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Millionen für Singen durch den ECE-Deal?

Jürgen-Geiger-Landtagskandidat-Linke-WK57-2DIE LINKE hat sich von Beginn an gegen die Pläne der Stadt Singen ausgesprochen, den Hamburger Einkaufszentren-Investor ECE im Zentrum der Singener Innenstadt eine gigantische Shoppingmall errichten zu lassen. Die Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass als Folge solcher Projekte eine Verödung der Innenstadt ebenso droht wie das Sterben inhabergeführter Läden, ein Verlust regulärer Arbeitsplätze und stattdessen eine Zunahme prekärer Beschäftigungs­verhältnisse. Diese Gefahren sehen in der Stadt inzwischen auch zunehmend mehr Bürger*innen – eine Initiative „Für Singen“ hat sich gebildet, die sich gegen die ECE-Pläne ausspricht.

Nachdem die Kritik an dem von der Stadtverwaltung angestrebten Verkauf eines 16.000 Quadratmeter großen Areals an ECE in den vergangenen Wochen deutlich gewachsen ist, melden sich nun zunehmend auch Befürworter einer Shoppingmall am Singener Bahnhof öffentlich zu Wort. Zuletzt hat der Südkurier dem als „Handelsexperten“ vorgestellten Immobilienunternehmer Frank Mattes die Möglichkeit gegeben, ausführlich für das Projekt zu werben. Dessen wortreiche Behauptungen auf den Punkt gebracht lauten: Der ECE-Deal bringe der Stadt Millionen.

Wen immer Herr Mattes meint, wenn er von „der Stadt“ spricht – die Einwohner können es nicht sein. Denn der Großteil der Millionen, die aus dem Verkauf des städtischen Zollareals an ECE in die Stadtkasse fließen werden, ist schon fest für eine dem Investor genehme Sanierung des Bahnhofsplatzes eingeplant. Die Stadt subventioniert so indirekt den Konzern, der sich den fürs Geschäft nötigen Ausbau der Infrastruktur aus öffentlichen Geldern zahlen lässt. Nur eine der negativen Folgen für die Singener wäre eine deutliche Zunahme des motorisierten Verkehrs, dafür spricht allein schon, dass auf dem Dach der Mall Parkdecks mit Platz für 400 PKWs geplant sind.

Der „Handelsexperte“ Mattes verspricht darüber hinaus auch wachsende Steuereinnahmen durch die Ansiedlung des Einkaufszentrums. Doch auch diese Versprechung erweist sich bei genauerer Prüfung als leer. Im Gegensatz zu inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften werden die als Hauptmieter vorgesehenen Ladenketten im ECE keine Einkommenssteuer und deutlich weniger Gewerbesteuern entrichten müssen – die fällt hauptsächlich am jeweiligen Firmensitz an. Und müssen, wie zu befürchten, kleine Läden in der Innenstadt vor der übermächtigen Konkurrenz die Segel streichen, drohen weitere Gewerbesteuerausfälle. Unter dem Strich drohen Singen also sogar Steuereinbußen als Folge der ECE-Ansiedlung.

Wer würde also profitieren, wenn im Fall eines Verkaufs des Zollgeländes und des Areals, auf dem der heruntergewirtschaftete Holzerbau steht, Millionen fließen würden? In erster Linie die dortigen Grundstücks- und Immobilienbesitzer, mit denen die Hamburger schon Optionsverträge abgeschlossen haben. Nach mir vorliegenden Informationen ist der „Handelsexperte“ Frank Mattes geschäftsführender Gesellschafter der Singener „BTH Anlagenverwaltung GmbH+Co.KG Kommanditgesellschaft“, die unter anderem das Karstadt-Gebäude managt. In Singen kursieren Gerüchte, wonach die BTH, also Mattes, auch beim Holzerbau die Fäden zieht. Trommelt der Experte also auch in eigener Sache?

Unabhängig davon macht die Debatte um die Zukunft des Bahnhofsareals aber deutlich: Auch nach den Pleiten mit dem Kunsthallenareal, dem Hegautower und daraus resultierend der GVV-Insolvenz, scheinen die Verantwortlichen in Singen unverdrossen am neoliberalen Modell der Stadtentwicklung festhalten zu wollen. Man setzt im Rathaus weiter auf den Ausverkauf öffentlichen Eigentums an Privatinvestoren, in der vagen Hoffnung, dass schon einige Brotkrumen für die Stadt abfallen werden, auch wenn man in der Vergangenheit ein ums andere Mal auf die Nase gefallen ist. Eine verantwortungsbewusste Politik, die sich an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientiert sieht wahrlich anders aus.

Denn gerade jetzt setzt die städtische Führungsspitze damit die völlig falschen Akzente. In Singen fehlen viele Wohnungen, vor allem für Menschen mit schmalem Geldbeutel. Die GVV-Pleite hat den Druck auf die Mieten noch einmal empfindlich erhöht und den Wohnungsmangel weiter verschärft. In dieser Lage braucht die Stadt einen gigantischen Konsumtempel am Bahnhof so nötig wie einen Kropf. Stadtverwaltung und Gemeinderat müssen sich endlich auf ihre Hausaufgaben besinnen und den Bau neuer Sozialwohnungen in Angriff nehmen. Mehr als 6.000 Quadratmeter des Geländes am Bahnhof sind im Besitz der Stadt, sie hat es in der Hand, dort dringend benötigten neuen Wohnraum zu schaffen.

Jürgen Geiger
Landtagskandidat DIE LINKE, Wahlkreis Singen

Wie viele Quadratmeter wird das ECE-Center wirklich haben?

Das blanke Verwirrspiel wird um die schiere Größe des ECE in Singen betrieben. Wollte die Stadtverwaltung noch 2014 maximal 12.500 qm „Fläche“ genehmigen, hat sich diese nun wundersam auf 16.000 qm und mindestens 2.000 qm Gastronomiefläche vergrößert. Gemeint sind wohl die Verkaufsflächen, Nebenflächen werden üblicherweise nicht mitgezählt. Dass diese Vorgehensweise bei der Entwicklung von Einkaufszentren üblich ist, kann nachgelesen werden bei: Walter Brune, Die Tricks und Durchsetzungsstrategien der Entwickler. Ein Bericht aus der Praxis, in: Holger Pump-Uhlmann, Angriff auf die City, Düsseldorf 2006. Alle folgenden Zitate sind diesem Beitrag entnommen.

Die tatsächliche „Verkaufsfläche, die die Kraft eines Centers angibt“, wird üblicherweise mittels zweier Tricks drastisch heruntergerechnet: „Es wird nur die reine Einzelhandelsfläche angegeben“, ohne jegliche andere wichtige Angebote, wie z.B. Gastronomie. „Innerhalb der Verkaufsfläche werden verschiedene Flächen“ (wie Handlager, Personalräume, WC) „nicht als Verkaufsfläche ausgewiesen.“ Über Nebenräume kann ein Mieter aber frei verfügen und auch ohne Baugesuch deren Nutzung ändern. Viele Center-Projekte sind auf diese Weise in Deutschland schon falsch berechnet worden. Die Investoren „täuschen – meist erfolgreich – Öffentlichkeit, Bürger, Einzelhändler, Behörden und Politiker.“ Viele Kommunalpolitiker saßen und sitzen diesen Täuschungsmanövern auf und lassen sich leider „in diesem Irrtum nicht mehr umstimmen und glauben gerne, was der Investor erklärt, anstatt selbst nachzurechnen! Zu verlockend erscheint diese Traumwelt“, die ja angeblich die Stadt nichts kosten soll. „30% und sogar 50% Flächenmehrung zusätzlich mit verheerenden Folgen für den Innenstadthandel sind das Ergebnis.“

Das Operieren nur mit „Verkaufsflächen“ ist ein durchsichtiges Täuschungsmanöver zur weiteren Steigerung und Verbesserung der Rentabilität und damit gleichzeitig der endgültige Todesstoß für den innerstädtischen Handel. – So erhöht sich auch für Singen die Wahrscheinlichkeit, dass der bestehende Einzelhandel mit Gastronomie in der Innenstadt bis zu 60 % seiner Umsätze an ECE verlieren wird – und dann vielfach dichtmachen muss.

International gilt aber für die Berechnung von Flächen für Einkaufszentren die „Gross Leasable Area (GLA)“, bei der die „gesamte Geschäftsmietfläche des zu erstellenden Centers als Größenbeziehung angegeben wird“. Dies bedeutet, „dass die Konkurrenz zum Innenstadthandel kein aus dem Gesamtbild herausgegriffener Spezialbereich ist, sondern die gesamte entstehende Geschäftsfläche. Gemeint ist, und das ohne Zweifel, die vermietete Ladendienstleistungs-, Verkaufs- und Gastronomiefläche, über die der Mieter nach Belieben verfügen kann“. Sie bildet die Kaufkraftbasis des Shopping-Centers, welches den Kundenumsatz aus der Innenstadt abzieht. Alle Versuche, diese Zahl günstiger darzustellen und in einzelne Bereiche zu zerlegen, sind eine Täuschung der Öffentlichkeit „mit dem Ziel, die negativen Wirkungen solcher Center öffentlich herunterzuspielen“.

So gilt auch für Singen: Die von ECE bislang genannten lediglich 16.000 qm Centerfläche dürften die übliche manipulative Verniedlichung der tatsächlichen Geschäftsfläche sein. Geradezu dreist ist es, die Gastronomieflächen mit mindestens 2.000 qm gesondert auszuweisen, befinden sich diese Flächen doch auch in Konkurrenz zu vorhandenen Gastronomieangeboten in Singen. Hinzu kommt noch die Fläche aus den Kopfbauten an der August-Ruf-Strasse mit mindestens 2.500 qm.

