Monats-Archive: September 2014

Es fährt ein Zug nach nirgendwo …

Geplante BahnhofsüberführungDer Kreuzlinger Bahnhof lässt die Konstanzer vor Neid erblassen: Eine barrierefreie Anlage mit großzügiger Unterführung schmückt die kleine Nachbarstadt. Der Konstanzer Bahnhof hingegen ist in einem katastrophalen Zustand, doch das soll sich in den nächsten fünf Jahren ändern, hofft der Gemeinderat. Zumindest der neue Baudezernent verbreitet gekonnt „Null-Problemo“-Atmosphäre. Da kann man nur hoffen, dass er Recht behält.

Der Leiter des Konstanzer Bauderzenats Karl Langensteiner-Schönborn schafft es immer wieder, mit seinem jugendlichen Charme und seiner ebenso aufgeweckten wie verbindlichen Art Vertrauen bei den Gemeinderätinnen und -räten zu schaffen. Und so versprach er denn am Donnerstag vor dem Gemeinderat den Konstanzerinnen und Konstanzern einen barrierefreien Bahnhof bis 2019, also zu dem Zeitpunkt, an dem die finanzielle Förderung durch das Bahnhofsmodernisierungsprogramm Baden-Württemberg auslaufen soll. Außerdem überbrachte er dem Volk die gute Nachricht, dass der bisherige Notübergang am Schweizer Bahnhof, an dem mobilitätseingeschränkten Menschen ein Überqueren der Gleise in Begleitung von Bahnpersonal möglich ist, bis Dezember 2018 bestehen bleiben soll. Ziemlich sicher jedenfalls, denn sollten, und darauf wies Heinrich Fuchs (CDU) hin, bereits vorher die Bahnsteige erhöht werden, um ein barrierefreies Aus- und Einsteigen zu ermöglichen, ist es mit dieser eher vorsintflutlichen Notlösung natürlich sofort vorbei.

Barrierefrei bis 2019?

Karl Langensteiner-Schönborn hat sich die Latte verdammt hoch gelegt, denn wie die Lösung für den Bahnhof aussehen soll, was dort überhaupt gebaut werden darf und wie viel Geld die Bahn dazu gibt – all das steht noch in den Sternen. Die Bahn selbst ist dem Vernehmen nach kein hilfreicher Partner, sondern unwillig, für weniger spektakuläre Projekte in der Provinz Geld in die Hand zu nehmen oder wenigstens schnell eine einvernehmliche Lösung auszuarbeiten.

Ursprünglich sollte, und daran erinnerte Verkehrsexperte Jürgen Ruff (SPD), eine gänzlich neue, großzügige Unterführung von der Bahnhofstraße bis zum See mit barrierefreien Aufgängen zu den Bahnsteigen das Problem lösen. Nachdem das Baudezernat mittlerweile die Kosten für diese Lösung auf bis zu 20 Millionen Euro schätzt, gilt diese eleganteste Lösung aber als gestorben. Die Vorlage allerdings lässt vermuten, dass es nicht nur sachliche Aspekte sind, die gegen diese Lösung sprechen, sondern auch politische Entscheidungen, denn nur bei dieser Alternative ist von einem Risikozuschlag in Höhe von mindestens 10 % und einer Steigerung der Baukosten bis zum Baubeginn sowie möglichen Schäden an den umliegenden Gebäuden die Rede. Holger Reile (LLK) erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass der Oberbürgermeister das Geld für diese Lösung wohl statt dessen für sein Kongress- und Konzerthaus verwenden wolle und wies noch einmal darauf hin, dass sich die Bahn in dieser ganzen Angelegenheit bisher aus der Verantwortung gestohlen habe.

Fahrstühle zum finanziellen Schafott?

Tatsächlich genehmigt ist bisher nur ein möglicher Aufzug an der Bodanbrücke zwischen Bahnhof und Largo, aber auch hier findet die Verwaltung Haare in der Suppe: „Gemäß des bestehenden Bau-, Betriebs- und Finanzierungsvertrags mit der DB Station & Service aus dem Jahr 2009 trägt die Stadt sämtliche Kosten der Maßnahme. Also auch jene, welche durch Betriebserschwernisse während der Bauzeit anfallen würden (Langsamfahrstellen, Gleissperren [usw.]). Ein direkt im Baufeld verlaufendes Steuerungskabel der SBB und dessen erforderliche Umlegung sind bei der Aufzählung noch gar nicht erfasst. Eine vorliegende Kostenschätzung geht aktuell von entstehenden Kosten von 1,25 Mio. € für den Bau eines Aufzuges aus.“

Auch die Verbreiterung der bisherigen Unterführung nebst Einbau zweier Fahrstühle für den Zugang zu den Gleisen ist nicht mehr Favorit, weil man hier inzwischen Probleme bei der Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt und Riesenkosten fürchtet.

Was kostet eigentlich der „Steg“?

Offensichtlich gibt es all diese Probleme und Risiken gerade bei der üppigsten aller Alternativen nicht, dem neu in die Runde geworfen „Steg“, einer Art Plattform, die nicht nur als Brücke fungiert, sondern auch Platz für Cafés bietet und sieben Meter über den Gleisen vom Bahnhofsgebäude bis zum See reichen soll. Dazu soll dieser Steg barrierefreie Rampenaufgänge im Bereich neben dem Bahnhofsgebäude und Fahrstühle auf den Bahnsteig mit den Gleisen 2+3 bekommen. Und siehe da, bei dieser größtmöglichen aller vorgeschlagenen Lösungen, die auf eine Teilüberbauung des Konstanzer Bahnhofes hinausläuft, ist auf einmal nicht mehr von Kosten, Genehmigungsverfahren und ähnlichem die Rede, und auf kritische Nachfragen stellt der Dezernent den reinen Ideencharakter des Steges heraus, den man als möglichen Trumpf im Ärmel behalten müsse.

Auf einmal bekamen selbst sonst eher visionär veranlagte Gemeinderätinnen und -räte ein wenig kalte Füße angesichts dieses Wolkenkuckucksheimes, das sichtlich von den neulich vorgestellten Europan-Plänen zur Umgestaltung des Bahn- und Grenzgebietes etwa durch eine Überbauung der Abstellgleise mit einem Konzert- und Theatersaal inspiriert ist. Fachmann Johann Hartwich (FDP) riet dem Baudezernenten dringend, jede Überlegung sofort mit der Bahn zu besprechen, ehe man Geld in eine exaktere Planung stecke, denn die Bahn sei unberechenbar und ihre Mühlen mahlten verdammt langsam. In seinen Worten schwang Skepsis mit, dass ein solches Projekt bis 2019 zu verwirklichen sei. Auch Michael Fendrich (FDP), der dem Projekt Charme attestierte, wies auf einige gewichtige Einwände gegen diese Großlösung hin: Für den Steg und seine Aufgänge benötige man die Grundstücke vom Schweizer Bahnhof bis zur Ladenzeile, und da müsse man erst die Besitzverhältnisse klären.

