirtschaft.“ Auch vor offener Geschichtsklitterung schrecken die Väter und Mütter des Preises nicht zurück: „Das Konstanzer Konzil war geprägt vom kollektiven Willen zur Diskussion und Einigung über eine Verständigung über Sprach- und Glaubensgrenzen hinweg. Es dient daher als Symbol für die Lösung von Konflikten im Dialog.“ Der Oberbürgermeister will durch die Preisverleihung etwas von den Konzilfeierlichkeiten nachhaltig in die Zukunft hinüberretten und verspricht sich für diesen Preis über die Jahre europäisches Renommee.

Heftige Kritik am Konzilspreis

Diese rührselige Geschichte wollte Holger Reile (LLK) so nicht durchgehen lassen. „Aus Ihrer Vorlage tropft Pathos ohne Ende und auch die historische Einordnung ruft nicht nur bei Fachleuten heftiges Kopfschütteln hervor. Angeblich sei das damalige Konzil geprägt gewesen von – Zitat: „europäischer Gemeinsamkeit“ und man habe damals den „konziliaren Weg des Dialogs und der Begegnung“ beschritten – so der Text der beauftragten Werbeagentur. Mit Verlaub, das ist nichts anderes als eine teilweise Verdrehung der historischen Tatsachen und taugt kaum als Begründung für den Preis, der ja sogar nach internationaler Anerkennung giert. Vorrangig ging es damals um Machterhalt, um Geschäfte und um die Sicherung von Pfründen für einige wenige. Der große Rest, sprich die Normalbevölkerung, hatte nachweislich wenig davon. Und wer es wagte, die Dinge beim Namen zu nennen, landete bekanntlich auf dem Scheiterhaufen. So gesehen ist die angegebene Leitidee, Zitat: „Durch Begegnung und Verständigung Grenzen zu überwinden“ – ein ziemlich durchsichtiger Versuch, sich das Ganze im Nachhinein schönzureden.“

Bisher ist geplant, den Konzilspreis alle zwei Jahre zu vergeben und in den Zwischenjahren eine Auszeichnung, die an Jan Hus erinnert, zu verleihen. Reile schlug vor, den Konzilspreis komplett zu streichen und es bei der Hus-Auszeichnung zu belassen zur „Erinnerung an den Mut eines Einzelnen gegen staatliche und kirchliche Repression“. Anselm Venedey (FWK) liegt Jan Hus ebenfalls am Herzen, er sieht einen Hus-Preis für Gewissensfreiheit als ein deutliches Zeichen der Verständigung auch mit Osteuropa, will aber zusätzlich am Konzilspreis festhalten.

Die Verwaltung hat den Rat übergangen

Gisela Kusche (FGL) erboste mit Recht ein anderer Aspekt des Vorgehens der Verwaltung: Ruth Bader, die Geschäftsführerin des städtischen Eigenbetriebes Konzilstadt Konstanz, hat bereits Einladungen für die Präsentation des Preises und die erste Kuratoriumssitzung am 5. November verschickt (zu der angeblich auch der Bundespräsident erwartet wird), und dies, bevor der Gemeinderat überhaupt die Einrichtung des Preises beschlossen hat. Das ist in der Tat eine ausgemachte Dreistigkeit in einer Demokratie, in der bekanntlich das gewählte Stadtparlament und nicht die Verwaltung das Sagen hat.

Jürgen Ruff formulierte die Bedenken der SPD, der Preis werde ganz einfach angesichts der Vielzahl an Preisverleihungen untergehen. Er forderte, den Preis durch das Einwerben von Drittmitteln kostenneutral zu gestalten und kein städtisches Geld dafür auszugeben. Geplant ist, im Jahre 2018 eine Stiftung zu gründen, in die dann eine Million Euro fließen sollen, woher diese Summe erwartet wird, wurde allerdings nicht ganz klar, offenkundig hofft man auf großzügige Geber, wie sie eigentlich immer ausbleiben, wenn man sie braucht. Hanna Binder (SPD) kritisierte, dass man sich über Inhalte des Preises bisher zu wenig Gedanken gemacht habe, und forderte, man müsse einen wirklich bekannten ersten Preisträger gewinnen. Am Ende stimmte die SPD in einer ihrer typischen Kippvolten, nachdem sie den Preis zuerst ausführlich kritisiert hatte, ihm dann aber doch zu. Es gab insgesamt 8 Gegenstimmen – von der Linken Liste, dem JFK und einigen Versprengten. Eine Mehrheit von 21 Stimmen beschloss allerdings, dass für die Preisverleihung keine städtischen Mittel ausgegeben werden dürfen, und immerhin rechnet man mit jährlichen Kosten zwischen 12.000 und 58.000 Euro.