Wir verlangen die Veröffentlichung der insgesamt vermietbaren Flächen, mindestens eine Bekanntgabe der Flächen laut veröffentlichten Dimensionen des Centers. Wenn ECE die tatsächlichen Zahlen nicht preisgibt, muss die Baurechtsbehörde im Rathaus nachrechnen und die gesamte Nutzfläche bekanntgeben. Nicht nur Singens Bürger dürften dann Bauklötze staunen. – Peter Mannherz

LINKE fordert Stopp von Rüstungsexporten in die Türkei

Staatsterror-in-Kurdistan

Häufig werden Frauen und Kinder von den türkischen „Sicherheitskräften“ angegriffen. | Foto: DIHA

Als Reaktion auf die türkische Militäroffensive gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) fordert DIE LINKE die sofortige Einstellung deutscher Rüstungslieferungen in das Land. Der LINKE-Vorsitzende Bernd Riexinger sagte am Montag abend dazu: „Es muss einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte in die Türkei geben, denn deutsche Waffen morden mit.“ Die Kohl-Regierung habe in den 90er-Jahren aus dem gleichen Grund ein Waffenembargo verhängt. „Und was machen Steinmeier und Merkel?“, fragt Riexinger. Der „Vernichtungskampf“ der türkischen Regierung gegen die Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) dürfe „nicht länger toleriert werden“. Der LINKE-Vorsitzende forderte Außenminister Steinmeier außerdem dazu auf, umgehend nach Ankara zu reisen. Es müsse erreicht werden, dass das Sterben von Zivilisten beendet wird. Der Einsatz gelieferter Waffen gegen die eigene Bevölkerung verstoße auch gegen den NATO-Vertrag, betonte Riexinger.

Sevim Dagdelen, die Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion der LINKEN im Bundestag, erklärte, die Bundesregierung sei mitverantwortlich für Erdogans Krieg gegen die Kurden. „Mit dem Hofieren Erdogans hat die Bundesregierung und die EU der Türkei einen Freibrief für ihren Krieg gegen die kurdische Bevölkerung erteilt. Angesichts der Massaker unter der kurdischen Bevölkerung muss die Bundesregierung den Krieg der türkischen Regierung gegen die eigene Bevölkerung endlich klar verurteilen und den Botschafter einbestellen“, so Dagdelen, die auch Vizevorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe ist.

Die LINKE-Abgeordnete weiter: „Der Terror der türkischen Armee gegen die kurdische Bevölkerung demaskiert die doppelbödige Politik der Bundesregierung endgültig: sie hält in Nibelungentreue zu Erdogan und dem AKP-Regime. Da pfeift die Bundesregierung auf die massiven Menschenrechtsverletzungen. Sie schweigt nicht nur dazu. Sie belohnt Erdogan auch weiter für seinen Marsch in den islamistischen Unterdrückungsstaat mit der Eröffnung von EU-Beitrittskapiteln. Sie bauen offenkundig auf die türkische Diktatur. Denn je autoritärer und repressiver die Führung in Ankara, desto besser wird sie mit Zwang Flüchtlinge davon abhalten, aus der Türkei in die EU weiter zu flüchten.“

DIE LINKE fordert deshalb eine Wende in der deutschen Türkeipolitik: Die Bundesregierung müsse sich für Friedensverhandlungen einsetzen und die militärisch-geheimdienstliche und polizeiliche Zusammenarbeit sofort beenden, alle Waffenexporte sollen gestoppt werden. Außerdem dürfe es eine Eröffnung weiterer EU-Beitrittskapitel genau so wenig geben wie die Einstufung der Türkei als „sicheren Herkunftsstaat“.

Bei der jüngsten Offensive gegen die PKK hat das türkische Militär in der mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosttürkei in den vergangenen Tagen nach eigenen Angaben mehr als 100 Menschen getötet, darunter Zivilisten. Das Militär setzte dabei in Diyarbakir und anderen Städten auch Panzer und schwere Waffen ein. Die gegen die PKK im kurdisch dominierten Südosten der Türkei eingesetzten türkischen Spezialkräfte haben offenbar völlig freie Hand – das Erdogan-Regime führt Krieg gegen die Bevölkerung. Verhaftungen, Folter und Tötungen sind nach Berichten von Betroffenen an der Tagesordnung. – PM/jüg

„Für Singen am Hohentwiel, anstatt Singen am ECE!“

ECEGegen die städtischen Pläne, den Hamburger Immobilieninvestor ECE in unmittelbarer Nähe des Singener Bahnhofs ein gigantisches Ein­kaufs­­zentrum errichten zu lassen, hat sich in der Hohentwiel-Stadt eine Bürger­initiative mit ganz unterschiedlichem Hintergrund zusammengefunden: Neben Aktivist* innen vornehmlich aus dem grünen und linken politischen Lager unterstützen auch Vertreter*innen des Einzelhandels und die Gewerkschaft ver.di den Widerstand gegen die Shopping Mall. Das Bündnis „Für Singen“ befürchtet eine drohende Verödung der Singener Innenstadt, das Sterben von inhabergeführten Läden sowie einen Verlust von regulären Arbeitsplätzen und stattdessen die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Die LINKE im Landkreis Konstanz hat sich aus diesen Gründen von Beginn an gegen das ECE-Projekt ausgesprochen. Sie fordert stattdessen den in Singen dringend nötigen Bau von Sozialwohnungen auf dem Areal.

Am 18.12. hatte die Initiative „Für Singen“ zu einer Informationsveranstaltung in die Singener Stadthalle eingeladen. Vor knapp 100 Besucher*innen referierte dort u. a. der Steuerberater Peter Mannherz, Linke-Mitglied und Ersatzkandidat der Partei bei der Landtagswahl. Wir dokumentieren seinen Vortrag. – jüg


„Wir lehnen die Planung der ECE für Singen strikt ab“

Mein Name ist Peter Mannherz, ich wohne in Singen und bin im Hauptberuf seit über 30 Jahren selbständiger Steuerberater. Ich wurde von der Bürgerinitiative „Für Singen“ gebeten, Gedanken zum geplanten neuen Einkaufszentrum in Singen vorzutragen. Mein Vortrag kann nur bruchstückhaft sein, vieles aus subjektiver Hinsicht, vielleicht auch emotional überzeichnet aber wesentlich geprägt durch meine berufliche Tätigkeit.

Eben haben wir einen Film mit einem erschreckenden Arbeitstitel gesehen: EINKAUFSZENTREN VON ECE TÖTEN DIE INNENSTÄDTE. Ein ernüchternder Dokumentarfilm, gezeigt 2013 im ARD-Magazin Plus-Minus. Zeigt doch diese Dokumentation, dass das Bewegungsgesetz moderner Wirtschaft nach wie vor wirkt: Kleine Wirtschaftseinheiten werden von größeren und dann von ganz großen Unternehmen vom Markt verdrängt und ihre Marktanteile geschluckt.

Diese Entwicklung richtet sich u. a. gegen gewachsene Einzelhandelsstrukturen in den Innenstädten, am Ende sollen nur noch große Einzelhandelsketten mit krakenähnlichen Handelsstrukturen und ihren Internethandelsplattformen übrig bleiben. Schon alleine deshalb sind große Einkaufszentren Auslaufmodelle, da die Umsätze rückläufig sind und der Markt gesättigt ist. Der Internethandel wird diesen Centern ebenfalls weitere Marktanteile abnehmen. Der Internethandel alleine wird 2025 voraussichtlich einen Anteil von 25 % haben.

Mit ECE würde die Globalisierung endgültig in Singens Innenstadt ankommen. Eine Mall für die Maximalrendite von Finanzinvestoren in der Innenstadt, ohne Verbesserung der Produktqualität und möglichst regionalem Bezug der Angebote und Anbieter, hauptsächlich produziert mit Billigstlöhnen in der sogenannten Dritten Welt, ohne Rücksicht auf soziale Belange und die Umwelt. Dieser Prozess wird seit langem als Fortschritt gepriesen. Ergebnis: Überall die gleichen Läden, egal ob Palermo, Singen oder Berlin.

Damit wir uns richtig verstehen: Ein gesunder Wettbewerb mit funktionierenden Märkten und den entsprechenden Veränderungen, unter Wahrung sozialer Belange und den Interessen der Umwelt ist zu begrüßen. Natürlich unter Berücksichtigung von Zielen wie Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit.

Monopolbildung im Handel und Kannibalisierung bestehender und gut funktionierender Handelsstrukturen, vor allem inhabergeführter lokaler Einzelhandelsbetriebe kann kein „Fortschritt“ sein. Nicht in Singen und auch nicht anderswo. Es ist strikt abzulehnen, dass die künftige Stadtentwicklung, Grundstücke im Besitz der Stadt (6.622 qm) privaten Investoren, deren Geldvermehrungszielen und dem Profit geopfert werden soll.

Das Gute an der gesamten Diskussion rund um das ECE ist, dass sich viele Bürger Gedanken um Ihre Stadt machen. So unterschiedlich die Standpunkte auch sein mögen, der Hintergrund ist doch derselbe: Es geht um die Stadt Singen und um eine erfolgreiche Zukunft und Gestaltung der Heimat. Eine Stadt in der sich Menschen gerne aufhalten, ihre Freizeit verbringen, Kulturangebote in Anspruch nehmen, bummeln und auch einkaufen. Kurzum, eine Stadt, in der es sich gut leben und arbeiten lässt.