WORTLAUT: Reile zum Bahnhofsteg

Es geht nichts über Erkenntnisgewinn: Spätestens seit dem Studium dieser Vorlage weiß ich nun, was mit dem Begriff „Verschiebebahnhof“ gemeint ist. Diesbezüglich erwirbt sich die Touristenmetropole Konstanz bundesweit ein unehrenhaftes und rundweg peinliches Alleinstellungsmerkmal. Dieser verluderte Bahnhof ist ein Schandfleck. Beispiele dafür kann man jeden Tag miterleben: Fluchende Passagiere, die sich mit ihrem Gepäck durch die muffigen Unterführungen quetschen – Kinderwagen, die nicht weiterkommen – Mobilitätseingeschränkte, die nur mit Hilfe anderer eine Chance haben, ihren Zug zu erreichen – Ein Transportband, das fast nie funktioniert und bestenfalls als Attrappe bezeichnet werden kann – eine Toilette, die man wegen Seuchengefahr besser sofort zusperren sollte – undsoweiterundsofort.

Richtig, das alles kann man keineswegs unserer Verwaltung in die Schuhe schieben, auch wenn sie bisweilen die ein- oder andere falsche Entscheidung getroffen hat. Es ist die Bahn, die hier eine Bringschuld einzulösen hat. Sie hat sich in der Vergangenheit als äußerst schwieriger und auch unangenehmer Verhandlungspartner erwiesen. Die Bahn will Milliarden in Stuttgart versenken, aber der Wunsch nach einer überfälligen Modernisierung der ebenfalls verlotterten Regionalbahnhöfe wird auf eine harte Probe gestellt und bewegt sich im unteren Schneckentempo.

Zu der Vorlage: Bis dato war auch ich der Meinung, wir sollten das Vorhaben streichen, an der Kurt-Werner-Gedächtnisbrücke am Bodansteg einen Aufzug zu errichten. Mittlerweile aber glaube ich, dieser Plan könnte trotz langer Wege vielleicht doch eine Option sein – vor allem deshalb, weil die uns angebotene und von einer Mehrheit favorisierte Lösung eines sogenannten Stegs reichlich abenteuerlich daher kommt. Aber dazu später…

Ihren Vorschlag, die vom Rat einst mit Mehrheit beschlossene barrierefreie Personenunterführung auf halber Strecke verhungern zu lassen, unterstützen wir nicht. Die Argumente scheinen uns fragwürdig und wenig überzeugend. Im Ausschuss letzte Woche erklärte ein Kollege, er sei nun gegen eine Unterführung, weil sie so eng sei und man beim Betreten derselben das Ende nicht sehen könne. Aha – ich frage mich nur, was macht der Mann, wenn er bei seiner Urlaubsfahrt Richtung Süden vor dem Gotthard-Tunnel steht. Es ist mir neu, dass wir ab sofort unsere Planungen an klaustrophobischen Befindlichkeiten ausrichten.

Ganz im Ernst, Kolleginnen und Kollegen: Plötzlich explodieren im Fall der Unterführung fast täglich die Kosten – von mindestens 20 Millionen Euro ist die Rede – und allerlei Risikofaktoren werden in den grellsten Farben an die Wand gemalt. Rund 250 000 Euro wurden in die Vorplanungen schon investiert, das sollten wir nicht vergessen. Und es ist nicht nur ein Verdacht, sondern Fakt, dass Oberbürgermeister Burchardt schon mehrmals erklärt hat, die Kosten für eine Unterführung würde er gerne einsparen, denn er brauche die Kohle für ein Projekt am Seerhein, das angeblich ein Haus für alle Konstanzerinnen und Konstanzer werden soll. Da werden wir sicher noch mit unangenehmen Überraschungen konfrontiert, die sich heute schon anbahnen. Aber das nur nebenbei.

Nun also ein Steg, wie es in der Vorlage verniedlichend heißt. Nennen wir es doch ehrlicherweise eine überdimensionierte Brücke, die die Ausmaße eines Hubschrauberlandeplatzes aufweist und ziemlich sicher das Stadtbild verschandeln wird. Als Brückenbauer haben wir uns ja in der Vergangenheit nachweislich keine Meriten erworben. Von Cafes und ähnlichem obendrauf wird schwadroniert und auch davon, dass man dann so herrlich auf den See blicken könne. Streichen wir doch bitte dieses bemühte Pathos und stellen besser fest: Uns liegen keine Zahlen vor, was diese Brücke in etwa kosten wird, deren Bau sich ebenfalls jahrelang hinziehen würde. Von Investoren ist in der Vorlage die Rede – wer sollen die sein? Wurden schon Gespräche geführt und wenn ja, mit wem und mit welchem Ausgang? Wir bitten um Öffnung dieser Wundertüte, deren Inhalt uns vage, kryptisch, nebulös und schwammig erscheint. Kurz und schlecht: Mit dieser Idee können und wollen wir uns nicht anfreunden und werden ihr auch nicht zustimmen.

Unserer Meinung nach bleibt eine Lösung, die sicher auch nicht ideal ist, aber schneller und weitaus günstiger umzusetzen wäre: Ich meine die Aufzüge direkt im Bahnhof. Eine Möglichkeit, die sogar die DB vorschlägt und über die das Eisenbahnbundesamt noch nicht den Stab gebrochen hat. Die Umsetzung würde dazu führen, wofür wir alle immer plädieren: Stichwort Barrierefreiheit. Jetzt erneut mehrere Jahre zuzuwarten und lieber in Wolkenkuckucksheimen zu versinken, würde dem Konstanzer Verschiebebahnhof ein weiteres Negativkapitel bescheren. Und genau das sollten wir uns ersparen.

Wir bitten bei diesem Punkt um getrennte Abstimmung.

Ist der Dezernent ein Luftikus?

Der Baudezernent jedenfalls war auch am Ende der Debatte optimistisch, dass bis 2019 eine Lösung zu verwirklichen sei, welche auch immer. Nach seinen Angaben ist die Bahn bereit, den Schweizer Bahnhof zu verkaufen, will aber die Ladenzeile selbst entwickeln, was wohl meint, dass man die Aufgänge zu einem Steg auf dem Gelände des Schweizer Bahnhofes errichten könne. Er hat am 1.10. einen Termin mit der Bahn und will dabei die möglichen Alternativen sowie erste konkrete Schritte wie die Erhöhung der Bahnsteige besprechen.

Alle allerdings konnte sein Optimismus nicht anstecken, denn Langensteiner-Schönborn blieb bei seinen Ausführungen auffällig stark im Ungefähren. Er konnte bestimmte Kosten nur sehr ungenau angeben, obwohl sie ihm schwarz auf weiß vorlagen, und fing sich dafür einen Rüffel aus den Reihen der Grünen ein. Und so manchen Gemeinderätinnen und -räten, die das langjährige zermürbende Tauziehen mit der Bahn miterlebt haben, schien Langensteiner-Schönborn denn doch deutlich zu blauäugig und zu wenig konkret an diese Riesenaufgabe heranzugehen. Wenn er es tatsächlich schafft, bis 2019 einen barrierefreien Bahnhof hinzustellen, hat er alle Chancen zum Helden. Aber allzu lange darf er sich nicht mehr auf dem Vertrauensvorschuss ausruhen, denn sonst könnte der Eindruck aufkommen, er sei vielleicht auch nur ein ausgemachter Luftikus, der den Verhinderungsprofis von der Bahn gegenüber chancenlos ist. Er muss jetzt auf jeden Fall ziemlich schnell Butter bei die Fische bringen, sonst könnte es für ihn bald ungemütlich werden.

