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Immobilien-Lobby ganz entspannt: “Unsere Mieter sind unser Eigenkapital…”

Worte können manchmal wirklich verräterisch sein. Ein aktuelles Beispiel dafür liefert ein Bericht im “Südkurier” über die alljährliche Hauptversammlung von “Haus und Grund”, des örtlichen Lobbyverbands der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. Die laut Heimatblatt genau 62 (offenbar abgezählten) Mitglieder machten sich dort so ihre Gedanken über drohende “Regulierungen des Wohnungsmarkts” durch den Bund (gemeint ist die “Mietpreisbremse” der GroKo) und der Stadt (das “Handlungsprogramm Wohnen”, das der Konstanzer Gemeinderat im Frühjahr beschlossen hat). Doch ihr Verwaltungsratsvorsitzender Dieter Pilz gab Entwarnung und riet den Immobilienbesitzern – wenn ihn denn die Lokalzeitung richtig zitiert hat – mit folgendem bemerkenswerten Satz, gelassen zu bleiben: “Unsere Mieter sind unser Eigenkapital und das langfristige Vertrauensverhältnis, das wir pflegen, wird die Neuregelungen unbeschadet überstehen”. Was der Grundeigentümer-Funktionär seiner Klientel damit sagen will: Solange die Leute händeringend nach einem Dach über dem Kopf suchen, besteht keine Gefahr für unsere Geschäftemacherei. Ohne kommt man bekanntlich nicht aus, und deshalb gehört diese fleischgewordene Kapitalart mit Haut und Haaren uns. Denen wird auch langfristig gar nichts anderes übrig bleiben, als unsere überhöhten Mieten zu schlucken. Fürwahr, ein schönes Zwangs-, Pardon, Vertrauensverhältnis, das die Immobilienbesitzer hier pflegen können.

Zumindest was die anstehenden Neuregelungen auf Bundesebene betrifft, kann man Pilz nur Recht geben. Denn die sogenannte Mietpreisbremse ist aus mehreren Gründen ein Etikettenschwindel, der zukünftige Mieterhöhungen keinesfalls verhindern wird. So kann der Vermieter laut Gesetzentwurf der Bundesregierung beispielsweise bei Vermietung von neu geschaffenem Wohnraum oder umfassend sanierten Wohnungen weiterhin ungebremst verlangen, was der Markt hergibt, und das grenzt in Ballungsgebieten, zu denen auch Konstanz zählt, mittlerweile an Wucher. Damit aber werden die örtlichen Vergleichsmieten und damit der Mietspiegel weiter in die Höhe getrieben, mit fatalen Folgen für den Spielraum bei schon bestehenden Mietverträgen. Doch selbst im besten Fall bieten sich den Vermietern auch bei schon abgeschlossenen Verträgen erhebliche Möglichkeiten. Erhöhungen um bis zu 15 Prozent in vier Jahren sollen erlaubt sein, auch ohne dass der Wohnungswert verbessert wird. Saniert der Vermieter die Wohnung energetisch, kann er darüber hinaus elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umlegen, jährlich und zeitlich unbegrenzt. Wo also bei der Bundesregierung Mietpreisbremse draufsteht, ist nichts weiter drin als gesetzlich regulierter Mietwucher. Kein Grund für Immobilieneigentümer, sich graue Haare wachsen zu lassen. Ihre Kapitalquellen werden auch künftig nahezu unbegrenzt sprudeln.

Was beim Handlungsprogramm Wohnen der Stadt Konstanz rauskommt, muss dagegen erst noch abgewartet werden. Immerhin sieht es, wenn auch auf zu niedrigem Niveau, nach Jahren der Untätigkeit den Neubau von Sozialwohnungen vor. Ein Schritt in die richtige Richtung, zweifellos. Dass der bei der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer-Lobby aber noch keine Nervosität auslöst, zeigt, dass weitere, entschiedenere folgen müssen.

Jürgen Geiger

Eklat um Gregor Gysi im Bundestag: LINKE-Kreisvorstand nimmt Stellung

Die Linke lerntDer Vorstand des Kreisverbands Konstanz der LINKEN hat auf seiner Sitzung am Mittwoch auch über den von den Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger und Heike Hänsel verursachten Eklat im Bundestag gesprochen, bei dem der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi von zwei Journalisten bedrängt und bedroht worden ist. Die genannten Abgeordneten haben reichlich Erfahrung im politischen Geschäft und hätten wissen müssen, dass eine solche Eskalation angesichts des politischen Hintergrunds der beiden Journalisten vorgezeichnet war. Die anwesenden Mitglieder des Kreisvorstands waren sich darin einig, dass das Vorgehen von Groth, Höger und Hänsel völlig inakzeptabel war und kritisieren es scharf.

Wir halten es aber für wenig hilfreich, dass Marco Radojevic, Mitglied im Kreisvorstand und Abgeordneter für die LINKE im Kreistag, in seiner Eigenschaft als Landessprecher des Forums demokratischer Sozialismus Baden-Württemberg den Ausschluß von Groth und Höger aus der Bundestagsfraktion fordert. Das entspricht nicht unserem Verständnis des Umgangs mit innerparteilichen Widersprüchen. DIE LINKE versteht sich als offene, plurale Partei des demokratischen Sozialismus, in der unterschiedliche Strömungen Platz haben und Widersprüche zwischen ihren Mitgliedern solidarisch ausgetragen werden.

Dass es in unserer Partei unterschiedliche Auffassungen zur Bewertung der Politik des Staates Israel gibt, ist bekannt. Die Auseinandersetzung darum kann und muss geführt werden, gerade wegen der furchtbaren deutschen Verbrechen an Menschen jüdischer Herkunft. Dass die Diskussion um solch ein Thema in der Sache hart geführt wird, ist deshalb nicht verwunderlich und vermutlich unvermeidlich. Wir lehnen es aber ab, die vorhandenen Widersprüche mit Rück- oder Ausschlussforderungen auszutragen.

Annette Groth, Inge Höger und Heike Hänsel haben sich für ihr Verhalten schriftlich bei Gregor Gysi und der Bundesfraktion entschuldigt. Gregor Gysi und die Fraktion haben diese Entschuldigung akzeptiert. Das Verhalten der drei Bundestagsabgeordneten war ein großer Fehler. Ebenso falsch ist aber die Annahme, unterschiedliche Meinungen könnten mit der Entfernung von Personen beseitigt werden, die sie vertreten. Wohin das führt, hat die Linke in der Vergangenheit leidvoll erfahren müssen. Unserer Überzeugung nach ist es höchste Zeit, dass in der Partei ein solidarischer inhaltlicher Diskurs über die strittigen Fragen organisiert wird.

Angelika Böhl, Ryk Fechner, Stefan Frommherz, Jürgen Geiger, Sibylle Roeth, Anke Schwede

“Globalisierung regulieren oder entfesseln?” Handelsabkommen TTIP im SPD-Crashtest

SPD-Veranstaltung zu TTIP

Diskutierten kontrovers über TTIP & Co: Simon Pschorr vom Regionalen Bündnis gegen TTIP und der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Friedrich (Fotos: Nicolas Kienzler).

Pessimismus sieht anders aus: Dem Minister für Bundesrat, Europa und Internationale Angelegenheiten in Baden-Württemberg, Peter Friedrich (SPD), scheint viel daran gelegen, das Freihandelsabkommen TTIP auf eine „solide“ Basis zu stellen. In der Diskussionsveranstaltung „TTIP: Globalisierung regulieren oder entfesseln?“, die am Dienstag stattfand, warb Friedrich für die Chancen, die das Abkommen beinhalte. Der Eindruck, dass damit alles besser würde, konnte entstehen.

Vor rund 50 Gästen setzte Friedrich vor allem Hoffnungen in den Umstand, dass das Verhandlungsmandat zu TTIP darauf fuße, dass dann in den USA die Normen der internationalen Gewerkschaftsorganisation ILO durchgesetzt würden. Auch für Unternehmen mit kleinen Rechtsabteilungen könnten sich neue Absatzmärkte auftun, schließlich würden Produkte heutzutage viele unterschiedliche US- sowie EU-Tests durchlaufen, die gleichwertig seien. Nach Vorstellungen Friedrichs könnten entsprechende Produktzertifikate dann einfach für Europa vergeben werden, sollte der gleichwertige amerikanische Test bestanden sein. Umgekehrt sei das dann auch für europäische Produkte auf dem amerikanischen Markt möglich.

Von Gleichem und Gleichwertigem

Als Vertreter für das Konstanzer Bündnis gegen TTIP saß Simon Pschorr von der Partei DIE LINKE auf dem Podium. Der Jurastudent hatte trotz gewandten Auftritts so seine liebe Not, dem SPD-Publikumsteil den Unterschied zwischen gleichartigen und gleichen Verfahren begreiflich zu machen. Auch das Beispiel des gleichwertigen Abiturs aus Bayern oder Hessen, bei welchen man zwar die selben Noten erreichen könne, die aber unter anderen Bedingungen zustande gekommen seien, half wenig, um diesen semantischen Unterschied deutlich zu machen. Dass damit in Sicherheitsstandardtests völlig verschiedene Dinge mit demselben Gütesiegel ausgezeichnet werden und dies für eine von beiden Seiten damit einen Wettbewerbsvorteil bedeuten könne, kam bei Peter Friedrich kaum an. Immer wieder wurde er aus dem Publikum und auch von Simon Pschorr darauf hingewiesen, dass in so einem Falle mit zwei verschiedenen Maßen gemessen würde und es sich nicht um Friedrichs „beschworene gemeinsame Regeln“ handle, die mit TTIP einhergingen.