OB Häusler erklärte, er wolle „auch weiterhin eine pulsierende Innenstadt mit Strahlkraft.“ Die Umlandstädte „schlafen nicht“, warnte Häusler. Das vergrößerte Radolfzeller Seemaxx sauge künftig verstärkt Singener Kunden ab. Mit dem ECE-Center werde es an anderer Stelle „Verlierer geben.“ „Doch diese gibt es auch heute schon, ohne ECE“.

Die Immobilienzeitung berichtete dazu bereits am 14.7.2005 über die Wirkungen von Einkaufszentren in den Innenstädten: „In den allermeisten Fällen verlagerten sich die Wertschöpfung in den Städten von den zahlreichen Geldbeuteln der Immobilienbesitzer in der 1a-Lage auf den einen der Center-Betreiber“, weiter heißt es dort, ein „ganz offensichtlicher Niedergang des lokalen Einzelhandels sei weiter zu verzeichnen“.

Es geht nicht nur ums „Verlieren“, davon kann keine Rede sein. Die Fußgängerzone wird sich in Singen – wie in anderen Städten – in Richtung ECE verlagern und so im Rahmen eines ruinösen Verdrängungswettbewerbes entsprechende Ergebnisse zeitigen, Betriebsschließungen, Leerstände und Arbeitsplatzabbau ist zu erwarten. Ein enormes Risiko für Singen!

Leider wurden bislang die mit dem Projekt verbundenen Risiken stark bagatellisiert. Befürchtungen vieler Bürger und der Einzelhändler abgebügelt und lächerlich gemacht.

Alle Gutachten gehen davon aus, dass lediglich die in maximal 100–200 Metern Umkreis gelegenen Einzelhandelsbetriebe vom ECE nicht gefährdet werden.

Ja, Singen kann Schweizer Kunden erwarten. Der benötigte Kaufkraftzuwachs geht von der Annahme aus, dass viele Schweizer zusätzlich nach Singen zum Einkaufen kommen. Aber: wer weiß schon für wie lange? Was passiert wenn sich die Wechselkursrelationen wieder verändern und die Mehrwertsteuervergütung wegfällt? Dafür alles riskieren?

Radolfzell will nun auch weiter aufrüsten (nachdem das Seemaxx praktisch verdoppelt wird), meldet der Südkurier am 22.5.2015. „Halbherzige Lösungen sollten vermieden werden, wir brauchen Kundenmagnete“, machte Thomas Nöken, der Stadtbaudirektor in Radolfzell vor dem Hintergrund steigender Konkurrenz aus Singen und Konstanz in einer Gemeinderatssitzung deutlich. Diskutiert wird die Überbauung des Kapuziner-Areals mit insgesamt 8.814 qm2 am Radolfzeller Bahnhof mit einem Einkaufszentrum.

Wieso sollen Singens Bürger nicht auch in Radolfzell und Konstanz einkaufen gehen? Beim militärischen Wettrüsten gab es – historisch gesehen – immer Krieg oder gigantische Pleiten. Das Wettrüsten der Verkaufsflächen geht genauso zu Lasten der Bürger und des lokalen Einzelhandels.

Wir erkennen in der Ansiedlung eines ECE-Centers in der geplanten Größe keine städtebauliche Vision für Singen. Sicher: In Singen ist es mit der Aufenthaltsqualität schlecht bestellt. Es fehlt an Atmosphäre und Attraktivität des städtischen Erscheinungsbildes.

Zukünftige Kunden des Shoppingcenters in Singen werden daher, anders als in Konstanz, einen Besuch des Einkaufszentrums nicht mit einem Bummel in die restliche Innenstadt verbinden. In der Tat ist es so, dass die derzeitige Innenstadtgestaltung wenig Raum zum Innehalten bietet. Der jetzige Zustand der Innenstadt ist Ausdruck weitgehender jahrzehntelanger Investitionszurückhaltung der Stadt.

Singen wird insgesamt auch gegenüber Konstanz noch weiter an Attraktivität verlieren. Während Konstanz auch mit dem Lago mit einem hohen Wiedererkennungswert mit Münster, Stadtmauer, der gesamten mittelalterlichen Altstadt verfügt, droht Singen eine beliebig austauschbare Einkaufsstadt zu werden. Singen am Hohentwiel wird so zu Singen am ECE.

Neben den Argumenten um Einzelhandel, Kaufkraft und Geld wird von den Befürwortern suggeriert, dass eine Innenstadt nur dann attraktiv ist und bleiben kann, wenn möglichst viel neue Verkaufsfläche geschaffen wird. Das sehen wir überhaupt nicht so, zumal Singen bereits eine sehr leistungsfähige Einzelhandelsstruktur hat.

Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang allerdings, dass ein innerstädtisches Shoppingcenter nicht nur eine erhebliche Auswirkung auf den bestehenden Handel und Dienstleistungssektor hat, sondern das Erscheinungsbild der Stadt grundlegend und dauerhaft verändert.

Dass diese Attraktivitätssteigerung mit einem ECE-Zentrum in Singen möglich ist, daran haben wir erhebliche Zweifel, die durch negative Erfahrungen von vielen Städten, speziell im Norden mit ECE bestätigt werden.

Das führt dazu, dass die gewachsenen Einkaufsstraßen an Umsatz, an Kunden verlieren und es dadurch über kurz oder lang zu Geschäftsaufgaben und Leerständen kommt. „Das gilt insondere für kleinere Städte“, so Monika Walther, Expertin für Stadtentwicklung.

Nach dem Scheitern eines entsprechenden Projektes auf dem Kunsthallenareal hat sich der Investor ECE mittels notarieller Optionsverträge einen Teil des Baugeländes am Bahnhof bereits gesichert. Die Stadt ist Eigentümer von 6.622 Quadratmeter Bauland (Zollareal) und somit Herr des Verfahrens. Nur wenn die Stadt das Zollareal verkauft kann ECE in der geplanten Größe bauen, ansonsten müsste sich ECE auf das Holzerareal und den angrenzenden Gebäuden bis zur Thurgauer Strasse beschränken, was uneingeschränkt zu begrüßen wäre.

Nach dem GVV-Desaster mit Hegau-Tower, Derivatspekulationen und sonstigen „Sünden“ sowie den skandalösen Vorgängen um den Kauf des Kunsthallenareals durch die GVV und letztlich ihrer Pleite meint die Stadtverwaltung und viele Gemeinderäte wohl jetzt endlich einen baupolitischen „Erfolg“ vorzeigen zu müssen.

Ein wirklicher baupolitischer Erfolg wären neue und bezahlbare Wohnungen für die Bürger in der Stadt!

Geplant sind mindestens 16.000 Quadratmeter Einzelhandelsverkaufsflächen und ca. 1.500 Quadratmeter Gastronomiefläche sowie 400 Parkplätze auf dem Dach, so wurde es angekündigt. Zusätzlich entsteht in zwei Seitenflügeln, stoßend auf die August-Ruf-Strasse ein Dienstleistungszentrum, insgesamt sind das für Singen gigantische Dimensionen, größer als das LAGO in Konstanz. Genaue Berechnungen der Flächen – wie groß das ECE überhaupt wird – wurden noch nicht vorgelegt.

Immerhin wurden dem ECE-Konzern Zugeständnisse in Gestaltungsfragen der Fassade und der Einbindung an die Innenstadt abgerungen. Ob es mehr als ein Feigenblatt wäre und was davon Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.

Entsprechende Gutachten und Stellungnahmen des City-Ring, der BBE und der IHK und vieler anderer sprechen sich gegen das Projekt aus, lassen für die Singener Stadtentwicklung Schlimmes befürchten.

Überhaupt noch nicht richtig informiert wurde über die zu erwartenden Verkehrsströme, vorgesehen sind zusätzliche Parkmöglichkeiten bei der Herz-Jesu-Kirche. Wird Singens Innenstadt am zusätzlichen Verkehr ersticken? Wollen die Singener wirklich 2.500 zusätzliche PKWs und 100 LKWs täglich in der Innenstadt, vermutlich 300 PKWs pro Stunde? Und wo bleiben die Fahrradfahrer im Bahnhofsbereich?

Ich kenne eine Menge Konstanzer die genug davon haben, dass der Verkehr die Innenstadt immer wieder lahmlegt.

Die Vorzeichen für die Ansiedlung des Lago in Konstanz waren andere als sie es für Singen sind. In Konstanz ergaben die Studien keine relevante Umsatzverschiebung innerhalb des städtischen Handels. Ganz im Gegensatz zu Singen. Hier geht die BBE-Studie von einer Umsatzverschiebung von bis zu 60 Prozent in einzelnen Bereichen aus. Diese Verschiebungen wären für viele Singener Einzelhändler – vor allem die kleinen Betriebe – existenzbedrohend.

Immerhin wird sich ECE vom bestehenden Handel in Singens Innenstadt mindestens 30 Mio. Euro Umsatz holen müssen, um bestehen zu können.

Kein Arbeitgeber kann Umsatzeinbußen verkraften, wie sie in der BBE Studie genannt werden. Vergleichbare ECE-Ansiedlungen, z.B. Hameln, zeigen, dass trotz neuer Unternehmen keine zusätzlichen Arbeitsplätze entstehen.