O. Pugliese

Konstanzer Bündnis gegen Freihandelsabkommen lädt ein: „Warum wir TTIP verhindern müssen“

TTIP: Keine Geschenke für Monsanto, Siemens, BASF & CoSeit 2013 verhandeln die US-Regierung und die EU-Kommission über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen TTIP. Die Verhandlun­gen laufen geheim, die Parlamente werden nur un­genügend informiert und haben wenig zu sagen. Da es kaum noch Zölle zwischen den USA und den EU-Staaten gibt, geht es vor allem um die Beseitigung von sogenannt nichttarifären Handelshemmnissen. Damit sind Umweltschutzregeln, Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit, Sozial- und Arbeitsstan­dards, die Regulierung der Finanzmärkte, die Kenn­zeichnung von Produkten und andere Bestimmun­gen gemeint.

Verhandlungen über ein ähnliches Abkommen mit Kanada (CETA) hat die EU bereits abgeschlossen und ebenfalls hinter verschlossenen Türen sprechen derzeit VertreterInnen der EU, der USA und zwanzig weiterer Staaten über ein Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen (TISA). Dabei geht es um die Privatisierung aller öffentlichen Dienste wie Trinkwasser, Bildung, Gesundheits- und Energieversorgung.
Ohne Widerstand von unten sind TTIP, CETA und TISA nicht zu verhindern. Dass es Opposition gibt, zeigen die weit über 700.000 Unterschriften, die bislang allein in Deutschland gegen TTIP zusam­menkamen. Auch im Kreis Konstanz hat sich ein regionales Bündnis zusammengefunden, das sich gegen die Abkommen wehrt. Dazu sind in den kommenden Wochen Aktionen, Infostände und Veranstaltungen in der Region geplant.

Den Auftakt macht am 30. September eine Informationsveranstaltung, auf der mehrere Referenten über die drohenden Folgen für die Bevölkerung im Fall der Umsetzung der transatlantischen Freihandelspläne berichten werden. Auf dem Podium unter anderem die Bundestagsabgeordnete Karin Binder (DIE LINKE), der Schriftsteller Jochen Kelter, Eberhard Koch vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie der Journalist Pit Wuhrer.


Warum wir TTIP verhindern müssen
Veranstaltung des Konstanzer Bündnisses gegen TTIP, CETA und TISA
Dienstag, 30. September, 19 Uhr, Konstanz, Treffpunkt Petershausen


Das Bündnis hat einen Flyer veröffentlicht, der hier heruntergeladen werden kann.

Immer mehr Kinder und Jugendliche fliehen nach Konstanz

Save me - Flüchtlinge aufnehmenDas Elend vor allem in den Ländern des Nahen Ostens wie Irak und Syrien ist mittlerweile auch bei uns angekommen. Besonders hart trifft es unbegleitete Minderjährige, die entweder aus eigenem Antrieb oder auf Initiative ihrer Familie allein den Weg über das Mittelmeer und die grüne Grenze nach Konstanz einschlagen. Aber es fehlt hierzulande an Aufnahme- und Betreuungsmöglichkeiten, und die Grenzgemeinden fühlen sich im Stich gelassen, wie in der Gemeinderatssitzung am Donnerstag deutlich wurde.

Die Sitzungsvorlage lässt die Dimension der menschlichen Tragödie, die sich (auch durch eine verfehlte Politik westlicher Länder) Tag für Tag abspielt, erahnen: „Je nach Alter und Herkunft sind die Motive für die Einreise unterschiedlich. Während jüngere Kinder von Eltern bewusst aus Krisengebieten in Sicherheit gebracht werden, desertieren männliche Jugendliche oft aus konkreten Kriegshandlungen oder vor Zwangsrekrutierungen. In Deutschland war das Phänomen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge über viele Jahre begrenzt auf Großstädte und Ballungsräume. In ländlichen Gebieten ohne internationalen Flughafen war die Notversorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bis vor ca. 3-4 Jahren eine Randerscheinung. Seit dem Jahreswechsel 2013/2014 sehen sich die Stadt und der Landkreis Konstanz Einreisezahlen gegenüber, die bei gleichbleibender Entwicklung bis zum Jahresende 2014 eine 20- bis 30-fache Steigerung der bisherigen Fallzahlen bedeuten würde.“ Nach Angaben von Ute Seifried, der Leiterin des Sozial- und Jugendamtes, werden im Jahr 2014 bereits über 100 unbegleitete Minderjährige im Kreis Konstanz erwartet, „Der Irak geht – bedingt durch den Terror dort – auf Wanderschaft,“ sagte sie und berichtete sichtlich bewegt von ein- und zweijährigen Kindern, die von Schleppern nach Konstanz gebracht wurden.

Betreuung ist nötig

Das Jugendamt fühlt sich schon seit geraumer Zeit massiv überlastet, denn diese Jugendlichen benötigen nicht nur eine Unterkunft, die allein schon schwierig zu finden ist, sondern sind oft durch Erlebnisse zuhause und auf der Flucht sowie durch die Trennung von den Eltern traumatisiert. Außerdem leiden sie oft unter Krankheiten und sind der hiesigen Sprachen unkundig. Eine normale Pflegefamilie ist für solche Minderjährigen keine Lösung, denn sie müssen in dieser fürchterlichen Situation durch Fachkräfte betreut werden, sofern sie keine Verwandten in Deutschland haben. Bisher konnte in Zusammenarbeit mit dem Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf Wahlwies eine Lösung gefunden und auch die nächtliche Notaufnahme der von der Polizei Aufgegriffenen dank einer speziellen Wohngruppe „Refugium“ weitgehend sichergestellt werden. „Bereits mit der Unterbringung im ‚Refugium’ beginnt,“ so Ute Seifried, „eine zeitintensive und zunehmend aussichtslose landesweite Suche nach einem geeigneten Platz für eine Folge-Unterbringung.“

Die in Sachen Kinder und Jugendliche sehr rührige Gabriele Weiner (FWK) forderte für diese Jugendlichen eine längere Duldung als bisher, denn derzeit müssen sie Weiners Angaben nach alle drei Monate einen neuen Antrag stellen. Außerdem sprach sie sich dafür aus, den betreffenden Kindern und Jugendlichen in dieser für ihr ganzes späteres Leben prägenden Phase eine Zukunftsperspektiven in Schule und Ausbildung zu eröffnen. Sehr engagiert ist bei dieser Thematik stets auch Zahide Sarikas (SPD), die daran erinnerte, dass Deutschland direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich größere Flüchtlingsströme aufgenommen hat, und anklingen ließ, wie verzweifelt eine Mutter sein muss, die ihre Kleinkinder einem Schlepper übergibt.

Mehr Personal fürs Jugendamt

Anke Schwede (LLK) forderte als Konsequenz eine bessere personelle Ausstattung des Jugendamtes. „Ein Problem sehen wir darin, dass sich die Jugendämter seit einiger Zeit mit immer mehr Aufgaben konfrontiert sehen, was die Frage des Kinderschutzes angeht. Also müssen die Jugendämter personell und infrastrukturell besser ausgestattet werden. Darüber hinaus halten wir angesichts der hohen Flüchtlingszahlen Konzepte für eine menschenwürdige Asylpolitik für vordringlich. Kernpunkt eines solchen Konzepts muss die Bereitstellung von ausreichend Mitteln im Kreishaushalt und den kommunalen Haushalten sein, um die Bedürftigen adäquat unterzubringen – und zwar dezentral in Wohnungen und nicht in lagerähnlichen Unterkünften“.