Alles wird super, alles wird wunderbar

Der Abend machte deutlich: Die SPD bereitet ihre Wähler*innenschaft auf Zustimmung zu dem Abkommen vor. Zwar wisse Friedrich, dass das Ergebnis noch nicht feststehe. Gleichzeitig versuchte er allerdings zu suggerieren, dass das Freihandelsabkommen fast ausschließlich dann zustande käme, wenn es soziale und qualitative Verbesserungen für die Menschen mit sich brächte. Ohne dies kein TTIP, so seine Quintessenz.

Eine Einlassung des LINKE-Kreisvorstands Jürgen Geiger aus dem Publikum betraf die Haltung von Bundesinnenminister Sigmar Gabriel, der verlauten ließ, dass es „keine echte Option“ sei, „den Investorenschutz aus (dem kanadisch-europäischen Freihandelsabkommen) CETA komplett herauszunehmen.“ Friedrich, der zuvor immerhin den Investorenschutz in TTIP kritisiert hatte, ließ sich in seiner Haltung nicht beirren. Und sollte doch ein Investorenschutz kommen, setzt er die Hoffnung darauf, dass klagende Konzerne erst den normalen, deutschen Rechtsweg beschreiten, bevor sie eines der internationalen ICSID-Schiedsgerichte anrufen.

Friedrich transportierte viel Wunschdenken an diesem Abend, Bedenken spielte er herunter oder  ignorierte sie. Der Nachfrage, wie denn dann eine Mindestprivatisierungsquote und weitere Einschnitte beim zeitgleich verhandelten Dienstleistungsabkommen TISA zustandekommen konnten, wich Friedrich unter Verweis darauf aus, dass der Begriff „public services“ im Englischen semantisch anders besetzt sei. Mit dieser eindeutigen Haltung dürfte klar sein, dass soziale Einschnitte mit der SPD nicht zu machen sind – bis man in letzter Sekunde doch zustimmt, denn ein kleiner Einschnitt könnte ja bekanntlich noch Schlimmeres verhindern.

Pschorr versucht, auf wichtige Fragen einzugehen

Während der Minister sich am CETA-Anhang für die Angleichung von Technikstandards abarbeitete, versuchte Simon Pschorr, auf soziale Fragen einzugehen. Im Publikum wurde die Frage laut, was TTIP denn für „unsere deutsche Wirtschaft” bringe. Pschorr befand: „TTIP wird zu Schäden in mehreren Volkswirtschaften führen.“ Er mahnte, dass es bei der Frage nach möglichen Gewinnern ohnehin nicht nach dem Motto „lieber wir als andere“ gehen dürfe: „Ich halte diese Sichtweise für ziemlich unethisch.“ Und selbst wenn das Wirtschaftswachstum käme, so würde sich dies selbst bei den Schätzungen TTIP-freundlicher Institute wie der Bertelsmannstiftung nur zu ernüchternden Ergebnissen führen: „2,5 Prozent in zehn Jahren.“

Bioäpfel zum Abschluss

Am Ende drehte sich dann doch wieder alles um die Normen für Unternehmen; ob der Außenspiegel eines Autos einklappbar (in der EU) oder fest (in den USA) sein müsse. Beide führten letztlich dazu, dass ein sicheres Auto dabei herauskäme, was nach einem Crashtest eben platt ist. So platt wie die Vorstellung, dass mit TTIP alles besser würde. Zum Abschluss gab es für die beiden Podiumsteilnehmer noch je einen Korb Bioäpfel. Ob solche Obstkörbe auch künftig mit qualitativ hochwertigen Bioprodukten gefüllt werden können, sollte die SPD dem Handelsabkommen in Bundestag und Bundesrat zustimmen, blieb nach der Veranstaltung allerdings offen.

Ryk Fechner

 

Kapitalistische Mechanismen im deutschen Hochschulsystem und darüber hinaus

HumankapitalIn den vergangenen beiden Wochen konnten Interessierte im Rahmen des Vortragsprogramms „Armut, Ausgrenzung, Leistungszwang“ des AStA der Uni Konstanz erneut zwei spannende Vorträge erleben, die sich mit zentralen Fragen des gesellschaftlichen Lebens beschäftigten: Sandro Philippi, Vorstandsmitglied im Freien Zusammenschluss von Studierendenschaften (fzs) unterzog am 30. Oktober in seinem Referat „Boutiquen oder Räume für Wissenschaft und Bildung?“ die aktuellen Verhältnisse an Hochschulen einer „praxisorientierten Untersuchung”; in der folgenden Woche ging Lothar Galow-Bergmann, ehemals Personalrat des Klinikum Stuttgart und heute Publizist für Jungleworld, konkret und emafrie.de der Frage nach „Was ist eigentlich Kapitalismus?“ und versuchte zu erläutern „warum die Politik die Krise nicht stoppen kann“. Beide Vorträge zeigten eindrucksvoll auf, wie weit marktwirtschaftliche Verwertungsmechanismen in verschiedenste soziale Zusammenhänge vordringen und den öffentlichen Diskurs immer mehr bestimmen.

Wenn alle im selben Boot sitzen: Die kapitalistische Verwertungslogik

Die Grundlage für diesen Prozess sieht Galow-Bergmann in einer entscheidenden Eigenschaft des marktwirtschaftlichen Systems, die häufig missverstanden werde: Die Tatsache, dass im Grunde jeder Mensch, der in einer modernen Industriegesellschaft lebt, Teil des volkswirtschaftlichen „Humankapitals“ ist und mit seinen vielfältigen Interessen, allen voran seiner Existenzsicherung, auf Gedeih und Verderb in das Gesamtsystem eingebunden ist. Es entsteht eine Verflechtung mit dem allgemeinen Wirtschaftskreislauf, durch die zwangsläufig der im klassischen Antikapitalismus konstatierte Gegensatz von Arbeitern und Kapitalbesitzern abgeschwächt wird.

Zwar leiden heute immer mehr Menschen auch in den westlichen Wohlfahrtsstaaten unter den sozialen Missständen, die ein neuerlich entfesselter Kapitalismus mit sich bringt. So weist die Bundesregierung selbst einen Anstieg des Anteils der BürgerInnen in Deutschland, die an oder unter der offiziellen Armutsgrenze leben müssen, von 12,7% im Jahr 2002 auf rund 15% im Jahr 2013 aus. Mehr als eine Million von Ihnen sind Kinder, hinzu kommt eine wachsende Altersarmut. Nichtsdestotrotz, so Galow-Bergmann, haben diejenigen Arbeitnehmer, welche nicht solchermaßen als monetär „wertlos“ vom Arbeitsmarkt aussortiert wurden, aus Sorge um ihren Lebensstandard ein grundlegendes Interesse am reibungslosen Funktionieren des kapitalistischen Systems. Es können kaum noch klare Feindbilder entwickelt werden, in denen „die da oben“ gegen „wir hier unten“ stehen, weil jeder, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, letzten Endes der Logik des abstrakten Verwertungsprinzips unterworfen ist. Dieses Prinzip herrscht weltweit, und seine praktische alltägliche Erscheinungsform ist das Geld.

Dessen Vermehrung, die Profitmaximierung in der wirtschaftlichen Tätigkeit, kann nur gelingen, wenn immer mehr Waren produziert und verkauft werden, während die Rationalisierung immer schneller voranschreitet. Die Notwendigkeit immer währenden Wachstums ist dieser Systemlogik immanent, mit all seinen negativen Folgen: Während einerseits immer mehr Menschen unter psychischen und körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz klagen und am liebsten so früh wie möglich „raus aus dem Hamsterrad“ wollen, herrscht andererseits millionenfache Arbeitslosigkeit. Während einerseits vollmundige Versprechen von einem neuen „grünen Wachstum“ gemacht werden, gilt dennoch weiterhin, was ein BMW-Vorstand schon Anfang der 80er Jahre gesagt hat: “Es mag auf der Welt zu viele Autos geben, so gibt es dennoch zu wenig BMW!” Seine Beschäftigten würden ihm sicher auch heute noch zustimmen, eingedenk der Tatsache, dass ein Ende gerade dieses Wachstums ihre Arbeitsplätze in Gefahr bringen würde.

Allerdings steht dieses System laut Galow-Bergmann seit den 70er Jahren einer besonderen Herausforderung gegenüber: Mit einer explosionsartigen Steigerung der Produktivität durch die Entwicklung der Mikroelektronik fällt es dem Kapital weltweit immer schwerer, noch neue Wachstumspotentiale zu entwickeln. Zwar bot sich den nach Investitionsmöglichkeiten suchenden Vermögen in Gestalt der ebenfalls rasant wachsenden Finanzmärkte eine zeitweilig lukrative Anlagemöglichkeit. Diese brachte aber schon bald neue katastrophale Folgewirkungen für die Gesellschaften hervor, wie die in den 80er Jahren einsetzende Privatisierungswelle und der Weltfinanzkrise, die seit dem Jahr 2008 anhält. Inwiefern es gelingen kann, das weltwirtschaftliche System nach diesem Absturz wieder dauerhaft zu stabilisieren, bleibt noch abzuwarten; dass allerdings die selbstzerstörerische Tendenz des Kapitalismus ohne einen grundlegenden Wandel der Wirtschaftsweise selbst überwunden werden kann, steht nicht zu hoffen.