Damit ist die Welt um einen Preis reicher, den nun wirklich niemand braucht.

O. Pugliese

WORTLAUT: Holger Reile zum Konzilspreis

Liebe Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
wer Ihren salbungsvollen Worten lauscht, muss den Eindruck gewinnen, dass die Welt seit rund 600 Jahren auf diesen Preis wartet. Wir werden nicht zustimmen und zwar aus folgenden Gründen:

Aus Ihrer Vorlage tropft Pathos ohne Ende und auch die historische Einordnung ruft nicht nur bei Fachleuten heftiges Kopfschütteln hervor. Angeblich sei das damalige Konzil geprägt gewesen von – Zitat: „europäischer Gemeinsamkeit“ und man habe damals den „konziliaren Weg des Dialogs und der Begegnung“ beschritten – so der Text der beauftragten Werbeagentur. Mit Verlaub, das ist nichts anderes als eine teilweise Verdrehung der historischen Tatsachen und taugt kaum als Begründung für den Preis, der ja sogar nach internationaler Anerkennung giert. Vorrangig ging es damals um Machterhalt, um Geschäfte und um die Sicherung von Pfründen für einige wenige. Der große Rest, sprich die Normalbevölkerung, hatte nachweislich wenig davon. Und wer es wagte, die Dinge beim Namen zu nennen, landete bekanntlich auf dem Scheiterhaufen. So gesehen ist die angegebene Leitidee, Zitat: „Durch Begegnung und Verständigung Grenzen zu überwinden“ – ein ziemlich durchsichtiger Versuch, sich das Ganze im Nachhinein schön zu reden.

Dann der Namensvorschlag: „Europäischer Konzilspreis der Stadt Konstanz“ – noch langweiliger und dröger geht es wohl kaum und versprüht bestenfalls den Charme einer ausgebeinten Telefonzelle, deren Strahlkraft voraussichtlich am Ortsende von Stockach ihr Ende findet. Preise in dieser B- oder C-Kategorie gibt es haufenweise und sich da einzureihen, halten wir nicht für sinnvoll, vor allem, wenn man den Aufwand sieht, der mit dem Preis verbunden ist.

Bleiben wir beim Thema Aufwand: Ein Kuratorium, bestehend aus 40 Personen, soll gegründet werden, natürlich prominent besetzt und ein ebenso prominenter Pate wird gesucht.Wäre Marlon Brando noch am Leben – ich könnte mir keinen besseren vorstellen. Eine Stiftungsgründung ist im Gespräch und man möchte dafür bis zu eine Million Euro einwerben. Dass die Stadt Konstanz dann sicher auch zur Kasse gebeten wird, ist zu befürchten. Glauben Sie wirklich, dass sich dieser immense Aufwand lohnt?

Ein Letztes noch: Alternierend zum Konzilspreis – der alle zwei Jahre vergeben werden soll – möchte man in ungeraden Jahren eine Auszeichnung verleihen, die an Jan Hus erinnert. Der Mann, mit dem die meisten das Konstanzer Konzil verbinden, soll also sozusagen als Lückenbüßer den übergeordneten Konzilspreis veredeln. Ich würde Ihnen vorschlagen, kleinere Brötchen zu backen: Streichen Sie den Konzilspreis und das dazugehörige Brimborium und belassen Sie es bei einer Verleihung einer Hus-Medaille in Erinnerung an den Mut eines Einzelnen gegen staatliche und kirchliche Repression. Auch wenn das zum Teil krude Weltbild des Jan Hus nicht in unsere Zeit passt – darüber könnte man reden. Aber Ihnen steht offensichtlich der Sinn nach vermeintlich Größerem und dafür erhalten Sie zumindest von uns keine Zustimmung.

Habemus puteum – wir haben einen Brunnen!