Für einmal waren sich alle im Gemeinderätinnen und –räte einig, dass der jetzige Zustand unhaltbar ist, und Einigkeit herrschte selbst in der Gretchenfrage, wer das alles bezahlen soll. Das Problem besteht aus Sicht der Stadt Konstanz derzeit vor allem darin, dass die finanziellen und organisatorischen Lasten der Aufnahme und Betreuung bei Stadt und Kreis Konstanz verbleiben und sich weder andere (weniger betroffene) Kommunen noch Bund oder Land angemessen an den Aufgaben und Kosten beteiligen. Daher beschloss der Gemeinderat einstimmig eine Resolution, die die drei Konstanzer Landtagsabgeordneten in den Landtag einbringen sollen.

WORTLAUT: Schwede zur Gemeinderats-Resolution wegen der Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Die Linke Liste Konstanz wird der vorgelegten Resolution zustimmen. Wir sehen, dass das Jugendamt mit der Betreuung der immens gestiegenen Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen überlastet ist. In diesem Zusammenhang halten wir es für sinnvoll, dass die Jugendlichen in größeren Städten und Gemeinden mit guter ÖPNV-Anbindung sowie zufriedenstellenden Bildungs- und Freizeitangeboten untergebracht werden. Also nicht in Orsingen-Nenzingen oder Büsingen, sondern eher in Radolfzell oder Stockach. Gut vorstellen können wir uns auch die Unterbringung der Betroffenen in Wohngruppen oder Wohngemeinschaften.

Ein Problem sehen wir darin, dass sich die Jugendämter seit einiger Zeit mit immer mehr Aufgaben konfrontiert sehen, gerade was die Frage des Kinderschutzes angeht. Ich denke wir sind uns darüber einig, dass das Kindes- und Jugendlichenwohl an erster Stelle steht. Also müssen die Jugendämter – die das durchsetzen sollen – entsprechend personell und infrastrukturell ausgestattet werden.

Darüber hinaus halten wir angesichts der hohen Flüchtlingszahlen Konzepte für eine menschenwürdige Asylpolitik für vordringlich. Wir schlagen deshalb die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Vertretern von Landkreis und Kommunen vor, die sich auf bindende flüchtlingspolitische Eckpunkte verständigt. Kernpunkt eines solchen Konzepts muss die Bereitstellung von ausreichend Mitteln im Kreishaushalt und den kommunalen Haushalten sein, um die Hilfebedürftigen adäquat unterzubringen – und zwar dezentral in Wohnungen und nicht in lagerähnlichen Unterkünften. Notwendig sind darüber hinaus alle Maßnahmen, die die Integration der Flüchtlinge in ihre neue Umgebung fördern. Sie müssen die Chance erhalten, auf eigenen Beinen zu stehen, d. h. dass die Flüchtlinge einer Arbeit nachgehen und ihre Kinder die Schule besuchen können.

Noch ein Wort zu dem Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden. Es ist unumgänglich, dass Bundes- und Landesregierung die Kommunen, die die Hauptlast der Unterbringung tragen, stärker unterstützen. Dem am 17.9. veröffentlichten Appell des Deutschen Städtetags an Bund und Länder „alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu entlasten und damit ihrer Verantwortung stärker als bisher gerecht zu werden“, ist nicht hinzuzufügen.

Auch Bund und Land sind gefragt

Die Landesregierung wird in dieser Resolution gebeten, durch eine Bundesratsinitiative die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge nach dem für die erwachsenen Flüchtlinge gültigen Schlüssel im Land Baden-Württemberg gleichmäßig auf alle Städte und Landkreise verteilt werden können, was derzeit nicht der Fall ist, da die Gemeinde zuständig ist, in der die Kinder und Jugendlichen ankommen. „Nur eine ausgeglichene Verteilung, gepaart mit einer gemeinsamen Anstrengung aller Städte und Landkreise, eröffnet den jungen Menschen eine ausreichend gute Lebensperspektive.“

Es ist natürlich beschämend, dass es in Deutschland nötig ist, für eine adäquate Versorgung der Ärmsten der Armen, die irgendwie die EU-Grenzen überwunden und anders als viele ihrer Leidensgefährtinnen und -gefährten die Flucht überlebt haben, Resolutionen zu beschließen, weil Bund, Land und viele nicht betroffene Kommunen versuchen, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Es ist die alte föderale Leier: Den Kommunen werden Aufgaben zugewiesen, denen sie allein kaum gewachsen sind, und dann lässt man sie im Regen stehen – selbst wenn’s am Ende womöglich die Flüchtlinge ausbaden müssen.

O. Pugliese

Finanzierung der Gemeinschaftsschule: Stadt contra Land

Schule: denken erlaubt Dass Kommune und Land sich nicht grün sind, ist nicht ungewöhnlich, denn Geld stinkt zwar nicht, die Frage der Finanzierung öffentlicher Projekte entzweit aber immer wieder die Beteiligten. Zwischen der Stadt Konstanz und dem Land geht es derzeit etwa um die Förderung der gymnasialen Oberstufe an der Gemeinschaftsschule Gebhard, bei der sich das Land knauserig zeigt. Außerdem berichtete der OB in der gestrigen Gemeinderatssitzung bereits aus der anschließenden nichtöffentlichen Sitzung.

Dass ein Preis die Preisträgerinnen und Preisträger ebenso ehren sollen wie den, der sie vergibt, ist eine Binsenweisheit – ebenso dass aus gerade diesem Grunde die meisten Preise völlig überflüssig sind, weil der Kreis der Preisträger, um die sich die Preisverteiler reißen, um so kleiner wird, je angesehener der Preis ist, und am Ende immer dieselben Promis zum Zuge kommen. Wenn es etwa um die Auszeichnung von Verdiensten um die europäische Einigung geht, wird die Auswahl schon richtig eng, sofern Renommee, Medieninteresse oder Preisgeld stimmen – das beste Beispiel dafür ist der Aachener Karlspreis.

Karlspreis auf konstanzerisch?

Rein klanglich ist es durchaus naheliegend, dass der Name „Konzilspreis“ an den ähnlich benannten Karlspreis erinnern soll. Diesen Preis jedenfalls plant die Stadt Konstanz nach Angaben von Oberbürgermeister Uli Burchardt seit einiger Zeit insgeheim in nichtöffentlichen Sitzungen. Man darf getrost vermuten, dass er ähnlich sinnlos ist wie der Karlspreis, kann sich in Zukunft aber immerhin noch eines Besseren belehren lassen. Kennzeichnend ist allein schon, dass dieser Konstanzer Preis erstmals 2015, also im 2. Jahr der Konzilfeierlichkeiten, vergeben werden soll, was schwer danach klingt, als hätten die Stadt Konstanz und ihre Konzilsplanungstruppe das Ding schlicht verpennt. Zusammen mit Landesausstellung und Briefmarke der Bundespost hätte sich der Preis zu Beginn des Konziljubiläums vielleicht noch einer gewissen medialen Aufmerksamkeit erfreuen dürfen, wenn man denn zumindest etwa Angela Merkel, Hans-Dietrich Genscher, Galileo Galilei oder Konrad Adenauer als Preisträger hätte gewinnen können. Aber so, im zweiten Jahr?