Emanzipationsanspruch ade: Der Wettbewerbsdruck in Bildung und Forschung

Mit diesem Wissensfundus im Hintergrund wird verständlich, dass das moderne Wissenschafts- und Hochschulwesen, über das Sandro Philippi referierte, nur ein Schauplatz der fortschreitenden Kommerzialisierung darstellt, der nichtsdestotrotz eine besondere Aufmerksamkeit verdient. „In der allgemeinen Wirtschaftskrise erscheint die Wissenschaft als eines der zahlreichen Elemente des gesellschaftlichen Reichtums, das seine Bestimmung nicht erfüllt. […] In dem Maß, als an die Stelle des Interesses für eine bessere Gesellschaft… das Bestreben trat, die Ewigkeit der gegenwärtigen zu begründen, kam ein hemmendes und desorganisierendes Moment in die Wissenschaft,“ erläuterte bereits Max Horkheimer im Jahr 1932, und aus Philippis Sicht hat diese Perspektive nichts an Aktualität eingebüßt. Wissenschaft und Bildung mögen seit der Zeit der Aufklärung das Versprechen in sich tragen, BürgerInnen zur gesellschaftlichen Emanzipation und Selbstbestimmung zu führen. Ob sie dieses Versprechen auch tatsächlich einlösten, sei jedoch mehr als fraglich. Vor allem eine notwendige Reflexion der Wissenschaft über ihre Stellung im Verhältnis zur Gesellschaft und Ökonomie vermisse man. Dabei sei diese notwendiger denn je, was eine Betrachtung der hochschulpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte erweist.

Eine aktive Hochschulpolitik in der alten Bundesrepublik begann eigentlich erst in den 1960er und 70er Jahren, als bildungspolitische Reformen an den finanziellen und demokratischen Grundlagen des deutschen Universitätssystems ansetzten. Man verfolgte dabei sowohl politische als auch ökonomische Ziele: So wurde die Dominanz der Ordinarien, d.h. der Professoren und des Rektors, die bisher die Universitätsverwaltung bestimmt hatten, durch die demokratische Partizipation von Studierenden und der Mitarbeiter des akademischen Mittelbaus eingeschränkt; gleichzeitig wurde die finanzielle Ausstattung der Universitäten gestärkt und aufseiten der Studierenden das BAföG eingeführt. Man erhoffte sich durch eine Verbesserung der Ausbildungsbedingungen positive Rückwirkungen auf die Volkswirtschaft als Ganzes.

Diese hoffnungsvollen Ansätze trafen jedoch schon bald auf Schwierigkeiten. So wurde die anvisierte Drittelparität von Studierenden, Professoren und akademischem Mittelbau in der demokratischen Entscheidungsfindung an Hochschulen 1973 vom Bundesverfassungsgericht insoweit eingeschränkt, als es die Vorgabe aufstellte, Professoren auch weiterhin in allen wichtigen Angelegenheiten eine Mehrheit von mindestens 51 % einzuräumen. Bereits ein Jahr zuvor hatte das Gericht im sogenannten „NC-Urteil“ eine bedeutende hochschulpolitische Entscheidung gefasst und festgestellt, dass grundsätzlich alle BürgerInnen mit Hochschulzugangsberechtigung Anspruch auf einen Studienplatz hätten. Aus Kapazitätsgründen könne nur auf Grundlage einer Zuteilung nach einheitlichen Kriterien der Hochschulzugang rationiert werden, was sich in der Einführung des NC-Systems niederschlug. Die praktische Notwendigkeit für einen solchen eingeschränkten Bildungszugang sollte bereits 1977 augenfällig werden, als infolge einer zunehmenden Überlast an Studierenden die steigenden Hochschulfinanzen eingefroren wurden. Da die Universitäten jedoch weiterhin für alle Studierenden geöffnet blieben, kam diese Maßnahme über Jahrzehnte einer realen Kürzung der Hochschulfinanzierung infolge von Verschleiß und Inflation gleich.

Philippi merkt dabei an, dass die volkswirtschaftlichen Produktivitätszuwächse, von denen bereits oben die Rede war, nicht mehr die Universitäten erreichten. Stattdessen wurde die Universitätslandschaft durch verschiedene Mechanismen zunehmend dem Wettbewerb unterworfen. Im Zentrum standen dabei ein neuer mikroökonomischer Blickwinkel auf die Hochschule als ein zu managendes Unternehmen und eine Philosophie, nach der jedes Individuum selbst die Verantwortung für seine eigene Hochschulkarriere übernehmen sollte (die „Humankapitaltheorie“). Gleichermaßen zur Festigung dieser Ideologie wie zur Rechtfertigung der neuen Sachzwänge, denen die Hochschulen ausgesetzt wurden, begann man, die Methoden der Hochschulfinanzierung unter wettbewerblichen Gesichtspunkten neu zu gestalten.

So nahm die Höhe der Drittmittel in den Budgets der Universitäten sprunghaft zu, von rund 1 Milliarde DM 1975 auf 5,9 Milliarden € 2010. Über die Verwendung dieser außeretatmäßigen Finanzmittel, die etwa von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder Privatunternehmen eingeworben werden, entscheidet seit 1985 der jeweilige Lehrstuhlinhaber ohne Beteiligung demokratischer Gremien der Hochschule, was einerseits die an den Projekten arbeitenden WissenschaftlerInnen in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Lehrstuhlinhaber setzt, andererseits die Gefahr der Intransparenz gegenüber der universitären und allgemeinen Öffentlichkeit erhöht. Darüber hinaus bedeutet eine steigende Drittmittelquote eine zunehmende Einflussnahme privater Interessen auf öffentliche Hochschulforschung.

Ein weiteres Instrument, die leistungsorientierte Mittelvergabe, setzt statistische Kennziffern ein, um anschließend eine Zuteilung von Finanzmitteln an die einzelnen Hochschulen festzulegen. Auf diese Weise werden recht starre quantitative Vorgaben gemacht, die nicht unbedingt etwas über den gesellschaftlichen Mehrwert der betriebenen Forschung aussagen müssen. In ein ähnliches Horn bläst die berüchtigte Exzellenzinitiative, bei der eine Umverteilung von allgemeinen Hochschulmitteln auf eine kleine ausgewählte Elite im Vordergrund steht. Anstatt den qualitativen Abstand zwischen einzelnen Hochschulstandorten zu verringern, verstärkt man durch solche an ökonomischer Verwertbarkeit der Forschung orientierten Ansätze die Hierarchisierung der Hochschullandschaft, was wiederum als Legitimation für die Bevorzugung der „Besten“ in der nächsten Förderrunde herhalten muss.

Ergänzt werden diese finanziellen Mechanismen durch eine Stärkung der Alleinentscheidungskompetenzen der Hochschulrektorate etwa über einen einzigen Globalhaushalt und durch Änderungen in der Studienordnung. Während der politische Spuk der Studiengebühren wohl in Deutschland vorläufig beendet ist, bestehen immer noch weitere Zugangsbeschränkungen wie Verwaltungsgebühren und Auswahlverfahren für einzelne Studiengänge. Der Bologna-Prozess und die Einführung des BA- und MA-Systems dienten in diesem Kontext dazu, durch Verkürzung von Studienzeiten weitere Finanzmittel einzusparen und mit der Rationierung der Master-Studienplätze eine weitere Zugangshürde einzuziehen.

Die Alternative: Kritische Reflexion und Selbstorganisation

Sandro Philippi sieht trotz dieser alarmierenden Entwicklungen aktuell allerdings nur einen geringen Mobilisierungsgrad der Studierenden und Mitarbeitern an deutschen Universitäten. Ob dafür der ständige Zwang zur Selbstvermarktung, welcher kritisches Denken unter den Betroffenen allzu leicht verdrängt oder eine Denkhaltung, die eine grundsätzlich Trennung von Arbeit bzw. Ausbildung und Politik befürwortet, die Verantwortung trägt, lässt sich nicht leicht feststellen. Dass ein stärkeres Engagement der gesamten Studierendenschaft aber wünschenswert wäre, um die notwendige Debatte über Kommerzialisierung von Bildung und Wissenschaft anzustoßen, steht jedoch fest.

Demgegenüber möchte Lothar Galow-Bergmann bereits bei den gedanklichen Grundlagen einer verbreiteten Indifferenz gegenüber den fatalen Entwicklungen im kapitalistischen System ansetzen. Er spricht dabei von einem Gedankengefängnis, das die eigene Vorstellungskraft bei der Suche nach Alternativen zum jetzigen Wirtschaftssystem einschränkt: Anstatt sich in den Begriffen des Kapitalismus etwa durch die angeblich fehlende Finanzierungsgrundlage öffentlicher Einrichtungen wie Schwimmbäder einschüchtern zu lassen, sei es angebracht, sich vor Augen zu führen, dass die volkswirtschaftliche Produktivität und der physische Reichtum sehr wohl vorhanden sind, um gesellschaftlich sinnvollen Mehrwert zu schaffen. Engagierte Ansätze gibt es bereits, wenn z.B. Studierende an der Berliner Humboldt-Universität abseits der regulären Vorlesungen eine eigene Volkswirtschaftslehrstunde organisieren, weil sie davon überzeugt sind, dass die offizielle VWL ihnen keine Antworten auf ihre Fragen nach den krisenhaften Eigenschaften der Marktwirtschaft geben kann. Oder wenn sich an vielen Orten immer mehr Gruppen der Sharing Economy, der neuen Tauschwirtschaft bilden, die Güterverteilung abseits des Marktmechanismus organisieren.