Bestehende Arbeitsplätze, vor allem tarifvertraglich abgesicherte Vollzeitarbeitsplätze werden in der Tendenz verschwinden und durch so genannte 450 Euro-Jobs ersetzt. Diese Konsequenz zeigt eine Langzeitstudie aus Hameln (-70 Arbeitsplätze, S. 56). Der Betriebsrat von Karstadt und die Gewerkschaft Verdi sehen das genauso.

Viele der Unternehmen, (hauptsächlich Ladenketten) die sich üblicherweise in einem ECE befinden, bilden kaum oder gar nicht aus. Gerade eine abgeschlossene Ausbildung ist jedoch der Grundstein für ein erfolgreiches Leben – auch in Singen.

Vorhandene Arbeitsplätze im tertiären Sektor spielen im Rahmen der Planungen leider ebenfalls keine Rolle. Immerhin sind eine Menge Dienstleister für die bestehenden kleineren Betriebe in Singens Innenstadt tätig, wie Werbeagenturen, Rechtsanwälte – aber auch regional tätige Banken und Steuerberater und andere. Filialisten beschäftigen diese regionalen Dienstleister bekanntlich nicht. Auch dort werden Arbeitsplätze verschwinden.

Auf der Strecke bleibt öffentlicher Raum für Leben, Kultur und Freizeit. Die demokratische Verfügung und Kontrolle über ein großes Areal des vormals öffentlichen Raumes wird dem privaten Betreiber der Einkaufsmall überlassen.

Shoppingmall und Parkhäuser fressen letzte frei verfügbare Flächen in der Innenstadt. Immerhin soll die Thurgauer Straße zusätzlich dem Center einverleibt werden. Der Durchgang durch die Mall ist dann nur zu den Öffnungszeiten möglich – kontrolliert durch das private Sicherheitspersonal. In einer Fußgängerzone gilt dagegen öffentliches Recht und nur in den Geschäften das Hausrecht.

Wo bleiben die vielen Singener Bürger mit ihren Wohnraumbedürfnissen? Das Zollareal ist hervorragend dafür geeignet, dringend benötigten neuen Wohnraum zu schaffen und urbanes Leben zu fördern.

Zum Zeitplan erklärte OB Häusler, dass das Raumordnungsverfahren im Frühjahr abgeschlossen sein soll. Dieses klärt bei den Umlandstädten die Auswirkungen. Parallel läuft das Bebauungsplanverfahren. Hier entscheide der Gemeinderat über eine frühzeitige Beteiligung im März. Das sei eine erste Hürde. Eine zweite warte im Juli mit dem Offenlage-Beschluss. Im November 2016 stehe dann der Bebauungsplanbeschluss an. Im Januar 2017 könnte die Baugenehmigung erteilt werden. Danach wird 21 Monate gebaut.

Ansonsten würden wir ja in einer repräsentativen Demokratie leben und der Gemeinderat dann im März 2016 entscheiden. So sei eben Demokratie, sagen die Stadtoberen.

Wenn Konstanz klagt wird es mit diesem straffen Zeitplan wohl nicht klappen.

Ein ergebnisoffener runder Tisch mit Bürgerbeteiligung in Singen (wie in Köln, Jena und anderswo!!) könnte Ideen sammeln und gemeinsam dabei helfen, dass Stadt und Gemeinderat ihre Hausaufgaben besser machen und substanzielle Maßnahmen in Angriff nehmen, um z.B. den Wohnungsbau mit einer stark sozialen Komponente anzukurbeln. Das Areal am Bahnhof könnte ein erster Schritt dazu sein. Das dürfte doch beim gegenwärtig historisch niedrigen Kapitalmarktzinsniveau kein Problem sein, oder?

Der Wunsch von Singener Bürgern nach einer attraktiveren Stadt, die mehr Lebensqualität bietet, ist verständlich und berechtigt.

Auch ist der Holzerbau in seinem derzeitigen Zustand ein architektonisches Missverständnis, verursacht durch unterbliebene Renovationsmaßnahmen der Eigentümer aufgrund der Optionsverträge mit ECE. Dies soll dann ja wohl durch den Verkauf an ECE vergoldet, also belohnt werden.

Ergibt sich doch eine einmalige Chance für Singen vielmehr aus dem, was man aus dem Holzer-Bau und den angrenzenden Gebäuden machen kann.

Es ist die einmalige Chance, nicht einem Zug aufzusitzen, dem längst die Kohlen ausgegangen sind, sondern ein Ausrufungszeichen für die Region zu setzen. Das Areal könnte für eine Mischbebauung genutzt werden, in der Wohn-, Arbeits- und Einkaufsflächen angesiedelt werden. Ein belebter Innenhof, mit Café und Sitzmöglichkeiten, freies W-Lan – das wäre Stadtentwicklung, die nachhaltige Chancen für Singen bietet, auch mit Städten in der Region und dem Internethandel.

Eine gut durchdachte Mischnutzung wäre doch die bessere Alternative, anstelle das 184. Shoppingcenter in Deutschland zu bauen. Als voraussichtlich geschlossenes Einkaufszentrum sieht es keinen direkten Haupteingang zur bisherigen Fußgängerzone, der August Ruf-Strasse vor. Die gesamte August-Ruf-Strasse mit allen Geschäften und Banken würde ohnehin nochmals reinpassen. Schließlich sollen die Konsumenten auf dem Dach parken und gefälligst ihren gesamten Bedarf im ECE decken. Wozu braucht Singen dann noch eine Fußgängerzone?

OB Häusler erklärte, dass ECE abspringen würde, wenn die vorgelegte Planung nicht in der vorgesehenen Größe mit mindestens 16.000 qm2 als Einzelhandelsbebauung realisiert wird. Das sind mindestens 80 Einzelhandelsbetriebe plus Gastronomie und Büroflächen. Außerdem gäbe es keine weiteren Interessenten als ECE für die Grundstücke am Bahnhof.

Investoren kommen und gehen, es gibt immer Alternativen!

Beispiel: Ein Umbau bisher leerstehender Büroflächen im Holzerbau in Wohnungen zu tragbaren Kosten sei problemlos möglich, erklärte mir ein Immobilienexperte. Dieser war beauftragt worden andere Nutzungskonzepte für die leerstehenden Flächen im Holzerbau zu prüfen. Er gab nach Besichtigung der Bausubstanz eine entsprechende Empfehlung zum Umbau leerstehenender Büroflächen in Wohnungen ab. Die Schaffung evtl. fehlender Stellplätze könnte nach Prüfung der statischen Gegebenheiten auf dem Dach des Gebäudes erfolgen.

Die Krise des Gewerbeimmobilienmarktes in Singen – und damit auch des Holzerbaus – war durch das massive Überangebot an Flächen, insbesondere Büroräumen in Singen verschärft worden.
Die Stadt Singen beantwortete dieses Überangebot in der ihr eigenen Art durch den Bau von neuen Gewerbeflächen durch die GVV, insbesondere dem Hegautower und SinTec.

Spätestens durch die massive Ausweitung von Büroflächen, auch durch die GVV, brach die Nachfrage nach Büroräumen endgültig ein. Drastische Preisreduktionen im Vermietermarkt wurden nun durch die mangelnde Nachfrage erzwungen. Keiner wollte sich mehr im Holzerbau einmieten. Eine ähnliche Fehlentwicklung bahnt sich nun mit der Entscheidung zum Bau des ECE an.

An den Rändern der Innenstadt sind bereits Qualitätsverschlechterungen mit entsprechenden Leerständen erkennbar. Bestehende Leerstände von Ladenflächen an den Rändern der Innenstadt werden sich mit ECE deutlich verstärken. Kein Wunder, Singen hat jetzt schon verhältnismäßig viel Einzelhandelsflächen, mehr als die meisten entsprechenden Städte bezogen auf die Einwohnerzahl. Schwere Zeiten warten auf Singens Ladenvermieter in den bisherigen Lauflagen.

Der Südkurier berichtet am 16.12. über das zu schließende Scala Kino in Konstanz und die Gründe für die künftige Vermietung der Immobilie als 5. Drogeriemarkt in der Stadt. Fakt ist, die Stadt Konstanz hat das Lädensterben in Konstanz durch die Bewilligung des Lago mindestens beschleunigt und nicht irgendwelche „geldgierigen“ Vermieter. Manche einst bekannten inhabergeführten Konstanzer Einzelhandelsbetriebe haben bereits geschlossen. Eine Studie aus Hameln kommt zu folgendem Ergebnis: „Eine große Investition in neue Einzelhandelsflächen in der Innenstadt kann mit einem einschlägigen Developer wie ECE nicht durchgeführt werden“ (S.67).

Leider wurde schon der Bau des Hegautowers durch die GVV trotz Warnungen des Regierungspräsidiums mit der Brechstange durchgesetzt. Obwohl bekannt war, dass Angebotsüberhänge im Gewerbeimmobilienmarkt in Singen bestanden und heute noch bestehen. Die Pleite der GVV mit mindestens 32 Mio. Verlust wäre insoweit vermeidbar gewesen.

Für eine Stadt mit der Größe Singens wäre ein neues Einkaufszentrum in der Innenstadt mit maximal 8.250 qm2 Einzelhandelsfläche mehr als ausreichend, meinte der bekannte Stadtplaner Dr. Holger Pump-Uhlmann auf einer Veranstaltung zum Thema in Singen (15% der Innenstadtbestandfläche Einzelhandel von 55.000 Quadratmeter).