Nun, nichts Genaues weiß man nicht, denn die Angelegenheit stand nicht auf der öffentlichen Tagesordnung, sondern sollte anschließend wieder einmal nichtöffentlich behandelt werden, aber der Oberbürgermeister fühlte sich trotzdem zu einer Erklärung für das gemeine Volk bemüßigt. Immerhin, so viel Transparenz muss wohl sein, gab er öffentlich den Grund für die nichtöffentliche Behandlung zum Besten: Die Planung für den Preis „für Begegnung und Dialog in Europa“ sei noch nicht abgeschlossen, und so halbfertig gehöre die Planung für den Preis noch nicht an die Öffentlichkeit. Mit dieser Äußerung hat der OB die Nichtöffentlichkeit jedenfalls erfolgreich wieder hergestellt. Als Wähler fragt man sich aber vor allem, was denn da noch alles und weshalb nichtöffentlich verhandelt wird, wenn schon ein derartiger – mit Verlaub – Mumpitz wie die Einrichtung eines solchen Preises als Haupt- und Staatsgeheimnis behandelt werden sollte.

Konstanz will Schule machen

Die Anstrengungen der Stadt Konstanz in Sachen Gemeinschaftsschule sind in der Tat äußerst lobenswert, und die Stadt tut wirklich viel, um dem Wunsch der Eltern nach dieser relativ neuen Schulform nachzukommen. Allerdings ist die Stadt, so Oberbürgermeister Uli Burchardt, ziemlich enttäuscht vom Land, von dem sie sich für die Gemeinschaftsschule Gebhard eine Million Euro mehr versprochen hat und den Eindruck gewinnen musste, sie werde finanziell im Regen stehen gelassen, obwohl sie gerade die größte und beste Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg errichte. „Aber wir müssen jetzt mit dem Ausbau der Gemeinschaftsschule weitermachen, weil das sonst zu Lasten der Kinder ginge, aber dass wir unter diesem Zwang stehen, das wissen die anderen auch“. Wobei mit „die anderen“ die Landesregierung gemeint ist, die die Hände in den Schoß legen und den Geldbeutel verschlossen lassen kann, da Konstanz diese Gemeinschaftsschule ohnehin errichten wird.

Die Debatte über die Förderung der Schule durch das Land geriet zum Lehrstück in Sachen Politik, denn immerhin geht es hier um einen Dissenz zwischen der Stadt Konstanz und der rot-grünen Landesregierung, so dass Grüne (FGL) und SPD sich erwartungsgemäß ziemlich winden müssen, wenn es darum geht, die Knauserigkeit des Landes angemessen zu geißeln, denn immerhin regieren sie im Land (auch wenn das etwa in der Flüchtlingspolitik niemand merkt).

Die CDU hat da freiere Hand: Stand sie ursprünglich der Gemeinschaftsschule als Ausbund sozialistischer Gleichmacherei feindlich gegenüber, forderte jetzt selbst Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) das Land auf, dieses „Vorzeigeprojekt“ als Präzedenzfall verbindlich zu unterstützen. Heinrich Everke (FDP) hingegen sah in diesem Streit um Geld eher einen handwerklichen Fehler seitens der Konstanzer Verwaltung, denn selbst ein Sportverein in der Provinz, der ein paar Duschen einbauen wolle, kläre vorher ab, welche Fördermittel er definitiv zu erwarten habe, und das sei hier offensichtlich nicht geschehen. Er sagte auch, er selbst habe als Gemeinderat vorher nicht gewusst, dass die gymnasiale Oberstufe, um deren Räume an der Gemeinschaftsschule Gebhard es hier ging, vom Land nicht zwingend gefördert wird. Das wiederum sei ein handwerklicher Fehler von Everke gewesen, denn er habe wohl damals vor der Abstimmung über den Neubau der Schule die Sitzungsunterlagen nicht richtig gelesen, warf ihm Bürgermeister Andreas Osner vor; in den Unterlagen habe ausdrücklich gestanden, dass die gymnasiale Oberstufe vom Land nicht gefördert werde, und Everke habe damals trotzdem zugestimmt, also könne er jetzt der Verwaltung keine Vorwürfe machen. Allerdings wolle Konstanz eine Sonder- und Ausnahmeregelung und werde nicht nachlassen, denn der stete Tropfen höhle den Stein, sprich: Jetzt werden wir mal schauen, ob wir die Landesregierung nicht doch noch mürbe machen können und am Ende unsere Million kriegen.

Aber das alles waren Nebenscharmützel. Wenn an diesem Abend eine Person die allumfassende dialektische Welterklärung auf Lager hatte, war es Hanna Binder (SPD), die aufgrund ihrer Nähe zur Landesregierung eine Kippvolte schlagen musste, was ihr auch mustergültig gelang. Um weder den Esel noch den Sack prügeln zu müssen, aber trotzdem auf der historisch richtigen Seite zu stehen, nahm sie in bester sozialdemokratischer Manier zu Geschichte und Gesetz Zuflucht: Die Stadt habe immer wieder Schulen, Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen gebaut, ohne dafür eine Förderung zu erhalten, also stehe diese gymnasiale Oberstufe in einer langen Tradition von der Stadt selbstfinanzierter Einrichtungen. Außerdem gebe es da auch noch die Gesetzesbindung der Landesverwaltung, und da es keinen gesetzlichen Zwang für die Landesregierung gebe, die Konstanzer Gemeinschaftsschule zu fördern, könne Konstanz auch nicht erwarten, irgendwelche Extrabrötchen gebacken zu bekommen. Außerdem sei das Problem schon viel früher entstanden, denn einen Mangel an Schulräumen gebe es in Konstanz schon lange. Darum wollte sie sich nicht darauf einlassen, das Land anzupumpen und als geizigen Buhmann dastehen zu lassen. Zugegeben, herrlichste Dialektik ist das schon und gibt daher zu denken: Vor 150 Jahren war die Geschichte noch auf der Seite der Sozialdemokraten und das Gesetz gegen sie. Heute sind die Sozialdemokraten für das Gesetz, und die Geschichte hat sie vergessen. Sage bloß niemand, die Zeiten seien besser geworden.

O. Pugliese

Das Gewerbe lässt im Gemeinderat murren

ParkverbotNachdem die Stadt Konstanz jahrelang großzügig Bewohnerparkgenehmigungen für Altstadt und Paradies nicht nur an Anwohner, sondern auch an Gewerbetreibende, Hotel- und Ferienwohnungsinhaber ausgab, will sie jetzt ihre Vergabepraxis restriktiver handhaben. Die CDU ließ diesen Punkt gestern von der Tagesordnung des Gemeinderates absetzen. Die geplante Debatte über den Synagogenneubau fiel hingegen dem jüdischen Neujahrsfest zum Opfer.

Manchmal ist auch durchaus interessant, was der Gemeinderat nicht debattiert. Dass es zwischen den beiden in Konstanz ansässigen jüdischen Gemeinden – der orthodoxen Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz (IKG) und der liberalen Jüdischen Gemeinde Konstanz (JGK) – kracht, ist ein offenes Geheimnis. Dieser Streit verhindert seit rund einem Jahrzehnt die Übertragung eines städtischen Grundstückes an der Sigismundstraße an die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG) als Bauherr der seit langem geplanten neuen Konstanzer Synagoge (seemoz berichtete ausführlich), da beide Parteien sich nicht über ihren Anteil an der Synagoge einigen können.