Münsterplatz in Konstanz

Salomonische Lösung: der umstrittene Brunnen kommt auf den Münsterplatz (Bild: Rizzo, eigenes Werk [GFDL oder CC-BY-3.0], via Wikimedia Commons)

Eigentlich war im Gemeinderat ja angesichts der avisierten Kostensteigerungen mit einem Hauen und Stechen um die Gestaltung der Hofhalde und die Aufstellung des ehemaligen Münsterbrunnens zu rechnen, der seit Jahren im Lager steht. Doch Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn zog eine verblüffende Lösung aus dem Ärmel, die vom Gemeinderat abgesegnet wurde: Der Brunnen wird wieder vor dem Münster aufgestellt.

Der Tagesordnungspunkt 3.8 der gestrigen Sitzung des Konstanzer Gemeinderates hatte einen unheilvollen Titel: „Hofhalde Projektbeschluss Kostenerhöhung“, denn wenn die Kosten für ein Vorhaben explodieren, ist im Allgemeinen mit erregten Debatten und einem ungemütlichen Nachmittag für die Verantwortlichen in der Verwaltung zu rechnen. Einer der Abstimmungsvorschläge sprach von Mehrkosten in Höhe von 278.000 € für die Aufstellung des Brunnens auf der Hofhalde, während andere Vorschläge für die Hofhalde gleich ganz auf den Brunnen verzichten wollten.

Auch der Künstler stimmt zu

Aber Karl Langensteiner-Schönborn hat sichtlich etwas mehr als nur seine Hausaufgaben gemacht und zog eine überraschende Lösung aus dem Ärmel, die er unter anderen auch schon mit der Feuerwehr, dem Kunstverein und dem Künstler selbst abgestimmt hat. Der Künstler Franz Gutmann hat nämlich bei der Aufstellung des Brunnens ein erhebliches Wort mitzureden und wollte den Brunnen im Bereich des Münsters belassen, und diesen Gefallen wird ihm die Stadt jetzt tun. Dazu geschieht gleich noch ein weiteres Wunder: Das alles soll deutlich weniger kosten als bisher angenommen, es stehen jetzt 130.000 € im Raum.

Der Plan klingt so einfach, als hätte man eigentlich schon längst drauf kommen müssen. Im Kellerraum unter der Pyramide vor dem Münster ist genug Platz, auch noch die Technik des Brunnens kostengünstig einzubauen, so dass man nur noch 12 Meter lange Leitungen an den künftigen Standort schräg links vor dem Münster legen muss. Langensteiner-Schönborn war sichtlich erleichtert über diese Lösung, denn er gab zu, dass die Hofhalde nur eine Notlösung gewesen sei, um den Brunnen nicht endgültig abzuschreiben. Außerdem wies er darauf hin, dass vor dem Konstanzer Münster seit Jahrhunderten Brunnen geplätschert hätten, so dass dies ohnehin der natürliche Standort des Brunnens sei.

FGL kritisch

Dieser Vorschlag, mit einigen Bildern illustriert, erzeugte teils Verblüffung, teils Euphorie. Bei Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) überwog erst einmal die Verblüffung, und sie hatte die Zeichen der Zeit offenkundig nicht erkannt, als sie in ihrem Redebeitrag darauf abhob, dass man doch schon 2007 beschlossen habe, den Brunnen nicht wieder auf dem Münsterplatz aufzustellen. Sie rief dem Bürgermeister zu, von der FGL werde er keinen Freifahrtschein für seine Brunnenpläne erhalten. Auch der Grüne Peter Müller-Neff sprach sich deutlich gegen den Brunnenstandort vor dem Münster aus, weil er findet, der Münsterplatz wirke dadurch überladen. Gisela Kusche (FGL) hingegen erklärte, „so kann man mit uns nicht umspringen“, sie fühlte sich von der Verwaltung überfahren und wollte die Abstimmung verschieben, und in der Tat hatten die Rätinnen und Räte keine Unterlagen zu diesem neuen Vorhaben erhalten, das sich nach angaben des Bürgermeisters erst an diesem Tage herauskristallisiert hatte.