Viele Bürger wehren sich anderswo massiv gegen ECE-Zentren, so wurden entsprechende Einkaufszentren erst in jüngster Zeit verhindert (z.B. in Leer/Ostfriesland, Velbert, Minden und Jena – entweder durch massive Bürgerproteste oder Bürgerabstimmungen).

Im Rahmen einer fortgeschrittenen Planung wird allerdings nicht mehr über das „OB“ und mit „WEM“ (ob die vorgelegten Pläne von ECE überhaupt sinnvoll sind) sondern nur noch über das „WIE“ gesprochen. Alle Pläne würden völlig transparent offen gelegt.

Wirklich alle? ECE könnte wesentlich mehr bieten, so schreibt die Firma im Internet zu Mischnutzungen: „Die geplanten und realisierten Wohnimmobilien sind oftmals Bestandteil von Mischnutzungskonzepten und wurden in Shopping-Center integriert bzw. bilden zusammen mit Büros, Einzelhandel und Gastronomie urbane Stadtquartiere.“ So, so: ECE baut also auch Wohnungen in Mischnutzungskonzepten als urbane Stadtquartiere, steht auf der Homepage. Warum nicht auch in Singen? Singen hat mehr zu bieten als sich einem einzigen Investor auszuliefern. Singen braucht kein ca. 220 Meter langes Einkaufszentrum am Bahnhof!

Immerhin fallen zusätzlich etliche Wohnungen in der Bestandsbebauung weg – ohne dass sich die Entscheider in der Stadt oder gar ECE bisher über eine entsprechende Neuinvestition öffentlich Gedanken gemacht hätten. Wo bleiben die bisherigen Mieter und finden neuen bezahlbaren Wohnraum?

Stattdessen sollen die Erlöse aus dem Verkauf des Zollareals in eine – dem ECE-Investor genehme – Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes fließen, da diese Kosten vom Steuerzahler zu übernehmen sind. Kostenpunkt: mindestens 8 Millionen €. Das der Stadt gehörende Areal am Bahnhof sollte keinesfalls SO verschleudert werden.

Handel bis zur Thurgauerstrasse und Wohnen auf dem Zollareal wäre doch ideal und bezogen auf Größe und vorhandener Verkaufsfläche mehr als ausreichend!

Wir können an dem gesamten Planungsprozess keine ergebnisoffene Transparenz erkennen.

Die Investitionsabsicht der Otto-Gruppe ist Ausdruck der verzweifelten Suche von kapitalstarken Investoren nach lukrativen Anlagemöglichkeiten mit einer entsprechend hohen Rendite. Unsere Stadt wird im Ergebnis dabei drauflegen, auch beim Steueraufkommen! Ein Grund ist die geringere Gewerbesteuerzuweisung aufgrund niedrigerer Gehälter in Filialunternehmen. Abzulehnen ist außerdem ein Verkauf an irgendeinen Meistbietenden, auch wenn er ECE heißt.

Singens OB erweckt derzeit leider den Eindruck dass er das Projekt trägt und gemeinsam mit dem Investor zügig vorantreibt. Deshalb kann der Hamburger ECE-Konzern über die Medien mitteilen lassen, dass er den Bau nur noch für eine Formsache hält.

Sind Singens Bürger wirklich so unmündig oder werden sie vom Investor dazu gemacht? Sind die Entscheidungen anderweitig bereits getroffen und die Diskussion beendet? Ist die Abstimmung im Gemeinderat und der Bau des ECE in Singen nur noch eine Formsache? Diskutieren wir also nur noch über die Form der Fassade der Einkaufsmall?

Wieso wurde kein Architektenwettbewerb mit entsprechender Bürgerbeteiligung als Mischbebauung auf Holzerbaugelände und Zollareal ausgeschrieben? Wo bleibt der Ideenwettbewerb um die beste Bebauung dieses Geländes und des Bahnhofvorplatzes? Wurden die Singener Baugenossenschaften schon gefragt, ob sie Interesse an einer Bebauung der städtischen Grundstücke am Bahnhof haben? Wieso nutzt die Stadt Singen das Zollareal nicht als Druckmittel, um eine wirklich ausgewogene Mischbebauung durchzusetzen?

Seit neuestem wird von Gemeinderäten über einen Bürgerentscheid diskutiert – wohl wissend dass ein höheres Quorum bei einem entsprechenden Bürgerentscheid in Radolfzell zur Seetorquerung kürzlich knapp verfehlt wurde. Singens Bürger sind leider wahlmüde, bei der letzten Gemeinderatswahl waren es auch nur noch knapp 36 % Wähler.

Zugute zu halten ist OB Häussler, dass der tatsächlichen Stand der Planung offengelegt wurde. Bürgerbeteiligung ist allerdings wesentlich mehr als über die Form der Fassade informiert zu werden. Tansparent am bisherigen Verfahren ist lediglich der unbedingte Wille des Projektentwicklers. das Projekt in der vorgelegten Planung und Größe zu realisieren.

Wir wünschen uns (bald ist ja Weihnachten), dass OB, die Gemeinderäte und alle Bürger Singens die vorgelegte „alternativlose Planung“ abwägen, ihre großen Risiken erkennen und einfach erst mal ablegen. Die Stadtverwaltung könnte das dem Gemeinderat vorschlagen und beschließen. Noch ist es nicht zu spät. Noch ist die Stadt im Besitz der Sperrgrundstücke auf dem Zollareal. Singen könnte bestimmen „WIE“ , „WAS“ und vor allem mit „WEM“ am Bahnhof gebaut wird. Investoren kommen und gehen, es gibt immer Alternativen!

Wir erwarten von Stadtverwaltung und Gemeinderat die Gestaltung einer wirklich ergebnisoffenen Bürgerbeteiligung mit Expertenanhörungen und öffentlicher Diskussion über die Gestaltung – auch ohne ECE!!

Wir jedenfalls lehnen die jetzt vorliegende Planung der ECE für Singen strikt ab.
Für Singen am Hohentwiel, anstatt Singen am ECE!

Peter Mannherz

Linke Liste lehnt städtischen Haushalt ab / Akzente für sozialen Wohnungsbau fehlen

RathausMit großer Mehrheit haben die Konstanzer Stadträte auf der letzten Gemeinderatssitzung den städtischen Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet. Die beiden einzigen Gegenstimmen kamen von den Räten der Linken Liste. Der Grund für das LLK-Nein: Trotz ausgezeichneter Kassenlage – u. a. gab es bei der Gewerbesteuer zusätzliche Einnahmen von 18 Mio. Euro – hat die Verwaltung erneut ein Zahlenwerk vorgelegt, das notwendige Investitionen in den Ausbau der sozialen Infrastruktur sträflich vernachlässigt. Insbesondere fehlen Akzente für den sozialen Wohnungsbau, der seit Jahren in der größten Stadt am Bodensee zum Erliegen gekommen ist. Dabei wächst die Wohnungsnot seit Jahren ständig, und zwar nicht in erster Linie wegen des erhöhten Zuzugs von Flüchtlingen. Auch einer nötigen Aufstockung des städtischen Personals, das wegen der gewachsenen Aufgabenfülle häufig unter starkem Druck steht, verweigerte man sich erneut. Darüber kann auch die Umwandlung von einigen wenigen befristeten Stellen in dauerhafte Arbeitsverhältnisse nicht hinwegtäuschen. Wir dokumentieren die Haushaltsrede der Linken Liste, die LLK-Stadtrat Holger Reile gehalten hat. – red


Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste.
Das Wichtigste vorab: Die Linke Liste wird dem vorliegenden Haushaltsentwurf der Verwaltung nach reiflicher Überlegung nicht zustimmen. Das mag manchen verwundern, legt die Verwaltung doch ein ausgeglichenes Zahlenwerk vor, das zudem auch noch ohne Nettoneuverschuldung auskommt. Das wiederum ist kein Wunder, denn die Kassenlage ist ja ausgezeichnet, die Einnahmesituation über die Erwartungen gut.

Die Stadt hätte also durchaus die finanziellen Spielräume, um bei den drängendsten Problemen wichtige Akzente zu setzen und mutigere Investitionen in den dringend erforderlichen Ausbau von Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge und insbesondere der sozialen Infrastruktur vorzunehmen.

Stattdessen aber wird beklagt, zur Finanzierung des längst beschlossenen Investitionsprogramms sei ein Rückgriff auf den vorhandenen Finanzierungsmittelbestand notwendig. Wir fragen uns: Wie anders soll es denn sonst gehen?

Wer die Stadtgesellschaft gestalten und weiterentwickeln will, kann das eben in den seltensten Fällen aus der Portokasse finanzieren. Zur Bewertung solcher Warnungen aus dem Rathaus sei übrigens an die Prognose des Oberbürgermeisters im vergangenen Jahr erinnert, der für den jetzigen Haushalt ein Defizit von 17 Millionen “plus X” vorausgesagt hatte. Im übrigen hat selbst das Regierungspräsidium Freiburg signalisiert, dass für die Jahre 2016 und 2017 jeweils eine Netto-Neuverschuldung von maximal 6 Millionen vertretbar sei.

Die Verwaltung sieht diese Aussage als Warnung vor Kreditaufnahmen und als Bestätigung dafür, dass jetzt bei den städtischen Finanzen endlich der Gürtel enger geschnallt werden müsse. Wir sehen das eher als Ermunterung, angesichts einer Nettoneuverschuldung Null im Jahr 2016 und einer prognostizierten Kreditaufnahme von rund 6,4 Millionen Euro im Jahr darauf, nicht zuletzt auch angesichts eines historisch niedrigen Zinsniveaus, mehr Mut bei Investitionen zu beweisen.