Es kommt Galow-Bergmann darauf an, dass jeder neue Ansatz unbedingt auf der Selbstorganisation von Individuen abseits traditioneller politischer Führungsstrukturen beruhen soll. Wenn eine neue Bewegung hin zu einer Überwindung kapitalistischer Verwertungslogik entstehe, dürfe sie sich weder durch den Irrweg oberflächlicher Kapitalismuskritik noch durch die behauptete Alternativlosigkeit des aktuellen Gesellschaftsmodell verwirren lassen. Denn nur wenn der Glaube an unbewiesene Leitsätze der Wettbewerbsgesellschaft – wie etwa: der Mensch lasse sich grundsätzlich von Egoismus leiten – überwunden werden kann, stehen die Türen zu einer neuen Form des sozialen Zusammenlebens offen.

Konstantin Eisel

Biji Berxwedana Kobanê! Friede und Freiheit für Kurdistan! Weg mit dem PKK-Verbot!

Solidarität mit Kobane-01Mehr als 250 Menschen demonstrierten am Samstag in Konstanz, um ihre Solidarität mit dem Kampf der kurdischen Verteidiger der Stadt Kobanê gegen die Angriffe der IS-Milizen zum Ausdruck zu bringen. Die Demonstration “Solidarität mit Kobanê – Stoppt den IS-Terror”, zu der KurdInnen aus der Region Rojava, die “Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland” (ATIF) und der Kreisverband der Linken aufgerufen hatten, führte vom Benediktinerplatz über die Fahradbrücke durch die Innenstadt und endete mit einer Kundgebung auf der Markstätte. In Sprechchören riefen die DemonstrantInnen, darunter viele MigrantInnen kurdischer und türkischer Herkunft, zur Unterstützung des Widerstands gegen den IS-Terror und der Verteidigung der kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen in der Region Rojava auf. Sie forderten das Ende jeder direkten oder indirekten Unterstützung der islamistischen IS-Terrorbanden durch den NATO-Staat Türkei, die Freilassung des Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, sowie die sofortige Aufhebung des Verbots der PKK in Deutschland und der EU.

Solidarität mit Kobane-05Auf der Abschlußkundgebung bekundeten Rednerinnen und Redner in deutscher, türkischer und kurdischer Sprache ihre Unterstützung der demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen, die von der mehrheitlich kurdischen Bevölkerung in der Region Rojava aufgebaut wurden. Dieses Modell der Demokratischen Autonomie will allen Ethnien, Religionen und Geschlechtern ermöglichen, gleichberechtigt und in gegenseitigem Respekt zusammen ein selbstbestimmtes Leben, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, zu gestalten. Dazu erprobt die Bevölkerung Wirtschaftsmodelle, die mit feudalistischen Clan-Strukturen und kapitalistischer Profitproduktion brechen und sich stattdessen an den Bedürfnissen der BewohnerInnen orientieren. Dass dieses emanzipatorische Modell insbesondere auch die Befreiung der Frauen von patriarchalischer Unterdrückung auf die Tagesordnung gesetzt hat, unterstrich nicht zuletzt der auffällig hohe Frauenanteil unter den kurdischen TeilnehmerInnen der Demonstration.

Solidarität mit kobane-09Jürgen Geiger, Sprecher des Kreisvorstands der Linken, verwies in seinem Redebeitrag auf die Verantwortung der westlichen Großmächte für das Erstarken der reaktionären islamistischen Terroristen. Der IS sei ein Produkt der skrupellosen Machtpolitik der kapitalistischen Großmächte, die sich den ölreichen Nahen Osten als Rohstofflager für die Profitproduktion sichern wollten. “Dafür zetteln sie seit Jahrzehnten Kriege an, stürzen Regierungen und finanzieren nicht zuletzt Gruppierungen wie den IS”, sagte Geiger. Das Erstarken des Islamismus sei auch ein Ergebnis der gesellschaftlichen Hoffnungslosigkeit von Millionen, die eine solche Politik mit sich bringe. “Solange Gruppen wie der IS westlichen Interessen dienen, läßt man sie wüten.” Erst nachdem die “von der Leine gelassene Bestie ein Eigenleben” entwickelt habe, versuche man nun, den Schaden zu begrenzen. Der Linke-Sprecher bezeichnete den Kampf um das demokratische Projekt in Rojava als “Symbol der Hoffnung”, das alle Unterstützung verdiene: “Hier haben Menschen ihre eigenen Geschicke in die Hand genommen. Sie nehmen Armut, Unterdrückung und Ausbeutung nicht mehr länger hin und demonstrieren, dass ein anderes Leben möglich ist. Diese Revolution von Rojava hat eine Strahlkraft entwickelt, die weit über die Region hinaus reicht.” Geiger erläuterte, dass die Linke als antimilitaristische Partei eine weitere militärische Intervention der Westmächte in der Region klar ablehne. Er forderte stattdessen, endlich alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Selbstverteidigungskräfte der gegen die IS kämpfenden KurdInnen schwächen. Die Bundesregierung müsse die kurdische Selbstverwaltung als “legitimen Entwicklungspfad für die dort lebenden Menschen” anerkennen und Anstrengungen unternehmen, den IS von seinen Finanziers nicht nur in der arabischen Welt und vom Handel mit Rohstoffen und Waffen effektiv abzuschneiden. Oberste Priorität müsse der Schutz der Flüchtinge und der Zivilbevölkerung haben. Geiger: “Deutschland muss endlich die humanitäre Hilfe für die aus Syrien und dem Irak geflüchteten Menschen massiv verstärken. Grenzen auf für die Flüchtlinge!” Auch der Linke-Vertreter forderte die Aufhebung des PKK-Verbots: “Die Arbeiterpartei Kurdistans und ihre Schwesterorganisationen tragen die Hauptlast des Kampfes gegen den IS, sie haben Zehntausenden das Leben gerettet. Ihre Anhänger werden in unserem Land trotzdem nach wie vor verfolgt, das muss aufhören – sofort!” Die Linke werde sich dafür parlamentarisch und außerparlamentarisch einsetzen.

Redaktion

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Solidarität mit Kobanê! Stoppt den IS-Terror! Demonstration am 8.11. in Konstanz

Rojava_20_11_14_VeranstaltungIn unserer Region lebende Kurdinnen und Kurden aus dem Gebiet Rojava rufen zu einer Demonstration am Samstag, 8. November, in Konstanz auf. Sie wollen damit ein Zeichen der Solidarität mit dem Kampf ihrer Landsleute gegen die IS-Milizen in Nordsyrien und im Nordirak setzen.

Seit Wochen steht die Region Rojava in Nordsyrien wegen der Angriffe des IS auf die Stadt Kobanê im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Menschen verteidigen dort nicht nur ihre Heimat gegen die fanatisierten islamistischen Banden. Sie kämpfen auch für ein Modell des Zusammenlebens, als Demokratische Autonomie bezeichnet, das allen Ethnien, Religionen und Geschlechtern ermöglichen soll, gleichberechtigt und in gegenseitigem Respekt zusammen ein selbstbestimmtes Leben, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, zu gestalten. In Rojava wird dazu auch ein Wirtschaftsmodell entwickelt, das mit der kapitalistischen Profitproduktion bricht und sich stattdessen an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert. Dieses demokratische Projekt wird nicht nur von den religiösen Fanatikern des IS wütend bekämpft, es ist auch den westlichen Großmächten und den mit ihnen verbundenen Staaten der Region, allen voran die Türkei, ein Dorn im Auge.

In dieser Situation ist die Stärkung des Widerstands gegen den IS durch die internationale Gemeinschaft von großer Bedeutung. Die tief in den Konflikt verstrickten westlichen Industriestaaten und die Türkei müssen gezwungen werden, alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Selbstverteidigungskräfte der gegen den IS kämpfenden Kurdinnen und Kurden schwächen. Für eine Unterstützung des kurdischen Widerstands demonstrieren seit Wochen weltweit immer mehr Menschen. Dafür werden wir an diesem Samstag auch in Konstanz auf die Straße gehen.

Die LINKE ruft zur Beteiligung an der Demonstration auf. Sie fordert von der Bundesregierung, dass sie die kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen anerkennt. Das Verbot der PKK, mit dem politische Solidaritätsarbeit hierzulande unter Strafe gestellt wird, muss in Deutschland sofort aufgehoben werden. Die deutsche Regierung muss ihren Einfluß geltend machen, damit die Türkei die Grenzen zu den betroffenen Gebieten für kurdische KämpferInnen und Versorgungsgüter öffnet und stattdessen den Zustrom von IS-Kräften unterbindet. Dass aus der Bundesrepublik weiterhin Waffen und Rüstungsgüter an direkt oder indirekt in diesen blutigen Krieg involvierte Mächte geliefert werden, ist ein nicht hinnehmbarer Skandal. Nicht zuletzt müssen die humanitären Hilfen Deutschlands für die aus Syrien und dem Irak geflüchteten Menschen massiv verstärkt und die Grenzen für Flüchtlinge geöffnet werden.