Prost Neujahr!

In der Gemeinderatssitzung am gestrigen Donnerstag sollten der Sachstand geklärt und alle drei Seiten gehört werden, aber während Minia Joneck von der JGK in den Gemeinderat gekommen war, hatten sowohl die IRG als auch die IKG auf den letzten Drücker abgesagt, da der Feiertag Rosch ha-Schana, der jüdische Neujahrstag, heuer auf den 25. September fiel. So wird sich der geplante Synagogenneubau in ein weiteres Jahr hineinschleppen, aber trotz aller Beteuerungen des Konstanzer Gemeinderates, jetzt sei das Ende der Fahnenstange erreicht, wird die Stadt Konstanz sich wohl auch weiter auf geduldiges Setzen immer wieder letzter Fristen beschränken. Holger Reile (Linke Liste) zeigte sich bass erstaunt über das Nichterscheinen der Vertreter der orthodoxen Richtung und sprach von einem wilden „Absurdistan“. Immerhin hat nach seinen Angaben noch am Tag zuvor der vorgesehene Bauträger, die IRG Baden, in einer Pressemitteilung wissen lassen, dass sie sich auf die Gemeinderatssitzung freue. Reiles Fazit: „Entweder hat man bei der jüdischen Dachorganisation nicht gewusst, dass heute ein jüdischer Feiertag ansteht – was ich mir nicht vorstellen kann – oder aber, und das kommt der Wahrheit wohl eher näher: Man ging davon aus, dass das Vorhaben von uns Gemeinderätinnen und –räten einfach durchgewunken und abgesegnet wird. Ich bin nicht mehr gewillt, weitere Warteschleifen zu drehen und unter Umständen wieder jahrelang vertröstet zu werden. Das Maß ist voll und ich beantrage hiermit, dass die Verwaltung umgehend über eine andere Nutzung des Geländes in der Sigismundstraße 8 – Stichwort Wohnungsbau – nachdenkt.“

WORTLAUT: Reile zum Thema Synagogenbau

Langsam, Kolleginnen und Kollegen, gleitet die ganze Angelegenheit in Richtung Absurdistan ab.
Seit rund 10 Jahren beschäftigt uns dieses Langzeitprojekt und wir warten lammfromm und fast schon devot darauf, dass sich endlich etwas tut. Und nun erneut eine Verschiebung. Wir hätten heute gerne von den Parteien gehört, wie sie die vorliegenden Pläne einschätzen und ob sie darin ihre Ansprüche wiederfinden. Die liberale Gemeinde hat trotz des jüdischen Feiertags zugesagt, die orthodoxe aus Glaubensgründen nun doch nicht.
Das verwundert, denn gestern hat der vorgesehene Bauträger, die IRG Baden, noch vollmundig in einer Pressemitteilung wissen lassen, dass sie sich – Zitat – „auf die heutige Gemeinderatssitzung freut“. Zitat Ende. Entweder hat man bei der jüdischen Dachorganisation nicht gewusst, dass heute ein jüdischer Feiertag ansteht – was ich mir nicht vorstellen kann – oder aber, und das kommt der Wahrheit wohl eher näher: Man ging davon aus, dass das Vorhaben von uns ohne Diskussion einfach durchgewunken und abgesegnet wird. Dem ist natürlich nicht so. Diese Pressemitteilung der IRG empfinde nicht nur ich als Versuch, uns unter Druck zu setzen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie, Herr Oberbürgermeister bitten, die IRG aufzufordern, derlei Beeinflussungsversuche im Vorfeld einer Entscheidung zu unterlassen. Denn diese Entscheidung trifft einzig und allein unser Rat und sonst niemand.
Ich bin nicht mehr gewillt, weitere Warteschleifen zu drehen und unter Umständen wieder jahrelang vertröstet zu werden. Das Maß ist voll und ich beantrage hiermit die Verwaltung, umgehend über eine andere Nutzung des Geländes – Stichwort Wohnungsbau – in der Sigismundstraße 8 nachzudenken.

Das Gewerbe macht Druck

Wenn der alte Fuchs Roger Tscheulin (CDU) in seinem unnachahmlich entspannt-näselnden Tonfall zum Satzende hin immer leiser und etwas tiefer säuselt, bis sein Satz in einem dahingehauchten Flüstern à la Gebet einer Jungfrau akustisch erstirbt, sollte der geübte Gemeinderatsbesucher aufmerken, zumal wenn Tscheulin kurz vor der Unhörbarkeit noch Worte wie „in den Ausschuss verweisen“ über seine sanften Lippen säuseln lässt. Dann leitet der CDU-Grande nämlich wieder einmal eine Attacke ein, die einen durchaus menschenfreundlichen Antrag auf dem Umweg über angeblichen zusätzlichen Klärungsbedarf schließlich killt, ohne dass das der Öffentlichkeit allzu sehr auffiele. Meisterhaft hat er so erst jüngst maßgeblich mitgeholfen, die geplante Regelung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zur Strecke zu bringen.

Auch gestern bediente er wieder treu sein Klientel – er nannte ausdrücklich das Gewerbe – als er bei der Verschärfung der Vergaberegeln für Bewohnerparkplätze in Niederburg und Paradies an dort nicht wohnhafte Gewerbetreibende eine Verlängerung bestehender Erlaubnisse um noch ein paar Monate forderte und weiteren Klärungsbedarf sah. Es schloss sich eine hinreichende Mehrheit seinem Antrag, die Angelegenheit in den Ausschuss zurückzuverweisen und dort zu klären, an, und so darf man getrost davon ausgehen, dass das Gewerbe sich bald über wesentlich gelockerte Regeln für Park-Ausnahmegenehmigungen freuen kann.

O. Pugliese

Konzept für die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen im Kreis dringend erforderlich

Flüchtlinge_willkommenWie andere Regionen auch bekommt der Landkreis Konstanz derzeit verstärkt eine der Folgen der globalen Krisen zu spüren. Die Zahl der Menschen aus aller Welt, die vor Kriegen, politischer und religiöser Verfolgung oder wirtschaftlichem Elend fliehen, steigt stetig an. Mehrere hundert Flüchtlinge hat es in unseren Landkreis verschlagen, mit weiteren ist zu rechnen. In dieser Situation ist es erforderlich, dass die Verantwortlichen endlich angemessen auf die steigende Zahl der Hilfesuchenden reagieren. Die gegenwärtige Praxis des zuständigen Landkreises und der Kommunen im Kreisgebiet vermittelt häufig ein Bild hilflosen Improvisierens. Darunter leiden nicht nur die betroffenen Flüchtlinge, es bietet auch rechten Kräften Angriffsflächen, die fremdenfeindliche Aversionen schüren wollen; so in Singen geschehen, wo Neonazis mit Flugblättern gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der Romeiastraße hetzten. Die jüngsten Äußerungen von Landrat Frank Hämmerle, der laut „Südkurier“ vom 19.9. unverblümt eine weitere Verschärfung des Asylrechts durch ein Zuwanderungsgesetz fordert und „verbindliche Quoten“ für Asylbewerber will, ist angesichts der internationalen Lage nicht nur zynisch, es ist auch Wasser auf die Mühlen fremdenfeindlicher Rattenfänger.