Zum Hauptthema Wohnungsnot:
Verschärft wurde diese Situation auch durch den Zuzug von Geflüchteten. Die Stadt muss, um Abhilfe zu schaffen und vorzusorgen, umgehend eine Wende einleiten: Wer die Wohnungsnot wirksam bekämpfen will, muss nicht in erster Linie zusätzliche Flächen abholzen, wie das jetzt im Fall Schwaketenwald zur Debatte steht.

Dieses geplante Vorgehen tragen wir nicht mit. Da über diesen Punkt Anfang diskutiert wird, dazu nur noch soviel: Wir sollten es bei diesem Thema alle tunlichst vermeiden, hochgekochte Emotionen vor die jeweiligen Pro- und Contra-Argumente zu stellen. Will heißen: Wer für das Projekt votiert, ist deswegen noch lange kein Umweltbanause ohne Sinn und Verstand – und wer sich dagegen ausspricht, soll auch nicht hören müssen, dass es ihm allein darum ginge, mit einer pathologischen Verweigerungshaltung den Bau günstigen Wohnraums zu verhindern. Damit würden wir uns auf ein vergiftetes Niveau begeben, das der Sache nicht angemessen ist.

Kolleginnen und Kollegen,
Wer gegen den Wohnungsmangel entschieden vorgehen will, muss vielmehr den Bau öffentlich geförderten, dauerhaft mietpreisgebundenen Wohnraums verstärkt ankurbeln. Mit der Wobak haben wir diesbezüglich einen verlässlichen Partner an der Seite, aber es ist noch Luft nach oben.

Wir brauchen dringend noch massivere Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Dazu sollte aber das Gesamtpaket des Handlungsprogramms Wohnen erneut aufgeschnürt und grundlegend anders gewichtet werden. Der Anteil von dauerhaft preisgebundenen Wohnungen im sogenannten unteren Segment muss eine deutliche Erhöhung erfahren, unserer Meinung nach auf 50 Prozent. Die Stadt muss hier im Verbund mit der Wobak, aber auch regionalen genossenschaftlichen Einrichtungen entschlossener aktiv werden.

Kaum etwas von all dem findet sich im vorliegenden Haushaltsplanentwurf und auch nicht in der mittelfristigen Finanzplanung. Für Investitionen in den sozialen Wohnungsbau sind genau 0 Euro vorgesehen. Für Wohnungsbauförderung, respektive -versorgung, lediglich 1,1 Millionen Euro. Das ist angesichts der angespannten Lage noch nicht mal das vielzitierte Nasenwasser und ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die überteuerte Mieten zahlen oder vergebens nach einem Dach über dem Kopf suchen.

Kolleginnen und Kollegen,
Was für die Wohnungspolitik gilt, trifft für die Daseinsvorsorge insgesamt zu. Im Schulbereich sollen mit Ausnahme der neuen Gemeinschaftsschule, wo man an Vorgaben des Landes gebunden ist, praktisch alle wichtigen Investitionsmaßnahmen in Höhe von 15,4 Millionen Euro auf die Jahre 2021 folgende verschoben, also de facto zur Disposition gestellt werden.

Ein ähnliches Bild bei der vorschulischen Kinderbetreuung und Bildung, also bei Kindergärten und Kitas. Hier sieht die Mittelfristige Finanzplanung immerhin vor, von den erforderlichen 13,9 Millionen “nur” rund 7,4 Millionen auf die Jahre nach 2020 zu vertagen. Das ist umso unverständlicher, als insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung nach wie vor viel zu wenig Plätze zur Verfügung stehen, auf die Eltern einen gesetzlichen Anspruch haben. Für uns gilt: Wir messen die Stadt an dem von ihr selbst formulierten Ziel einer Kleinkinder-Betreuungsquote von 43 Prozent bis 2016.

Beim notwendigen weiteren Ausbau der sozialen Infrastruktur hat die Stadt ebenfalls eher den Rückwärtsgang eingelegt. Eine Fortsetzung beziehungsweise die Erweiterung des Projekts Soziale Stadt ist offensichtlich nicht vorgesehen und auch weitere Projekte wie das Bewohnerzentrum Öhmdwiesen, bei dem es um gerade mal 1 Million Euro ging, sind entweder gestrichen oder auf nach 2021 verschoben worden.

Dabei wären solche Maßnahmen nicht nur im Berchengebiet erforderlich. Auch in anderen Stadtteilen gibt es soziale Brennpunkte, beispielsweise im Quartier Pfeifferhölzle oder auch in Petershausen. Doch im Rathaus scheinen die Verantwortlichen offenbar beschlossen zu haben, solche erfolgversprechenden Ansätze stillschweigend zu beerdigen.

Uns gefällt beispielsweise auch nicht, dass die Mittel für den Sozial- und Pflegeelternpass gegenüber den Vorjahren um mehr als 60 000 Euro gekürzt wurden – auch das ein falsches Signal.

Zwei Schlußbemerkungen noch:
Weitaus spendabler hingegen gibt man sich beim Bodenseeforum, für dessen Ausbau in diesem Jahr weitere 5,2 Millionen lockergemacht werden sollen, 2017 dann nochmal 2 Millionen – und ob es dabei bleibt, davon lassen wir uns dann alle mal überraschen. Einen überaus satten Etat stellt man für das mit viel Aufwand überblähte und überteuerte Konziljubiläum ein, das auch in diesem Jahr noch einmal mit 1,1 Millionen zu Buche schlagen wird.

Holger Reile

 

Hungerkünstler_innen im Pech

theater-konstanz-logoDass etliche Schauspieler_innen am Stadttheater mit nur 1.800 Euro brutto entlohnt werden, ist nun wahrlich kein Zeichen für einen fürsorglichen Arbeitgeber. Darum debattierte der Gemeinderat am Donnerstag darüber, das Salär der Jungen Wilden wenigstens um 200 Euro monatlich aufzustocken. Die Abstimmung fiel aber mit 18:18 Stimmen gegen die Künstler_innen aus, obwohl 100% der Gemeinderätinnen und -räte für das höhere Gehalt waren. Wie das?

Wer versuchen wollte, alle Kippvolten der Diskussion über die Schauspieler_innensalärs und diversen Tarife und wirtschaftlichen Zuständigkeiten am Stadttheater zu schildern, würde (selbst wenn er – anders als der Autor dieser Zeilen – ein Kenner dieser Materie wäre), vermutlich ein ganzes Buch schreiben müssen, ähnlich dick wie die Bibel und ähnlich wie diese voll der skurrilsten Schnurren. Kurzum: Die tariflichen Regelungen für Schauspieler_innen sind meist undurchsichtig, aber ihre Bezahlung ist fast immer mager.

Mehr Geld fürs Theater

Daran wollte die FGL etwas ändern und beantragte deshalb, dem Stadttheater ab dem Jahr 2016 insgesamt 68.000 € mehr zuzuweisen, „um die Gehälter in der niedrigsten Eingruppierung des Tarifvertrags NV Bühne auf jeweils 2.000 € brutto im Monat aufzustocken“. Die spannende und fintenreiche Diskussion über diesen Antrag dürfte die zahlreich anwesenden Jungschauspieler_innen gelehrt haben, dass die Bretter, die die Welt bedeuten, vielleicht doch nicht im Stadttheater, sondern im Konstanzer Ratssaal liegen.

Der Gemeinderat war immerhin von rechts bis links geschlossen dafür, dass die Schauspieler_innen dringend mehr Geld verdienen müssen und überhäufte sie mit Lob für ihre herausragende Arbeit, die Konstanz weit über die Stadtgrenzen hinaus in aller Munde hielte.

Aber über die Frage, ob die Stadt diese Gehaltserhöhung denn bezahlen wolle, oder ob die Gagenerhöhung nicht Sache des Theaters sei, entbrannten dann heftige Debatten, aus denen das Schauspielerjungvolk vor allem eines lernen konnte: Die Interessen der Arbeitnehmer_innen des Stadttheaters spielen für Verwaltungsspitze wie Intendanz nun wirklich die allerletzte Geige.

Non olet

Stadtkämmerer Hartmut Rohloff gab eine Linie der Diskussion vor. Es gibt nach seinen Worten eine Budgetvereinbarung zwischen Stadt und Stadttheater, nach der das Theater einen bestimmten Betrag pro Jahr erhält und damit machen kann, was es will. Das Theater hat also die von ihm selbst stets gewünschte Budgetfreiheit und kann mit dem Geld ebenso gut mehr Aufführungen wie bessere Gagen finanzieren. Damit ist es laut Roloff auch Sache des Theaters – sprich des mit der Stadtspitze gründlich zerstrittenen Theaterchefs Christoph Nix – eine Gagenerhöhung aus seinem eigenen Etat zu bezahlen. Außerdem habe das Stadttheater gerade 230.000 € erwirtschaftet, die der Intendant verwenden könne, wie er will, das Geld für die Gagenerhöhung habe das Theater also allemal und es sei auch nicht wie behauptet gezwungen, den erwirtschafteten Betrag als Rücklage zu verwenden.

Die Stadtverwaltung bot dem Theater aber einen Kompromiss an: Das Theater zahlt die Gagenerhöhung für das Jahr 2016, und bei den nächsten Haushaltsberatungen in einem Jahr debattiert man dann darüber, die städtischen Zuweisungen ans Theater entsprechend zu erhöhen, so dass diese Gagenerhöhung ab 2017 dann aus Sicht des Theaters quasi kostenneutral ist.