Kreisvorstand DIE LINKE. Konstanz,
Jürgen Geiger


SOLIDARITÄT MIT KOBANÊ! STOPPT DEN IS-TERROR!
Samstag, 8. November, 14.00 Uhr, Konstanz, Georg-Elser-Platz
Abschlußkundgebung ca. 16.00 Uhr, Marktstätte


Landes-Arbeitsgemeinschaft der Linken: Friedenspolitischer Ratschlag in Friedrichshafen

Nein zum Krieg LinkeIn vier Vortragsveranstaltungen will die Landes-Arbeitsgemeinschaft „Frieden“ der Partei DIE LINKE am kommenden Samstag über militärische „Friedenseinsätze“ und Rüstungsschmieden am Bodensee sowie über die Krisenherde im Nahen Osten und der Ukraine aufklären. Auf der öffentlichen Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft in Friedrichshafen sprechen der stellvertretende Parteivorsitzende, Bundestagsabgeordnete, Rüstungsexperten und Lokalhistoriker – hier die Programmübersicht:

Ukraine, Russland und die Krim
Zeit: 11:45 Uhr bis 13:00 Uhr
Referent: Jürgen Wagner (Informationsstelle Militarisierung, Tübingen)

100 Jahre Erster Weltkrieg, Graf Zeppelin und die Rüstungsschmieden am Bodensee
Zeit: 13:15 Uhr bis 14:15 Uhr
Referent: Charly Schweizer (Lokalhistoriker, Lindau)

So genannte „Humanitäre Interventionen“ und Debatten um UN-Einsätze
Zeit: 16:00 Uhr bis 17:15 Uhr
Referenten: Tobias Pflüger (DIE LINKE, Stellv. Parteivorsitzender), Thomas Mickan (Informationsstelle Militarisierung, Tübingen)

Eskalation im Nahen und Mittleren Osten: Irak, IS, Türkei und Gaza
Zeit: 15 Uhr bis 16:30 Uhr
Referentinnen: Heike Hänsel MdB (Entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE) und Annette Groth (Menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsabgeordnete aus Friedrichshafen).

Die Tagung beginnt am Samstag, 8. November, um 11 Uhr im Gemeindesaal St. Nikolaus, Karlstraße 17, in Friedrichshafen. Eine Anmeldung ist nicht notwendig, aber hilfreich für die Vorbereitung. Nach Möglichkeit einfach eine E-Mail senden an inge.jakowlew@dielinke-bodensee.de. Weitere Informationen auf der Homepage der baden-württembergischen Linken.

Veranstaltungsreihe des Uni-AStA: Was tun gegen “Armut, Ausgrenzung und Leistungszwang”

Bildung für alle

“Bildung für alle” – eine Illusion?

Noch bis zum 11. Dezember läuft eine bildungspolitische Veranstaltungsreihe des AStA der Uni Konstanz, die sich mit den Themen Armut, Ausgrenzung und Leistungszwang befasst. Im Wochenrhytmus lädt die Studierendenvertretung jeweils Donnerstags zu einer Veranstaltung ein, die sich mit theoretischen und aktuellen politischen Fragen auseinandersetzt. Ziel der Veranstalter ist es dabei, “uns und andere (zu) befähigen, gesellschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, zu hinterfragen und zu verändern”. Universitäre Bildung sollte nach Überzeugung der OrganisatorInnen nicht in erster Linie der Produktion “möglichst gut verdienender Arbeitnehmer*innen” dienen und auch nicht hauptsächlich Antworten auf die Frage suchen, “welches Wissen morgen förderlich für das Wirtschaftswachstum sein könnte”. Im Zentrum von Bildung und Wissenschaft müsse vielmehr “der Mensch, seine Bedürfnisbefriedigung und seine gesellschaftliche Teilhabe” stehen, heißt es in der Einladung des AStA zu der von der Rosa-Luxemberg-Stiftung unterstützten Veranstaltungsreihe. Ein spannender Ansatz, der sich wohltuend vom ansonsten staatsoffiziell verbreiteten Credo abhebt, dem zufolge die Hochschulbildung der Heranzüchtung von Eliten zu dienen habe und die universitäre Forschung möglichst effektiv den Konzernen zuarbeiten müsse. Den Auftakt der Reihe machte am 23. Oktober der Münsteraner Soziologe Andreas Kemper, der in seinem Vortrag den gesellschaftspolitischen Ursachen der Bildungsbenachteiligung nachging. Hier der Bericht unseres Autors Konstantin Eisel.

Klassismus: Eine vergessene Form der Diskriminierung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), verabschiedet vom deutschen Bundestag im August 2006 nach einer Richtlinie der Europäischen Union, soll verschiedenste Formen der „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ verhindern. Diese Art von Normen, welche Diskriminierung in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen wie Arbeitsmarkt, Sozialschutz und Bildung bekämpfen sollen, sind sicherlich zu begrüßen. Doch eher selten kommt die Frage auf, ob die Definition von Diskriminierung, die in solchen Gesetzen zur Anwendung kommt, tatsächlich alle relevanten Grundlagen für Benachteiligung abdeckt.

In seinem Vortrag „Gesellschaftspolitische Ursachen der Bildungsbenachteiligung“ am Donnerstag, den 23.10., befasste sich der Münster Soziologe Andreas Kemper genau mit diesem Thema. Auf Einladung der AStA-Referate Gleichstellung, Hochschulpolitik intern und Lehramt an der Universität Konstanz führte Kemper aus, wie das heutige deutsche Bildungssystem die systematische Diskriminierung von Kindern aus Arbeiterhaushalten herbeiführt. Diese Menschen, deren Eltern wenig formelle Bildung und Vermögen besitzen, sind selbst in den Studierendenvertretungen unterrepräsentiert: Auf Kempers Initiative wurde im Jahr 2000 in Münster gegen viele Widerstände das bundesweit erste AStA-Referat für Arbeiterkinder gegründet. Klassismus, wie die Diskriminierung dieser Bevölkerungsschicht schon seit den 70er Jahren bezeichnet wird, findet aber auch in den deutschen und europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien keine Erwähnung, obwohl der Begriff gerade im deutschen Bildungsbereich auf eine lange unrühmliche Geschichte zurückblicken kann.

Die Erforschung des Phänomens begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Studie Otto Rühles zur „Seele des proletarischen Kindes“, in der auf die gleich mehrfache Unterdrückung hingewiesen wurde, unter der gerade Mädchen aus den unteren Schichten zu leiden hätten, und als Reaktion eine „proletarische Protestmännlichkeit“ als gegen die herrschenden Verhältnisse gerichtete, aber unorganisierte Auflehnungshaltung konstatiert wurde. In der Zeit des Nationalsozialismus litten viele Arbeiterkinder unter neu eingeführten Gesetzen zur Rassenhygiene, da Intelligenz als erbliche Eigenschaft des „arischen Herrenmenschen“ angesehen wurde und Hilfsschüler, deren Leistungen nicht den Vorstellungen der rassistischen Lehre entsprachen zu hunderttausenden zwangssterilisiert und für bildungsunfähig erklärt, wenn nicht sogar als geistig Behinderte ermordet wurden. Ihr Schicksal hinderte allerdings u.a. die Uniklinik Münster nicht daran, nach dem Krieg die ideologischen Väter ihres Elends wieder in akademische Ämter und Würden aufzunehmen. So wurden 4 schwerstbelastete Professoren hintereinander als Dekane an der Uniklinik beschäftigt, darunter Otto Verschuer, in der Nazizeit Chef des Amts Rassenhygiene und Doktorvater des Auschwitz-Arztes Josef Mengele.

Auf zaghafte Reform folgt Rolle rückwärts

Die ehemals braune Professorenschaft übte jedoch auch noch einen anderen fatalen Einfluss auf die Bildungspolitik der Nachkriegszeit aus. Während die Alliierten die Ablösung des seit dem 19. Jahrhundert bestehenden dreigliedrigen Schulsystems mit einer frühen sozialen Selektion als direktes Abbild der klassistischen Diskriminierung durch eine Gesamtschule empfahl, lehnten westdeutsche Politiker das Vorhaben rigoros ab – und beriefen sich dabei etwa auf Karl Valentin Müller, ein bis 60er Jahre angesehener Philologe, der in der Zeit des Nationalsozialismus im besetzten Prag lehrte. Nach dem Krieg erstellte er ein Gutachten für die Regierung Niedersachsens, in dem er 3 Begabungstypen (Handwerk, Verwaltung und Führung) identifizierte und so eine fragwürdige Begründung für die Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems lieferte.

Einen neuen Schub erhielt die westdeutsche Bildungspolitik 1966 mit dem sogenannten Bildungsschock: Nachdem man festgestellt hatte, dass das Bildungssystem zu wenige Studierende insbesondere der Ingenieurswissenschaften hervorbrachte, begannen unter der damaligen sozialliberalen Koalition Reformbemühungen, die z.B. zur Förderung von Gesamtschulen, des Hochschulzugangs von Arbeiterkindern und zur Einführung des BAföG führten. Mitte der 70er Jahre, als ein Anteil der studierenden Arbeiterkinder von 10 % erreicht wurde, brachen jedoch diese Reformen ab und wurden ab 2000 sukzessive durch eine rückwärtsgewandte Bildungspolitik ersetzt.