Ansonsten waren die Gemeinderätinnen und –räte aber mehrheitlich anderer Meinung als die Grünen: Anselm Venedey (FWK) bedankte sich ausdrücklich bei Karl Langensteiner-Schönborn, Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) witterte wieder einmal eine „große Chance“ für Konstanz („Jahrhundertchance“ ist bekanntlich für das Kongress- und Konzerthaus reserviert), und auch Michael Fendrich (FDP) findet, dass der Brunnen einfach vors Münster gehört – er schlug auch vor, die Stadt solle zur Finanzierung des Brunnens eine Spendenaktion starten, die sicher einiges einbringen werde. Außerdem wurden Stimmen wie die von Johannes Kumm (SPD) laut, die forderten, den Brunnen mit Frischwasser zu betreiben, aber es lässt sich unschwer absehen, dass das die Betriebskosten wohl in ungeahnte Höhen katapultieren dürfte (es war wahrscheinlich von jährlich 200.000 € für einen Frischwasserbetrieb die Rede, aber die Zahl war schwer zu verstehen).

Am Ende wurde der neue Standort vor dem Münster von einer Mehrheit und auch mit den Stimmen der Linken Liste beschlossen. Die Hofhalde muss jetzt also auch nach der Sanierung ohne einen Brunnen auskommen, und die Konstanzer erhalten ihr altes Münsterensemble zurück.

O. Pugliese

Krieg, Terror und Vertreibung in Syrien und im Irak: Was können wir tun?

Kobane_Demo_250x149Die dramatische Entwicklung der Auseinandersetzungen in Syrien und dem Irak treibt inzwischen (nicht nur) viele Linke um, die sich dem Grundsatz verpflichtet fühlen, Krieg und militärische Gewalt als Mittel der Politik zu bekämpfen. Was sind die richtigen Antworten der internationalen Gemeinschaft auf die brutalen Gewalttaten der Terrororganisation “Islamischer Staat”, wie kann der Widerstand vor allem der KurdInnen in der Region am besten unterstützt werden? Welche Rolle spielen die USA und die EU-Staaten in dem Konflikt, welche Interessen verfolgen die Türkei und die arabischen Regionalmächte? Eine Diskussion solcher Fragen ist nötig, nicht nur wegen des millionenfachen Leids, das dieser jüngste Krieg über die Menschen in der Region gebracht hat. Denn vieles spricht dafür, das dieser Konflikt hierzulande genutzt werden soll, um die Weichen in der Außenpolitik endgültig neu zu stellen und alle bisher noch vorhandene Zurückhaltung in Sachen Kriegseinsätze fallen zu lassen. Grund genug, über den regionalen Rand hinauszublicken und eine Diskussion zu eröffnen. Den Anfang machen wir mit einer Erklärung der beiden Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Katja Kipping und Bernd Riexinger, angesichts der Zuspitzung des militärischen Konflikts um die kurdische Stadt Kobane.

Die Vereinten Nationen müssen das Heft des Handelns in die Hand nehmen
Die Lage im Norden Syriens und des Iraks ist dramatisch und spitzt sich täglich weiter zu. Unter dem Eindruck des Vormarschs der unter dem Namen „Islamischer Staat“ firmierenden Terrorban­den, angesichts schockierender Gewalttaten und einer Flüchtlings­welle, die droht, zu einer humanitären Katastrophe zu werden, und nicht zuletzt wegen der Unfähigkeit zweier gescheiterter Staaten, die brutalen Exzesse auf ihrem Staatsgebiet einzudämmen, fragen sich viele Menschen zu Recht, welche Mittel die internationale Gemeinschaft in der Hand hat, um der Gewalt ein Ende zu setzen.

Immer neue Militäreinsätze werden nicht helfen
Wir warnen vor der Vorstellung, dass es eine schnelle militärische Lösung dieses Konflikts gibt. Die mit den militärischen und oft genug völkerrechtswidrigen Interventionen des Westens verbunde­nen Allmachtsfantasien haben wesentlich dazu beigetragen, dass die arabische Welt heute von Krieg und Gewalt überzogen ist. Die militärische Interventionspolitik der Nato in Verbindung mit der gezielten und von geopolitischen Interessen geleiteten Destabili­sierung und Atomisierung von immer mehr Staaten ist im Irak und in Syrien spektakulär gescheitert. Ein dritter Irakkrieg ist ebenso wenig eine Lösung, wie eine neue kriegerische Intervention des Westens in Syrien.