Stadttheater als Eigenbetrieb

Einen fundierten Redebeitrag lieferte Anselm Venedey (FWK), der nicht nur forderte, die Angestellten städtischer Betriebe vernünftig zu bezahlen, sondern zudem anregte, das Stadttheater in einen städtischen Eigenbetrieb umzuwandeln. Holger Reile (LLK) forderte ergänzend, Bürgermeister Andreas Osner und Intendant Christoph Nix sollten endlich im Interesse der Schauspieler ihren nonverbalen Krieg beenden, was Osner aufseufzen ließ, „das wünsche ich mir dieses Jahr vom Christkind“.

Nicht die beste Rolle spielte dann Christoph Nix, der in den Rat geholt und befragt wurde, warum er diese Gagenerhöhung nicht aus der Rücklage zahlen wolle. Zugegeben, das war keine einfache Situation für ihn, hatte er doch im Sommer öffentlich gegen den OB und seine zwei Bürgermeister allerkräftigst und teils unter der Gürtellinie ausgeteilt, so dass er sich eines eher frostigen Empfangs gewiss sein durfte. Aber man muss ihm ankreiden, dass er sich nicht für seine unterbezahlten Künstler_innen stark machte. Er legte vielmehr Wert darauf, dass er seine Rücklagen brauche, falls mal eine Produktion schlecht liefe. Nix kämpfte nicht für seine Leute, sondern für sein Image als der Theatermann mit dem ausgeglichenen Haushalt. Wobei ihm Kämmerer Roloff in die Parade fuhr, das Theater sei ein Regiebetrieb der Stadt, also quasi ein Amt, und müsse daher keine Rücklagen bilden, eine Kerbe, in die auch der OB hieb.

Arbeitnehmerinteressen fallen durch

Wie auch immer es sich mit dem haushaltsrechtlichen Status des Stadttheaters verhalten mag: An diesem Abend wurde klar, dass die Arbeitnehmerinteressen für Stadtverwaltung wie Intendant nur Manövriermasse sind und sich von diesen Oberen niemand ernsthaft darum sorgt, wie ein hart arbeitender Mensch in Konstanz mit 1.800 € brutto über die Runden kommen soll. Statt dessen schob man den Schwarzen Peter hin und her, und der Gemeinderat stimmte letztlich 18:18 ab, womit der Antrag, die Gagenerhöhung aus dem Stadtsäckel zu bezahlen, keine Mehrheit fand und damit abgelehnt wurde. Auch der Gemeinderat konnte sich letztlich also nicht zu einer unbürokratischen Lösung im Interesse der Arbeitnehmer_innen durchringen, und das in Zeiten, in denen es der Stadt Konstanz wirtschaftlich sehr gut geht. Werktätige, hört diese Signale!

O. Pugliese

Gemeinderat: Debatte über Schwaketenwald-Bebauung / Bürgerentscheid über Wohnungsbaupolitik?

Das Handlungsprogramm Wohnen tritt derzeit in den Augen der Öffentlichkeit ein wenig auf der Stelle, und diese Chance nutzte die SPD in der gestrigen Gemeinderatssitzung, mit einem Antrag vorzupreschen, der auf eine Wohnbebauung des Schwaketenwaldes hinauslief. Die Angelegenheit erwies sich schnell als (zumindest vorläufiger) Rohrkrepierer und wurde in den TUA verwiesen, aber die Diskussion über die Verweisung zeigte doch an, in welche Richtung sich die Wohnraumdiskussion entwickeln dürfte.

Der SPD-Antrag war ebenso einfach wie die Reaktion der Verwaltung darauf: Die SPD wollte „für das Gebiet zwischen Schwaketen-/Universitätsstraße und Haidelmoos, Sonnentauweg („Schwaketen“) einen städtebaulichen Wettbewerb durchführen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Bebaubarkeit schaffen.“ Die Verwaltung hingegen (deren Chef Oberbürgermeister Uli Burchardt vorneweg) nahm die Position ein, dass „dieser Antrag so nicht beschlossen werden kann. Hierfür ist ein umfangreicher Planungsprozess auf verschiedenen Ebenen notwendig (z.B. Regionalplanung, Bauleitplanung, Waldumwandlung). Die Verwaltung schlägt daher vor, dem Gemeinderat im 1. Quartal 2016 einen Grundsatzbeschluss über das weitere Vorgehen vorzulegen.“

Ab in den Ausschuss

Für die Grünen begründete Peter Müller-Neff, weshalb dieses Thema nicht im Gemeinderat abgestimmt werden solle, sondern vorher erst zur Beratung in den Technischen und Umweltausschuss (TUA) gehöre: Er wandte unter anderem ein, dass ein so wichtiges Thema an diesem Tag am Ende der Sitzung stehe, wenn praktisch keine Besucher mehr anwesend seien, und so etwas gehöre an die Öffentlichkeit.

Oberbürgermeister Uli Burchardt hatte an diesem Tag offensichtlich Lust, seinem Herzen mal so richtig Luft zu machen und einen wackeren Rundumschlag gegen alle Widersacher und Kritiker des Handlungsprogramms Wohnen von links bis rechts hinzulegen, und das gründlich. „Der Wissensstand einiger Akteure und Leserbriefschreiber in dieser Angelegenheit ist verdammt gering,“ rief er blitzenden Augs in den Saal, und so manche Gemeinderätinnen und -räte wanden sich – sichtbar schuldbewusst ob ihrer Unwissenheit – in ihren Sitzen. „Wir haben,“ so der OB weiter, „damals zuerst sehr aufwendige Studien betrieben und Gutachten in Auftrag gegeben und das Handlungsprogramm Wohnen daraufhin alle gemeinsam einstimmig (!) so beschlossen.“ Außerdem verwahrte er sich gegen die Behauptung, dass er den Schwaketenwald unbedingt bebauen wolle: Er habe nur geprüft, ob dieses Gebiet in Frage käme, denn es sei eine der wenigen größeren Flächen, die sich in städtischem Besitz befinden.

Der OB und der Weltgeist

Uli Burchardt hatte seine Hausaufgaben gemacht. Er zeichnete den Welttrend Urbanisierung nach, der dazu geführt habe, dass weltweit mittlerweile erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr als 50% der Menschen in Städten leben, in Deutschland sogar 75% – vor hundert Jahren sei das noch ganz anders gewesen. Dieser Trend wird sich seiner Meinung nach fortsetzen, und darum muss die Stadt Konstanz sich heute überlegen, wie sie für die nächsten Generationen eine nachhaltige Stadtentwicklung in Gang bringen kann. Außerdem sei der Quadratmeterbedarf pro Person in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen, heute lebe man eben nicht mehr mit mehreren Generationen in einer Haushälfte unter einem Dach, sondern wolle sich entfalten. Auch das brauche mehr Platz.

Sein Fazit, mit dem er offene Eulen nach Athen trug: Konstanz hat wenig Raum und muss umgehend reagieren, sonst können es sich bald nur noch die Reichen leisten, hier zu wohnen. In Konstanz, und da erwachte in diesem gestandenen CDUler plötzlich der Kathedersozialist mit dem messerscharfen Blick für die knallharte Klassenanalyse, gebe es extrem teure Mieten, und das sei nicht nachhaltig, denn hier setze sich, wenn nicht schnell etwas geschieht, das Geld durch, und die ärmeren Menschen müssten die Stadt verlassen.

Er versicherte auch, dass er kein Eigeninteresse damit verfolge, „ich privat brauche für mich kein neues Wohngebiet, ich kann mir 15,- Euro kalt leisten“. (Beiseit’ gesprochen: Und das aus dem Mund eines Oberbürgermeisters, der vor etlichen Monaten vor dem Gemeinderat barmte, man möge doch zu seinen Gunsten etwas an irgendwelchen Fahrtkostenregelungen ändern, denn da komme er zu schlecht weg, wobei er unter Krokodilstränen mit dem Bettelstab winkte).

Kurzum, und das ist mittlerweile wohl auch der Gemeinderatsmehrheit klar: Die Innenverdichtung ist am Ende, Konstanz braucht neue Bauflächen. Der OB als gelernter Förster versicherte, auch er sei gegen Flächenverbrauch und das Roden von Wäldern, aber jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, neue Flächen zu erschließen. Darum möge der Gemeinderat doch der Verwaltung erlauben, im ersten Quartal 2016 einen Grundsatzbeschluss vorzuschlagen. Der Gemeinderat erlaubte aber nicht, sondern verwies die gesamte Angelegenheit erst mal in den TUA.

OB will Bürgerentscheid

Eine relativ sensationelle Ankündigung Uli Burchardts ging in der Debatte leider ziemlich unter, nur Holger Reile (LLK) griff den Vorschlag auf und lobte den Oberbürgermeister ausdrücklich dafür (obwohl der altlinke Gewohnheitsoppositionelle Reile außer der Nikotinsucht nun eigentlich gar nichts mit dem Oberbürgermeister gemein hat): Uli Burchardt will, ohne Details zu nennen, möglichst schnell einen Bürgerentscheid über die Entwicklung des Konstanzer Wohnungsbaus durchführen.

Man darf vermuten, dass es ihm dabei darum gehen dürfte, das zwar einstimmig beschlossene, aber mittlerweile in die Kritik geratene Konzept des Handlungsprogramms Wohnen mit seinem Schwerpunkt auf mittlerem und gehobenem Wohnraum abzusichern. Aber immerhin wäre ein Bürgerentscheid, eine Volksbefragung oder was auch immer wohl eine geeignete Möglichkeit, dieses zentrale Projekt der Daseinsfürsorge per Schwarmintelligenz auf die richtige Spur zu bringen.