Damals fand ein entscheidender Paradigmenwechsel statt, der das propagierte Ziel der prinzipiellen Chancengleichheit in der Bildung, also dem Ziel, gleiche Chancen für Kinder sowohl aus vermögenden Haushalten als auch aus sozialen Brennpunkten zu schaffen und lediglich Leistungen als Bewertungskriterium anzulegen durch den Begriff der Chancengerechtigkeit ersetzte. Nun sollten hochbegabte Kinder im Gegenzug für das vermeintliche Aufholen der unteren Schicht die Möglichkeit erhalten, sich ihrerseits noch weiter „nach oben“ vom Mittelmaß abzusetzen. Diesem Ansatz folgen zunehmende Tendenzen der Elite-, Exzellenz-, und Hochbegabungsorientierung im Schul- und Hochschulbereich und eine zunehmende „Demografisierung“ der Bildungs- und Familienpolitik. Diese zeigt sich bei dem vor einigen Jahren durchgesetzten Wandel des Elterngeld zum Erziehungsgeld: Während zuvor viele Eltern mit geringem Einkommen in Unter- und Mittelschicht von der Leistung profitieren konnten, entschied man sich nach dem Pisa-Schock, das neue Elterngeld einkommensabhängig zu gestalten, sodass Vielverdiener von entsprechend höheren Zahlungen profitieren; das soll Akademiker zur Familiengründung anregen, gleichzeitig aber keinen Anreiz für sozial Benachteiligte mehr bieten, deren Sockelbetrag abgeschafft wurde.

Soziale Diskriminierung von Anfang an

Aber nicht nur in diesem Bereich findet der Klassismus in der deutschen Bildungspolitik seinen Platz; die Diskriminierung lässt sich durch die gesamte Ausbildung eines Kindes verfolgen. Die primäre Bildungsbenachteiligung beginnt bereits bei der vorschulischen Erziehung im Elternhaus, wenn etwa in sozial benachteiligten Haushalten nur wenige Bücher vorhanden sind, die den Wissensdrang von Kindern anregen könnten. Der Kita-Besuch wäre für Kinder aus Nichtakademiker-Haushalten sehr wichtig, wird aber durch hohe Gebühren oftmals verhindert.

Die sekundäre Bildungsbenachteiligung beginnt mit der Bewertung des Kindes durch die Lehrperson in der Grundschule. Schon beim Schulübergang stellen Studien eine schnellere Einschulung von nicht-„verhaltensauffälligen“ Kindern fest, die aus wohlhabenderen Haushalten stammen. Die Empfehlung für Grundschüler, auf ein Gymnasium zu gehen erfolgt bekannter Weise sehr viel seltener, wenn dieser Kinder aus Unterschichtenfamilien kommen, da sie in den Augen der Lehrer deutlich höhere Leistungen erbringen müssen als ihre Mitschüler aus Akademikerfamilien. Ihre Eltern folgen der Empfehlung auch sehr viel schneller als Akademikereltern, die sich der Einschätzung des Lehrers eher widersetzen und ihr Kind dennoch auf das Gymnasium schicken. Es sind dieselben bürgerlichen Eltern, welche sich für eine möglichst frühe Bildungsselektion nach nicht-objektiven Kriterien (nämlich der Entscheidung der Eltern) und gegen die Einführung einer Gesamtschule einsetzen und auch in Volksentscheiden für diese Position stimmen, wie es z.B. in Hamburg 2010 der Fall war.

Psychische Folgewirkungen durch ein starres Selektionssystem können Unterforderungserfahrungen sein, die sich negativ auf die Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen auswirken und zu psychosomatischen Beschwerden führen können.

Die Bildungsschwellen als praktische Auswirkung aller dieser Benachteiligungen lassen sich in klare Zahlen fassen: von 100 Akademiker-Kindern absolvieren durchschnittlich 81 die Sekundarstufe II und 71 erlangen den Hochschulzugang; unter nicht-Akademikerkindern sind es nur 45 bzw. 24, die diese Stufen erreichen. Nur 15% der Anfänger eines Erststudiums besitzen eine “niedrige” soziale Herkunft, bei einem Promotionsstudium: sind es sogar nur 9%.

Soziale Selektion beim Zugang zum StudiumAuch Stipendien werden seltener an Arbeiterkinder vergeben als an Akademikerkinder, obwohl erstere finanzielle Mittel und Förderprogramme sehr viel nötiger bräuchten. Und das, obwohl sie sich zwar genauso oft für ein Stipendium bewerben wie ihre Komilitonen, dafür aber wiederum schlechter beurteilt werden.

Es sind sowohl institutionelle Strukturen als auch Vorurteile mancher Menschen, die im Bildungssystem beschäftigt sind, welche den Klassismus befördern. Grundschullehrer und Akademiker, die an der Stipendienvergabe beteiligt sind, agieren als Gatekeeper mit der Vorgabe, gewisse sozial erwünschte Personen zur Förderung zu selektieren, während andere außen vor bleiben. In diesem Prozess spielen das ökonomische, soziale und kulturelle Kapital einer Person nach Pierre Bourdieu eine Rolle: Zeigt ein angehender Schüler oder Student bereits aufgrund seiner Erfahrung im Elternhaus einen gewissen Habitus, d.h. bestimmte Manieren und verinnerlichte Verhaltensweisen, die seinem Gegenüber signalisieren, zur gleichen Gesellschaftsschicht zu gehören, wird er sehr wahrscheinlich denjenigen gegenüber bevorzugt werden, der nicht über eine solche Grundlage verfügt. So reproduziert das Bildungssystem dieselben gesellschaftlichen Verhältnisse, ohne die sozialen Auswirkungen dieses Prozesses zu hinterfragen. Und selbst gewisse sprachliche Muster, die Kemper als „Vertikalismen“ bezeichnet, spielen hier eine Rolle: Indem immer wieder der semantische Gegensatz aus „niederer Herkunft“ einerseits und „höherer Bildung“ und „höherem Lebensstandard“ andererseits als begriffliche Alternative zwischen schlecht und gut betont wird, schlägt sich die Diskriminierung auch in der Sprache nieder.

Dezidiert politische Haltung gefragt

Die anschließende Diskussion über die Vortragsthemen drehte sich vor allem um die Frage, wie man die Situation von Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen verbessern könnte. Kemper selbst brachte die Idee einer speziellen Hochschulförderung ins Gespräch, die sich an dem Anteil der an einer Universität immatrikulierten Arbeiterkinder ausrichten sollte. In erster Linie jedoch sei es entscheidend, dass die Betroffenen sich in eigenen Interessengruppen organisierten. Diese müssten eine dezidiert politische Haltung einnehmen, da bisherige Ansätze wie die deutsche Webseite Arbeiterkind.de, welche explizit keine politische Position beziehen wollten, ineffektiv seien. In jedem Fall müssten sich Institutionen und auf diesem Wege auch damit verbundene Werthaltungen verändern, damit eine bessere Integration sozial deklassierter Gruppen in das Bildungssystem gelingen kann.

Konstantin Eisel

Die bildungspolitische Reihe „Armut, Ausgrenzung und Leistungszwang“ des AStA der Uni Konstanz findet noch bis zum 11. Dezember 2014 jeden Donnerstagabend 19.00 Uhr im Raum A 701 an der Universität Konstanz statt. Sie wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert. Hier der Link zum weiteren Programm.

Alle Jahre wieder: Kälte verschärft die Lage wohnungsloser Menschen

Wohnungslose Menschen

Hilfsorganisationen schlagen Alarm: Immer mehr ohne ein Dach über dem Kopf, auch im Kreis Konstanz (Bild: AGJ-Konstanz).

Das Thema fehlender Wohnraum und wachsende Wohnungslosigkeit soll im Landkreis Konstanz mit zwei Aktionen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden, eine wird in Singen, die andere in Konstanz stattfinden.

Die AGJ (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe) Wohnungslosenhilfe im Landkreis Konstanz hat angesichts der prekären Wohnungsnot eine Pressemitteilung verfasst, die aufzeigt, in welch hohem Maße Menschen mit wenig Geld von Wohnraumverlust betroffen sind (siehe unten). Was bedeutet es, monatelang eine Wohnung zu suchen, die mit den Mitteln aus dem Regelsatz für den Lebensunterhalt nicht zu finanzieren ist, welche Ansätze und Konzepte gibt es, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Diesen und anderen Fragen wird sich die Veranstaltung „Gemeinsam, nicht einsam – gegen Wohnungsnot“ am 28. Oktober um 18 Uhr in der Singener GEMS widmen. Betroffene werden zu Wort kommen und über ihre Erfahrungen und Erlebnisse berichten. Thomas Poreski (sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag) wird zu Perspektiven für Wohnraumschaffung, insbesondere für junge Menschen in prekären Wohnverhältnissen, Stellung beziehen.