Der Hauptgrund dafür, dass immer mehr Menschen die Flucht aus ihrer Heimat als letzten Ausweg sehen, ist die ungerechte Verteilung gesellschaftlicher Reichtümer und der zunehmend mit kriegerischen Mitteln geführte Kampf um wirtschaftliche und politische Macht. Die westlichen Industriestaaten, darunter Deutschland, mischen dabei führend mit: Auch die Bundesrepublik liefert Waffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete und treibt damit viele Menschen zur Flucht. Auch die deutsche Wirtschaftspolitik verursacht Hunger und Unterversorgung in diesen Ländern. Schon allein deshalb hat unser Land die Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen. Doch dieser Verpflichtung wird es in keiner Weise gerecht. Aufgrund der Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl gelangt nur ein Bruchteil der Flüchtlinge nach Deutschland. Diejenigen, die es trotzdem geschafft haben, sehen sich nach geltender Rechtslage und Praxis mit zahlreichen Beschränkungen, einem unsicheren Aufenthaltsstatus und einer mangelhaften sozialen und medizinischen Versorgung konfrontiert. Wer nicht gleich wieder nach Hause abgeschoben wird, darf als „Geduldeter“ nicht arbeiten, sondern erhält Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die noch um 35 Prozent unter dem Niveau von Hartz IV liegen. Schutzsuchende werden zwangsweise in unwürdigen Massenunterkünften untergebracht.

DIE LINKE fordert dagegen angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen einen Paradigmenwechsel bei der Aufnahme von Asylsuchenden auf allen politischen Ebenen. Es muss Schluß sein mit der von der EU und Deutschland praktizierten Praxis der Abschottung und Abschreckung. Die Politik muss anerkennen, dass aufgrund der beunruhigenden Entwicklung weltweiter Konflikte Flüchtlinge auch langfristig in großer Zahl kommen. Deshalb sind Konzepte für eine menschenwürdige Asylpolitik schon längst überfällig. Dabei ist es vor allem erforderlich, dass Bundes- und Landesregierung endlich die Kommunen, die die Hauptlast für die Unterbringung tragen, stärker unterstützen. Der am 17.9. veröffentlichte Appell des Deutschen Städtetags an Bund und Länder, „alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu entlasten und damit ihrer Verantwortung stärker als bisher gerecht zu werden“, trifft den Nagel auf den Kopf.

Die Verantwortlichen im Kreisgebiet fordern wir auf, endlich ein Konzept zu entwickeln, das den hilfesuchenden Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Wir halten deshalb die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Vertretern von Landkreis und Kommunen für erforderlich, die sich auf bindende flüchtlingspolitische Eckpunkte verständigt.

Kernpunkt eines solchen Konzepts muss die Bereitstellung von ausreichend Mitteln im Kreishaushalt und den kommunalen Haushalten sein, um die Hilfebedürftigen menschenwürdig unterzubringen. Das vordringliches Ziel sollte darin bestehen, die Menschen dezentral in Wohnungen unterzubringen und nicht in lagerähnlichen Unterkünften zusammenzufassen, wie dies gegenwärtig oft geschieht. Notwendig sind darüberhinaus vor allem Maßnahmen, um die Integration der Flüchtlinge in ihre neue Umgebung zu fördern. Diese Menschen müssen die Chance erhalten, auf eigenen Beinen zu stehen. Wir fordern deshalb unter anderem die Einrichtung von Sprachkursen; außerdem sollen die zuständigen Behörden alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit die Flüchtlinge einer Arbeit nachgehen und ihre Kinder die Schule besuchen können.

Linke Liste Konstanz
DIE LINKE. Kreisverband Konstanz

Grüner Ministerpräsident Kretschmann hilft mit: Asylrecht weiter ausgehöhlt

KeinsicheresHerkunftslandRoma

Im Juli hatte die Regierungskoalition den Bundestag per Gesetz beschließen lassen, dass die Balkan-Staaten Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina künftig “sichere Herkunftsstaaten” sind. In Kraft treten konnte diese von Experten heftig kritisierte weitere Aushöhlung des Asylrechts jedoch erst nach der Zustimmung der Länderkammer. Und in der hing die Mehrheit an der Stimme Baden-Württembergs, immerhin von einem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann regiert. Der ist bei der entscheidenden Sitzung am Donnerstag nun prompt umgefallen und hat damit dafür gesorgt, dass deutsches Flüchtlingsrecht noch etwas unmenschlicher werden kann. Grün-Rot ist auf einen Deal mit der Bundesregierung eingegangen, die Kretschmann im Gegenzug Verbesserungen in der geltenden Praxis des Umgangs mit Flüchtlingen angeboten haben soll. Flüchtlingsorganisationen wie das “Freiburger Forum – aktiv gegen Ausgrenzung” nennen die Einigung einen “faulen Kompromiss”. Viele Flüchtlinge würden gar nicht von den Verbesserungen profitieren. Dies gelte insbesondere für Personen, die aus den angeblich sicheren Herkunftsstaaten geflohen sind. Die Landesregierung spiele damit Flüchtlinge gegeneinander aus: “Ein paar Verbesserungen für wenige, die anderen werden noch schneller abgeschoben”.

Das von allen wichtigen deutschen Flüchtlingshilfsorganisationen abgelehnte Gesetz richtet sich im Kern vor allem gegen die in ihren angeblich sicheren Heimatstaaten nachweislich drangsalierten und diskriminierten Roma. Schon jetzt werden Asylanträge von Personen aus den Balkanländern zu 99 Prozent abschlägig beschieden werden, doch das reicht den Regierungsbürokraten nicht aus. Sie wollen die kurzerhand zu “Wirtschaftsflüchtlingen” erklärten Hilfesuchenden künftig noch schneller abschieben lassen und so Kosten sparen. Die Regierungskoalition reagiert damit auch auf die gegenwärtig explosionsartig steigenden Flüchtlingszahlen aus anderen Weltregionen. “Wer lebend aus Aleppo herausgekommen ist, braucht unsere Hilfe dringender als Wirtschaftsflüchtlinge vom Balkan”, so der zynische Kommentar von CSU-Landesgruppenschefin Hasselfeldt dazu. Nicht die Tatsache, dass die Begleiterscheinungen kapitalistischen Wirtschaftens immer mehr Menschen zur Flucht vor Krieg, Verfolgung und Elend aus ihrer Heimat zwingt, treibt die Politiker um, sondern die Sorge um die damit für den deutschen Staat verbundenen Kosten.

Annette Groth, Bundestagsabgeordnete der Linken aus dem Bodenseekreis, hat zu der Entscheidung Kretschmanns Stellung genommen. Ihre Erklärung im Wortlaut: “Es ist beschämend, dass Ministerpräsident Kretschmann nach eigenen Worten im ‘Wissen um die Diskriminierung, Ausgrenzung und Drangsalierung’ der Roma-Minderheiten in den Balkanstaaten der faktischen Abschaffung eines fairen Asylverfahrens für diese verfolgte Minderheit zugestimmt hat. Mit seiner Zustimmung hat er ihr grundgesetzlich verankertes Recht auf Asyl in einer Art ‘Kuhhandel’ faktisch aufgegeben. Die Fraktion DIE LINKE wird dafür streiten, dass diese menschenrechtspolitische Fehlentscheidung schnellstmöglich zurückgenommen wird.