Terrornetzwerke austrocken, Flüchtlingen helfen
Die Politik des Westens ist angesichts der Katastrophe in alten Mustern gefangen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Türkei den Nato-Bündnisfall herbeiführen will, um die Nato als Bündnispartner für einen Krieg gegen Syrien zu gewinnen. Die türkische Regierung bekämpft lieber die Kurden im eigenen Land und im Norden Sy­riens, als die Grenzen für die IS-Terroristen zu schließen. Für den bekennenden Islamisten Erdogan ist der IS kein Feind, solange er nur die Kurdinnen und Kurden massakriert und das syrische Assad-Regime bekämpft. Es ist ebenso offensichtlich, dass die USA kein strategisches Interesse daran haben, den Kurdinnen und Kurden im Norden Syriens zu helfen, weil ihre primären Interesse nach wie vor der Sturz des Assad-Regimes und die politische Kontrolle über den Irak sind. Die maßgeblichen Nato-Akteure in der Region haben kein Friedensinteresse, sondern verfolgen einmal mehr eigene geopolitische Interessen auf dem Rücken von hunderttausenden Menschen. Der auch in Deutschland immer lauter werdende Ruf nach einer kriegerischen Einmischung des Westens führt in die Irre, weil er beständig die verheerenden Folgen der vergangenen Interventionen ignoriert. Die Aufgabe der LINKEN ist es nicht, in den Chor der Befürworter eines neuen militärischen Abenteuers einzustimmen. Mit der Mehrheit der Bevölkerung plädieren wir für einen Kurs der zivilen Intervention. Für DIE LINKE steht es außer Frage, dass die Region weder neue Waffen noch neue Soldaten braucht, sondern eine abgestimmte Politik der internationalen Gemeinschaft, die auf den Säulen Flüchtlingsschutz, humanitäre Hilfe und Austrocknung des Terrors aufbaut.

Wir schlagen ein Paket nichtmilitärischer Maßnahmen vor, für deren Planung und Umsetzung den Vereinten Nationen eine be­sondere Verantwortung zukommt:

Kipping_RiexingerFlüchtlingschutz in den Mittelpunkt
Der Schutz der Flüchtlinge und der Zivilbevölkerung muss oberste Priorität haben. Alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Selbstver­teidigungskräfte der gegen IS kämpfenden Kurdinnen und Kurden zu schwächen, sind insbesondere von der Türkei zu unterlassen. Die Türkei muss endlich die Grenzen zu den kurdischen Gebieten in Nordsyrien öffnen und die Grenze zu den IS-Gebieten schließen. Das würde den Menschen in Kobane am wirksamsten helfen, auch bei ihren Verteidigungsbemühungen. Für die Aufnahme und den Schutz der Flüchtlinge in der Grenzregion muss die internationale Gemeinschaft unter Führung der UN eine gemeinsame Kraftan­strengung unternehmen. Die betroffenen Anrainerstaaten dürfen nicht länger allein gelassen werden.

PKK-Verbot aufheben -Kurdische Selbstverwaltung anerkennen
Die kurdische Selbstverwaltung im Norden Syriens muss endlich als legitimer demokratischer Entwicklungspfad für die dort leben­den Menschen anerkannt werden. Wir wollen eine Aufhebung des PKK-Verbots.

Humanitär helfen, vor Ort und hier
Die humanitäre Hilfe für die aus Syrien und dem Irak geflüchteten Menschen muss massiv verstärkt werden. Die Vereinten Nationen sollten zu diesem Zweck die Überwachung des Grenzgebiets zu Irak und Syrien übernehmen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk muss direkten Zugang zum Grenzgebiet haben. Die westlichen Staaten müssen ein Vielfaches der derzeit zugesagten Zahl von Flüchtlin­gen aufnehmen, um die direkten Anrainerstaaten zu entlasten. Dazu müssen auch in Deutschland die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Kommunen brauchen entsprechende finanzielle Unterstützung.

Unterstützungsnetzwerke des IS kappen
Der IS muss von seinen Finanziers in der arabischen Welt und vom Handel mit Rohstoffen und Waffen effektiv abgeschnitten werden. Banken, die direkt oder indirekt an der Abwicklung des Zahlungs­verkehrs des IS beteiligt sind, muss mindestens die Banklizenz für die gesamte EU entzogen werden. Länder, aus denen der IS direkt oder indirekt unterstützt wird, müssen mit Sanktionen belegt werden. Das Nato-Land Türkei muss dazu gezwungen werden, die Grenzen für die IS-Terroristen vollständig zu schließen und die Unterstützernetzwerke im Land zu beseitigen. Andernfalls gibt es keinerlei Grundlage für einen EU-Beitritt des Landes. Ein Land, das seine Nato-Bündnispflichten im Umgang mit dem IS so eklatant verletzt wie die Türkei, kann auch keinen Anspruch auf Beistand geltend machen. Deshalb sind die in der Region stationierten Patriot-Raketen der Bundeswehr abzuziehen, um den Druck auf Erdogan zu erhöhen.