Auch die Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden-Württemberg e.V. schlägt Alarm: aktuelle Statistiken und Rückmeldungen aus Einrichtungen mobiler Jugendarbeit belegen einen deutlichen Anstieg junger Menschen zwischen 17 und 25 Jahren, die über keine eigene feste Unterkunft verfügen und in prekären Verhältnissen leben. Sie nächtigen häufig bei verschiedenen Bekannten und Verwandten, in Gartenhäusern oder leben auf der Straße. Wenn private Netzwerke nicht mehr ausreichen, kann die Situation in den Wintermonaten eskalieren und für die jungen Menschen sogar lebensbedrohlich werden, insbesondere wenn Drogen und Alkohol im Spiel sind. Im Rahmen einer landesweiten Aktionswoche vom 10. bis 16. November wird sich die LAG dem Problem widmen; in Konstanz wird es am 14. November von 15 bis 18 Uhr auf der Marktstätte die Gelegenheit geben, sich rund um das Thema Wohnungslosigkeit junger Menschen zu informieren. Motto der Aktion: „Wohn Raum?“

Anke Schwede

Statement Wohnungsnot im Landkreis Konstanz
anlässlich der landesweiten Liga-Aktion „Wohnst du noch?“

Das Thema Wohnungsnot im Landkreis Konstanz ist brennend. Im gesamten Landkreis Konstanz steht längst nicht mehr ausreichender bezahlbarer Wohnraum für alle Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Regulärer Wohnraum ist insbesondere für einkommensschwache Haushalte kaum noch zu finden. Zunehmend müssen Menschen in prekären Unterkünften zum Teil Jahre ausharren oder ganz auf der Straße schlafen.

Allein bei der AGJ Wohnungslosenhilfe, die im Landkreis Konstanz in den Städten Singen, Konstanz und Radolfzell Einrichtungen betreibt, waren am Stichtag 1.10.2014 insgesamt 257 Personen in Betreuung. Davon 180 Personen ohne eigene Wohnung.

In der Stadt Konstanz waren am Stichtag 1.10.2014 131 Personen bei der AGJ Wohnungslosenhilfe in Betreuung, davon 96 Personen ohne eigene Wohnung.

Ein Drittel der Personen lebt vorübergehend in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, ein Drittel lebt ohne vertragliche Absicherung vorübergehend bei Familie oder Bekannten und ein weiteres Drittel lebt in Notlösungen wie z.B. Wohnwägen, Gartenlauben oder auf der Straße. Der Frauenanteil liegt bei 21%, es ist aber davon auszugehen, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist. Da es im Landkreis Konstanz keine kommunale Wohnungsnotfallerhebung gibt, sind genauere Zahlen nicht bekannt. Alle Personen benötigen dringend eigenen Wohnraum.

Wir fordern:
► Ein Recht auf eine Wohnung!
► Eine menschenwürdige, bedarfsgerechte und bezahlbare Wohnraumversorgung muss für alle Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden.
► Ein Konzept zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit und die Einführung einer einheitlichen kommunalen Wohnungsnotfallerhebung sind dringend erforderlich.
► Keine Sanktionen bei den Unterkunftskosten im SGB II mehr. Die Praxis der Sanktionen im SGB II sind – insbesondere für die unter 25jährigen Hilfebedürftigen – dringend reformbedürftig.
► Umsetzung von sozialem Wohnungsbau, damit die Wohnungsbaugesellschaften im Landkreis Konstanz ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den Bürgern wieder gerecht werden können.
► Ein verfassungsmäßiges Recht auf Wohnung soll garantiert werden.

AGJ Wohnungslosenhilfe im Landkreis Konstanz, Pressemitteilung

Debatte im Kreistag über Flüchtlinge: „Richtig, richtig wichtig …“

Fluechtlinge_Refugees_welcomeIn der von der Partei Die Linke angeregten Debatte über die Situation der Flüchtlinge im Landkreis Konstanz, die sich in der Kreistagssitzung am Montag entspann, gab es kaum Kontroversen: Alle waren sich einig, dass der Landkreis, der unter dieser Aufgabe ächzt, sein Bestes gibt, doch die Verwaltung hatte nur eine eher düstere Sicht auf die nahe Zukunft zu bieten.

Als „eine der größten Herausforderungen für alle und richtig, richtig wichtig“ bezeichnete Landrat Frank Hämmerle das Problem der explodierenden Asylbewerberzahlen und warnte schon vor der nächsten Zukunft. Nach seinen Angaben ist er sich nicht einmal mehr sicher, ob der Landkreis in den nächsten Monaten überhaupt noch alle ihm zugewiesenen Flüchtlinge unterbringen kann.

Er hält einige Änderungen in der Flüchtlingspolitik für unerlässlich: Erstens möchte er die Kosten für Flüchtlinge wieder wie früher nicht aus der Kasse des Landkreises bezahlen, sondern direkt auf Konten des Landes Baden-Württemberg buchen. Flüchtlingsunterbringung ist nämlich eigentlich Sache des Landes, die dieses zwar an die Landkreise delegiert hat, aber nicht ausreichend bezahlt, so dass etwa der Landkreis Konstanz auf jährlich zwei Millionen Euro der Kosten sitzen bleiben. Zweitens fordert Hämmerle eine gleichmäßigere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU – nach seinen Angaben nimmt allein Baden-Württemberg mit rund 19.000 Flüchtlingen in diesem Jahr etwa sechs- bis siebenmal so viele Flüchtlinge auf wie ganz Spanien.

Deutschland als Einwanderungsland

Hämmerle sieht Deutschland aufgrund seiner demographischen Entwicklung als Einwanderungsland, das auch Asylbewerber herzlich willkommen heißen muss, und fordert deshalb ein deutsches Einwanderungsgesetz. Was er sich davon verspricht (etwa, dass Deutschland nach australischem Vorbild bevorzugt Akademiker mit einer technischen Ausbildung aufnimmt und Kriegsflüchtlinge außen vor lässt?), ließ er offen. Er machte allerdings den Eindruck eines auch persönlich betroffenen Menschen, dem reine Nützlichkeitserwägungen angesichts des derzeitigen Elends eher fremd sind. Hämmerles eher hilfloses Fazit: „Politik und Parteien müssen Antworten geben.“

Die Stimmung ist umgeschlagen

Die sachliche Debatte ließ einen bemerkenswerten Wandel in der Einstellung Flüchtlingen gegenüber spüren. Die Fernsehbilder von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen im Nahen Osten und von deren massenhaftem Sterben im Mittelmeer haben dazu beigetragen, dass Flüchtlinge heute nicht mehr als Schmarotzer im Gelobten Land, sondern als bedauernswerte Elendsgestalten wahrgenommen werden, und dass auch in breiteren Kreisen der Bevölkerung mittlerweile akzeptiert wird, dass viele dieser Menschen lange oder gar auf Dauer in Deutschland bleiben müssen. Andreas Hoffmann (CDU) erinnerte ausdrücklich an jene, die bereits seit 10 Jahren in Deutschland geduldet werden und vergegenwärtigte die Probleme von Familien, die nach Jahren aus der Gemeinschaftsauskunft ausziehen und sich dann mit dem Gegenwert von Hartz IV ein komplett neues Leben aufbauen müssen. „Diese Menschen sind willkommen! Es sind auch viele gut Ausgebildete dabei, die schnell arbeiten wollen!“ In eine ähnliche Kerbe hieb Siegfried Lehmann (Grüne), der neben speziellen Arbeitsmarktprogrammen auf Schul- und Gesundheitsangebote als wichtigste Integrationsmittel verwies.

Typisch für einen FDPler versuchte sich Jürgen Keck in ziemlich dreister Lobbyarbeit, indem er Mobilheime eines bestimmten Unternehmers als Flüchtlingsunterkünfte andiente; aber er wurde von Hämmerle ausgekontert, „wir wollen die Menschen richtig unterbringen“.

Turnhallen als Notunterkünfte

Die Linke, die mit ihrer Anfrage die Aussprache ins Rollen gebracht hatte, konnte mit der informativen schriftlichen Antwort des Landrates durchaus zufrieden sein, Hans-Peter Koch sah aber noch einige Punkte unerledigt und fragte daher noch einmal mündlich nach. Auf seine Frage, ob auch an die eher menschenunwürdige Unterbringung in Turnhallen gedacht sei, antwortete Frank Hämmerle, Not kenne kein Gebot, und selbstverständlich prüfe man auch diese Möglichkeit ebenso wie die, leerstehende Gebäude nach dem Polizeigesetz gegen Entschädigung zu nutzen. In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass nicht damit zu rechnen sei, dass die jedem Asylbewerber ab 1.1.2016 zustehende Fläche von 7,5 Quadratmetern erreicht werde, so viel Platz sei einfach nicht da. Mit den derzeit 4,5 Quadratmetern im Landkreis Konstanz stehe man etwa im Vergleich zu Karlsruhe mit 3 Quadratmetern sogar noch gut da. Außerdem hofft er von Bundesseite auf Erleichterungen im Baurecht, so sei beispielsweise die derzeit erforderliche Zahl der Autostellplätze für solche Einrichtungen einfach viel zu hoch und solle eher der von Altenheimen angeglichen werden. Außerdem versicherte der Landrat, und auch danach hatte ihn Die Linke gefragt, dass es im Landkreis Konstanz keinerlei Wachdienste in Flüchtlingsunterkünften gibt, wie sie ja jüngst erst in Nordrhein-Westfalen durch die Misshandlung von Flüchtlingen aufgefallen sind.