Ministerpräsident Kretschmann rechtfertigt seine Zustimmung mit ‘substantiellen Verbesserungen’ für hier lebende Flüchtlinge und der Zusage des Bundes für eine finanzielle Entlastung der Länder und Kommunen. Nach Angaben Kretschmanns hat die Bundesregierung ihm für seine Zustimmung folgende Angebote gemacht:
• Lockerung der Residenzpflicht, die die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen einschränkt (Wegfall erst nach dem 4. Monat Aufenthalt.
• Vorrang der Geldleistung statt Sachleistungen.
• Die Vorrangprüfung für Arbeitsangebote (Deutsche und EU-Bürger werden bisher bevorzugt eingestellt) soll in der Regel nach dem 15 Monat Aufenthalt entfallen.
• Die Bundesregierung erklärt ihre Verhandlungsbereitschaft zu Entlastungsmöglichkeiten für Kommunen.

Schaut man sich diese Angebote genauer an, bleibt nicht viel an ‘substanzieller Verbesserung’: Mehrere Bundesländer haben die Residenzpflicht in ihrem Bundesland schon lange ganz abgeschafft. Ebenso praktizieren immer mehr Landkreise inzwischen das Geldleistungsprinzip, das humaner und auch einfach vernünftiger ist. Gerade aber die Aufrechterhaltung der Vorrangprüfung auf bis zu 15 Monate wird die gleichzeitig verabschiedete Verkürzung des Beschäftigungsverbots auf drei Monate in der Praxis verhindern: Weiterhin wird die große Mehrheit der Flüchtlinge 15 Monate auf eine reale Chance auf dem Arbeitsmarkt warten müssen.

Das Einzige, was die Bundesregierung in Sachen Entlastung der Kommunen den grünen Verhandlungspartner angeboten hat, ist offenbar Ihre Bereitschaft, darüber zu verhandeln. So wundert es nicht, dass angesichts einer solchen mageren Bilanz selbst die andern drei Länder mit grüner Regierungsbeteiligung entweder gegen das Gesetz stimmten oder sich enthielten. Der unwürdige Handel mit den Menschenrechten der Roma hat die Glaubwürdigkeit grüner Asylpolitik auch in den eigenen Reihen zutiefst erschüttert. Die nächste Asylrechtsverschärfung wird die Bundesregierung noch billiger bekommen wollen.

Öffentliche Diskussion um Soldaten-Denkmal ist überfällig

Die Linke Liste Konstanz hat die begrüßenswerte Aktion der Friedensinitiative unterstützt, das Soldaten-Standbild am Eingang des Chérisy-Areals mit einer Plane auszustatten, mit der auf den kriegsverherrlichenden Charakter dieses Denkmals hingewiesen wird. Bei der Verhüllungsaktion vor Ort waren deshalb neben unseren StadträtInnen Anke Schwede und Holger Reile auch die ehemalige LLK-Rätin Vera Hemm und der Linke-Kreisrat Hans-Peter Koch.

Die Soldaten-Statue wurde im Auftrag des Naziregimes errichtet, das für die größten Menschheitsverbrechen im Namen deutscher Großmachtinteressen verantwortlich ist. Für die Linke Liste ist es unerträglich, dass ein solches Monument von der Politik seit Jahrzehnten unbeachtet und nicht kommentiert im öffentlichen Raum stehen kann. Dies um so mehr, als wir gegenwärtig erleben müssen, dass deutsche RegierungspolitikerInnen, angeführt von Bundespräsident Gauck, lauthals für noch mehr militärische Gewalt zur Durchsetzung “deutscher Interessen” trommeln.

Wir sehen uns immer häufiger damit konfrontiert, dass die Herrschenden wirtschaftliche und politische Ziele mit Mord und Totschlag durchsetzen wollen – nicht nur in Afrika und dem Nahen Osten, sondern inzwischen auch auf europäischem Boden. Deshalb halten wir eine öffentliche Diskussion um die Zukunft des Soldaten-Denkmals nicht für akademisch, sondern betrachten sie als einen notwendigen Schritt: Nicht nur, um den Umgang mit solch traurigen Relikten der Vergangenheit zu thematisieren, sondern um die überfällige Auseinandersetzung mit dem gefährlichen außenpolitischen Kurs der Bundesregierung auch vor Ort anzustoßen. Die Linke Liste wird ihren Beitrag dafür leisten, eine solche öffentliche Diskussion zu initiieren. Bis dahin sollte die Plane hängen bleiben – als Mahnung in kriegerischen Zeiten.

Linke Liste Konstanz

Annette Groth: Roma haben ein Recht auf faire Asylverfahren

AnnetteGrothNoch gut in Erinnerung dürfte den meisten die Abschiebung einer Roma-Familie im Mai aus der Konstanzer Flüchtlingsunterkunft in der Steinstraße sein. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, sollen solche Akte der Inhumanität in Zukunft noch zügiger vonstatten gehen. Sie plant, per Gesetz Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als “sichere Herkunftsstaaten” einzustufen. Das würde es den Behörden erheblich erleichtern, Roma, die vor Diskriminierung und Not aus diesen Ländern in die Bundesrepublik geflüchtet sind, aus dem Land zu werfen. Am 19. September muss das Gesetz noch die Hürde des Bundesrats nehmen.

Annette Groth, Bundestagsabgeordnete aus dem Bodenseekreis und menschenrechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, hat aus Anlass der Beratungen des “Gesetzes zur Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten” in einem Brief an Ministerpräsident Kretschmann appelliert, die Zustimmung Baden-Württembergs zu diesem Gesetz zu verweigern.

In ihrem Brief bittet sie den Ministerpräsidenten, “am 19.09. im Bundesrat eine weitere Verschärfung des Asylrechts zu verhindern”. Weiter in dem Brief: “Es liegt in Ihrer Hand, dieses Gesetz zu verhindern und dafür zu sorgen, dass auch Roma aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien die Möglichkeiten für ein faires Asylverfahren in Deutschland behalten.”

Annette Groth weist darauf hin, dass in der Anhörung und den Beratungen im Deutschen Bundestag zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten sachkundige Verbände wie Amnesty International, Pro Asyl, UNHCR und der Kirchen klargestellt haben, dass die Menschenrechtssituation in den genannten Ländern eine Einstufung als “sicheres Herkunftsland” gerade für Angehörige der Roma nicht zulässt: In diesen Ländern gibt es weitreichende‚existenzgefährdende Formen der Diskriminierung und fehlenden staatlichen Schutz vor rassistischen Angriffen.

Annette Groth: “Ich freue mich, dass auch Mitglieder der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine eindeutige Ablehnung des Gesetzentwurfs fordern. Es ist in keiner Weise hinzunehmen, dass die Bundesregierung versucht, durch ‘Kompromissangebote’ in Bereichen wie Gesundheitsversorgung, Arbeitsmarktzugang oder Geldleistungen für Asylbewerber einen fairen Asylzugang für Menschen in Not aufzuweichen”.

Groth fordert deshalb in dem Brief an den Ministerpräsidenten: “Die grün-rote Landesregierung ist im April 2011 mit dem Slogan ‘Humanität hat Vorrang’ angetreten. In der Asyl- und Flüchtlingspolitik soll der ‘Grundsatz eines menschenwürdigen Umgangs mit Flüchtlingen’ eingehalten werden. Dies lässt aus unserer Sicht nur ein deutliches NEIN zur geplanten Asylrechtsverschärfung zu.”

 Pressemitteilung, MdB Annette Groth