Friedensplan der Vereinten Nationen
Die internationale Gemeinschaft muss zu einem gemeinsamen Handeln finden. Dazu ist es notwendig, dass sich die beiden globalen Supermächte USA und Russland dazu bereit finden, ihre Konflikte beizulegen und über die Ausläufer des Kalten Krieges hinaus zu wachsen. Es gibt keine sinnvolle Alternative zu einem von den Vereinten Nationen getragenen Friedensplan.

Katja Kipping, Bernd Riexinger

Südbahn und Bodenseegürtelbahn: CDU/CSU/SPD im Ausschuss gegen Ausbau, Grüne enthalten sich

Triebzug am Bahnhof Bodman-Ludwigshafen

Triebzug am Bahnhof Bodman-Ludwigshafen. Regierung und Grüne verhindern erneut Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn (Bild: Frank Vincentz, eigenes Werk [GFDL oder CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons)

Die Fraktion der Partei DIE LINKE hat am 8. Oktober dem Verkehrsausschuß des Bundestags einen Entschließungsantrag vorgelegt, mit dem dringend erforderliche Maßnahmen zum Ausbau des Bahnnetzes auf den Weg gebracht werden sollen. Zu den sieben Projekten des Antrags gehört auch die seit Jahren überfällige, von der Bahn immer wieder verschleppte Elektrifizierung der sogenannten Südbahn zwischen Ulm und Friedrichshafen sowie der Bodenseegürtelbahn auf der Strecke Radolfzell–Friedrichshafen–Lindau. Dass die Ausschuß-VertreterInnen von CDU und SPD geschlossen gegen den Antrag votierten, mag nicht verwundern, dass sich die Abgeordneten der Grünen aber enthielten, ist völlig unverständlich, widerspricht dieses Abstimmungsverhalten doch diametral den Aussagen von Grünen-PolitkerInnen in der Region zur Bahnentwicklung.

In der Begründung für die geforderte Elektrifizierung von Südbahn und Bodenseegürtelbahn heißt es im Entschließungsantrag unter anderem: “Diese wichtige Verbindung wird bis heute rein mit umweltschädlichem Dieselantrieb befahren. Durch die Elektrifizierung entlang des Bodensees könnte außerdem eine rein elektrische Bodensee-S-Bahn alle Städte entlang des Bodensees verbinden und die Situation des ÖPNV dort erheblich verbessern.” Annette Groth, Linke-Abgeordnete aus dem Bodenseekreis, Mitglied im Verkehrsausschuss und Mitinitiatorin des Entschließungsantrags, verweist denn auch auf die Dringlichkeit und Bedeutung für die regionale und überregionale Verkehrsanschließung in der Bodenseeregion. Die Ablehnung des Vorhabens sei auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil “hier mit einem vertretbarem Aufwand ein hoher Nutzen erzielt werden kann”. Der Bund verfolge derzeit eine völlig falsche Investitionsstrategie für das Schienennetz der Eisenbahnen. “Bundesmittel fließen überwiegend in extrem teure Großprojekte, während für Nebenstrecken keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen.”

Groth kritisierte in diesem Zusammenhang auch, dass im Haushaltsentwurf von Finanzminister Schäuble für 2015 keine zusätzlichen Mittel für Maßnahmen des Bedarfsplans Schiene vorgesehen sind, sondern lediglich 300 Millionen Euro für die sogenannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) vorgesehen sind, mit der lediglich der aktuelle Bestand des Schienennetzes gesichert werden soll.

Für die Linke-Abgeordnete ist es unverständlich, “dass der Vorrang des Erhalts vor dem Neubau sich ausschließlich auf Schienenstrecken bezieht, während gleichzeitig bei Straßenprojekten sogar abseits der Haushaltsberatungen unterjährig 27 Projekte eine Baubewilligung erhalten.” Notwendig sei ein Aufbruch bei der Schiene und nicht im Straßenbau.

Redaktion