Neue Linie hat die Lösung

Die Neue Linie machte ihrem Namen alle Ehre und hatte als einzige Partei im Kreistag eine ebenso konkrete wie originelle Lösung dafür parat, wie und vor allem wo man Flüchtlinge denn am besten unterbringen könne. Marion Czajor erinnerte sich, dass weite Landstriche in den östlichen Bundesländern 25 Jahre nach dem Ende der DDR verlassen sind und schlug vor, Asylbewerber doch dort unterzubringen, denn da finde sich Platz genug.

Landrat Hämmerle sei dafür bewundert, mit welcher Ruhe und Sachlichkeit er Frau Czajor belehrte, die Verteilung von Flüchtlingen auf die Bundesländer erfolge nach dem Godesberger Schlüssel, an dem zumindest er nichts ändern wolle, und Integration sei nicht nur Sache von Mecklenburg-Vorpommern, sondern unser aller Gemeinschaftsaufgabe. Etliche Kreisrätinnen und -räte nämlich wanden sich bei Frau Czajors Redebeitrag vor Peinlichkeit in ihren Sesseln wie Würmer am Angelhaken, „Ostsiedlung“ und „Slawenmission“ glucksten einige höhnisch in sich hinein, und eine durchaus bürgerlich-behäbige Person im Publikum murmelte halblaut vor sich hin: „Nach der Revolution fährt der Zug nach Sibirien aber nicht los, ehe nicht diese Frau an Bord ist.“

O. Pugliese

Fakten zur Lage der Flüchtlinge im Landkreis Konstanz

Angesichts der Kriege etwa im Nahen Osten steigen die Flüchtlingszahlen rasant, aber wer es über das Mittelmeer schafft und lebend in der EU strandet, hat es damit noch lange nicht auf die Sonnenseite des Lebens geschafft. Der Landkreis Konstanz etwa sieht sich vor erheblichen Problemen bei der Flüchtlingsunterbringung und -betreuung, wie das Landratsamt auf eine Anfrage der Partei Die Linke mitteilte.

Die Linke, im frisch gewählten Kreistag durch Hans-Peter Koch und Marco Radojevic vertreten, wollte die Lage der Flüchtlinge im Landkreis Konstanz klären und hat daher jüngst eine Anfrage an den Landrat gerichtet. Die mit viel Sorgfalt erarbeitete, sehr detaillierte und bemerkenswert schnelle und auskunftsfreudige Antwort des Landratsamtes bildet das Ausmaß des Flüchtlingselends im Landkreis in deutlichen Zahlen ab.

Hier die wichtigsten Zahlen und Fakten aus dem Papier des Landratsamtes.

Flüchtlingszahlen explodieren: Die Zahl der Asylbewerber ist vom 31.12.1999 bis 31.12.2008 kontinuierlich gesunken, und zwar von 573 auf 150. “Aufgrund zurückgehender Asylbewerberzahlen baute der Landkreis Konstanz mehrere Unterkünfte ab, bis zuletzt in 2008 nur noch die Unterkünfte Steinstraße in Konstanz und Kaserne in Radolfzell bestanden.” Seit 2009 allerdings stiegen die Zahlen wieder rasant an, und seit 2013 explodieren sie förmlich. Ende letzten Jahres hatte der Landkreis 514 Asylbewerber unterzubringen, und in diesem Jahr werden es wohl nochmals 200 mehr sein. “Aktuell”, so das Landratsamt, “verfügt der Landkreis über 745 Plätze zur Unterbringung von Asylbewerbern. Von diesen sind derzeit 707 Plätze belegt, was einer Auslastungsquote von ca. 95 % entspricht.” Diese Unterkünfte verteilen sich auf 11 Standorte im Landkreis, die Städte Konstanz (318), Radolfzell (108), Stockach (92) und Singen (165) nehmen die meisten dieser Flüchtlinge auf.

Manche Vermieter wittern den großen Reibach: Der Landkreis Konstanz schaltet nach seinen Angaben seit rund einem Jahr wöchentlich Anzeigen zur Suche nach Mietwohnraum in regionalen Medien. “Zu Beginn war der Rücklauf recht positiv und es wurden vermehrt Hotels und Gaststätten, insbesondere aus dem Raum Stockach, angeboten. Die angebotenen Objekte konnten jedoch teilweise nicht angemietet werden aufgrund unverhältnismäßig hoher Miet- und/oder Rückbauforderungen bzw. des mangelnden Brandschutzes oder der generellen Untauglichkeit des Objekts.” (Was man wohl so übersetzen darf: Vermieter haben versucht, ihre Schrottimmobilien dem Landkreis anzudienen – wie es sich gehört zu Horrormieten, denn die Ärmsten der Armen sollten nach der Logik des freien Marktes doch immer noch für einen Extraprofit gut sein.)

Der Landkreis versucht mittlerweile, da mit einem baldigen Rückgang der Asylanträge nicht zu rechnen ist, Immobilien oder Grundstücke zu kaufen, um dort Flüchtlingsunterkünfte zu errichten. “Außerdem wird die Belegung von kreiseigenen Sporthallen geprüft.”

Turnhallen als Unterkünfte? Nicht nur die mögliche Unterbringung in Turnhallen (die man vermutlich nicht mal für die Tierhaltung verwenden dürfte, ohne einen Aufschrei des Kinderschutzbundes zu riskieren) deutet an, auf welchem Niveau Flüchtlinge in Deutschland leben müssen und wie sehr sie als purer Kostenfaktor gelten. Laut Landratsamt haben Asylbewerber bisher Anspruch auf ganze 4,5 Quadratmeter Fläche, also etwa das Doppelte eines Bettlakens. “Durch die letzte Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes muss den Asylbewerbern künftig eine Fläche von 7 Quadratmetern zur Verfügung gestellt werden. Dies ist bis zum 01.01.2016 umzusetzen. Einwendungen des Landkreistages gegen diese Erhöhung hat der Gesetzgeber nicht berücksichtigt.”

Betreuung braucht Personal: Flüchtlinge sind oftmals traumatisierte Menschen, die Fürchterliches hinter sich haben: Flucht, das Zurücklassen oder der Tod von Familienangehörigen und Freunden, Perspektiv- und Orientierungslosigkeit in einer fremden und oftmals feindlichen Umgebung sind Erfahrungen, die den meisten Mitteleuropäern anders als den Flüchtlingen in den letzten Jahrzehnten erspart blieben. Umso wichtiger ist eine angemessene Betreuung der Flüchtlinge. Der Landkreis hat in diesem Jahr den Personalstand von 22,57 auf 28,37 Stellen erhöht, im nächsten Jahr sollen 8,2 weitere Stellen hinzukommen, darunter 3,0 Sozialarbeiter. Gleichzeitig soll eine Stabsstelle eingerichtet werden, die als zentraler Ansprechpartner im Landkreis fungiert und auch die ehrenamtlich Tätigen unterstützt.

Land und Bund stehlen sich aus der Verantwortung: Das Land, das eigentlich für die Unterbringung von Flüchtlingen verantwortlich ist, hat diese Aufgabe den Landkreisen übertragen und zieht sich mit einer Einmalpauschale aus der Affäre. Der Landkreis Konstanz etwa ist in den letzten Jahren auf jeweils rund 2 Millionen Euro sitzen geblieben. “Gemeinsam mit dem Landkreistag Baden-Württemberg,” so das Landratsamt, “und den anderen Landkreisen fordert der Landkreis Konstanz von der Landesregierung eine auskömmliche Pauschale. Die derzeitige Pauschale von 12.566 € muss deutlich erhöht werden.” Neben der Unterbringung sind die (weiterhin teils dürftige) soziale Betreuung und die Beschulung von Kindern zentrale Aufgaben des Landkreises. Bisher gibt es an den Berufsschulen rund 80 Schülerinnen und Schüler mit geringen Deutschkenntnissen, die in speziellen Klassen unterrichtet und von Schulsozialarbeitern betreut werden.

Besondere Betreuung benötigen natürlich die rund 50 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Landkreis, die von jenem städtischen Jugendamt betreut werden, in dessen Zuständigkeitsbereich sie aufgegriffen wurden. Stadt und Landkreis Konstanz fordern vom Land einhellig die gleichmäßige Verteilung dieser besonders Betroffenen auf alle Landkreise und Kommunen, denn die Gebietskörperschaften im Grenzbereich übernehmen bisher die Verantwortung für diese Flüchtlinge, ohne dabei Unterstützung anderer Kommunen oder Landkreise zu finden.

Eine Crux des bundesdeutschen Föderalismus zeigt sich in der Antwort des Landratsamtes sehr deutlich: Bund bzw. Land weisen Kreisen und Kommunen Aufgaben zu, denen sie teils kaum gewachsen sind und für die sie keine ausreichenden Mittel erhalten. Natürlich ist der Anstieg der Zahl der Asylsuchenden rasant und kommt teils unerwartet, aber es ist letztlich auch eine Frage des politischen Willens der Beteiligten in Bund, Ländern und Gemeinden, schnell Geld für humane Lösungen bereitzustellen. Wo Millionen für Konstanzer Konzerthallen oder die Elbphilharmonie, für Olympiabewerbungen, Stadtschlossreplikate und Fußballstadien nur so sprudeln, sind ein paar Quadratmeter für einen Flüchtling nicht ernsthaft eine Frage des Geldes, sondern des Willens. Vergessen wir dabei nicht, dass viele dieser Flüchtlinge unter anderem Opfer einer Politik sind, die unsere Freiheit an Hindukusch und Tigris verteidigen zu müssen glaubt.