Mittelschicht ist Unterschicht

Nun kann es eine solche Diskussion natürlich nicht geben (und schon gar nicht in Zeiten sich abzeichnender Landtagswahlen), ohne dass auch Roger Tscheulin (CDU) seinen gelegentlich etwas verqueren Senf dazugäbe. Tscheulin erkennt ganz richtig, dass die wirklich Reichen keine Wohnungsnot kennen, weil in diesem Land nun mal das Geld regiert. Er behauptet ganz unrichtig, dass die Armen auch keine Wohnungsprobleme haben, weil sie ja Wohnberechtigungsscheine bekommen – wie man in einem Wohnberechtigungsschein wohnen soll, ließ Tscheulin offen, und dass man mit einem solchen Schein nichts anfangen kann, wenn es nicht genug Sozialwohnungen gibt, verschwieg er sicherheitshalber. Kurzum: Für Tscheulin sind die Mittelschicht und junge Familien die neuen Obdachlosen, die zwischen dem Hammer der privilegierten Reichen und dem Amboss der mindestens ebenso privilegierten Wohnberechtigungsscheinbesitzer mürbe geklopft werden. Darum lehnt er zusätzlichen sozialen Wohnungsbau auch ausdrücklich ab, weil der „der Mitte“ nicht helfen wird.

Toll, endlich mal wieder ein Volksvertreter, der aus ideologischer Erleuchtetheit wirklich etwas für seine Wähler (und nur für die!) tun will, indem er die angehenden Häuslebauer als die neuen Obdachlosen ausruft. Vermutlich sind 99% der Fußgänger für Tscheulin grüne Wirrköpfe – und das andere eine Prozent bedauernswerte Millionäre, die sich seit Einführung des Mindestlohns ihren Chauffeur schlichtweg nicht mehr leisten können. Frohe Weihnachten!

O. Pugliese

Ein Dosenfabrikant macht die Belegschaft ein

Maultasche-2015Erpressung in Rielasingen, Unterbietungswettlauf in Konstanz und ein rechtlich zweifelhafter Rauswurf in Allensbach: Drei Firmen haben sich um den Maultaschenpreis für besonders beschäftigten­feindliches Unternehmerverhalten beworben. Wer das Rennen machte, gaben IG Metall und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 8.12. auf einer Pressekonferenz in Singen bekannt.

„So etwas haben wir hier bisher noch nicht erlebt“, sagt Raoul Ulbrich, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Singen. Es komme zwar oft vor, dass Schweizer Unternehmer ihre Mühe mit dem deutschen Arbeitsrecht haben, aber Nussbaum in Rielasingen sei schon ein ganz besonderer Fall. Das kann man wohl sagen. Denn die Firmenchefs sind mit ihrer Teile-und-herrsche-Politik dabei, den Standort Rielasingen, möglicherweise aber das gesamte Unternehmen, an die Wand zu fahren.

Maultasche-2015-NussbaumDie Dosenfabrikation in Rielasingen (vormals Lechner) gehört seit 2001 zur schweizerischen Nussbaum AG mit Sitz in Matzingen (Kanton Thurgau). Lange Zeit sei das Verhältnis einigermaßen passabel gewesen, sagt Thorsten Schlicht, der zuständige Betriebsbetreuer bei der IG Metall Singen. Aber dann habe ihm der neue Geschäftsführer Bernd Gebhardt im Herbst 2014 mitgeteilt, dass das Unternehmen die Tarifbindung bis Ende 2015 aufgeben werde. Ziel der Maßnahme: Absenkung der Lohnstufen unter das Minimum dessen, was im Tarifsystem der Metallindustrie gerade noch akzeptabel ist. „Nach langen und schwierigen Verhandlungen haben wir uns schließlich im Juli 2015 auf ein Eckpunkte-Papier einigen können“, berichtet Schlicht, man sei den Forderungen des Eigentümers Florian Nussbaum entgegengekommen – „aber in einem tariflich vernünftigen Rahmen“.

Nur wenige Tage später jedoch warf die Geschäftsleitung per Aushang alles über den Haufen: Man werde die Produktionslinien 1 und 7 (sie machen, so Schlicht, rund sechzig Prozent der Fertigung aus) in andere Werke verlegen – es sei denn, 85 Prozent der Beschäftigten unterschreiben einen Einzeltarifvertrag. Was dann geschah, schildert Schlicht so: „Die Beschäftigten sind massiv unter Druck geraten, sie wurden mitunter mehrmals am Tag angerufen und aufgefordert, den Einzelvertrag und eine Anhebung der Arbeitszeit von 35 auf 40 Wochenstunden zu akzeptieren.“ Die Firmenleitung setzte sich durch und versprach in einem Schreiben an die IG Metall, bis „Ende 2020 keine Produktionslinien“ zu verlagern – und machte zweieinhalb Monate erneut eine Kehrtwende, weil es der Betriebsrat gewagt hatte, bei einer Einstellung auf den tariflichen Minimallohn zu pochen: Jetzt werde alles verlagert, und zwar ab sofort, ließ Gebhardt den Betriebsrat wissen (die genauen Details sind auf der Webseite der Konstanzer Maultasche dokumentiert).

„Zuerst wollten sie die Gewerkschaft loswerden, jetzt nehmen sie sich den Betriebsrat vor“, sagt Thorsten Schlicht. Derzeit kursiere in der Belegschaft eine Unterschriftenliste, die den Betriebsrat zum Rücktritt auffordert. 70 der 115 Beschäftigten sollen bisher unterschrieben haben. Dabei, so Schlicht, gelte für den Betrieb noch Nachbindung: „Es müssen also die bisherigen Löhne weiter gezahlt werden, die Beschäftigten sind materiell erst einmal nicht schlechter gestellt.“ Die Ironie dabei: „Wenn es tatsächlich so schlecht um den Betrieb steht, wie die Geschäftsleitung behauptet, hätte sie tatsächlich Kosten sparen können. Aber nur im Einvernehmen mit uns von der IG Metall.“ Aber verhandeln und Kompromisse eingehen passe wohl nicht zum monarchistischen Selbstverständnis der Firmeninhabers. Florian Nussbaum sei ein „sehr würdiger Preisträger“.

Südkurier Medienhaus und Schmieder

Maultasche-2015-SuedkurierDen zweiten und dritten Preis vergab das Konstanzer Maultaschenkomitee, das sich nach der Maultaschenaffäre 2009 gegründet hatte, an das Medienhaus Südkurier und an die Geschäftsleitung der Schmieder-Kliniken Allensbach. Der Südkurier habe den zweiten Platz „aufgrund seiner Gesamtleistung“ erhalten, begründet ver.di-Sekretär Markus Klemt die Wahl: Ebenfalls Flucht aus der Tarifbindung mit den üblichen Folgen (Arbeitszeiterhöhung um fünf Wochenstunden, Lohnerhöhungen nach Gutdünken des Chefs). Dazu lange Zeit „Tricksereien“ bei der Vergütung für ZeitungszustellerInnen. Zusammenarbeit mit einer Leiharbeitsfirma, die keine Zulassung hatte. Schlechte Honorierung der freien MitarbeiterInnen („Der Südkurier ist einer von nur wenigen Verlagen, die sich nicht an die gemeinsame Honorarempfehlung von Journalistenverbands und ver.di hält“, sagt Klemt). Und nun auch noch eine enge Zusammenarbeit mit dem Schwarzwälder Boten, die „zum Abbau von Lokalredaktionen und der Medienvielfalt“ führt.

Margrit Zepf wiederum, Geschäftsführerin des ver.di-Bezirks Schwarzwald-Bodensee, schildert den Fall Schmieder (seemoz berichtete ausführlich): Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, das außerhalb des Betriebsgeländes ein Gewerkschaftsplakat aufgehängt hatte. Die Aktion sei Teil einer bundesweiten ver.di-Kampagne für eine bessere personelle Ausstattung des Gesundheitswesens gewesen, habe sich also nicht gegen Schmieder gerichtet, sondern an die Adresse der Politik, erläutert Zepf. Dennoch habe die Geschäftsleitung Karl-Heinz G. entlassen. Ihr Argument: er sei damals offiziell krankgeschrieben gewesen und habe folglich die Erkrankung nur vorgetäuscht. Maultasche-2015-SchmiederGegen diese Begründung spricht allerdings ein ärztliches Attest. „Es geht nicht an, dass Arbeitnehmern, die in angemessener Form auf ein existierendes Problem aufmerksam machen, fristlos gekündigt wird“, sagt Margit Zepf, „deswegen hat Schmieder den dritten Preis verdient“.

Ausführliche Begründungen für die Preisvergabe 2015 und Informationen über frühere Preisverleihungen stehen auf der Webseite des Konstanzer Maultaschen-Komitees www.konstanzer-maultasche.de.

pw

Abholzungspläne sind falsche Antwort auf Wohnungsnot

Die von Oberbürgermeister Uli Burchardt ins Spiel gebrachte Rodung eines Teils des Schwaketenwalds, um Flächen für neuen Wohnraum zu schaffen, ist die falsche Antwort auf die in Konstanz herrschende Wohnungsnot. Der Vorschlag soll vor allem davon ablenken, dass die Politik in der Wohnungsbaupolitik völlig versagt hat. Denn der Hauptgrund für die Misere sind nicht fehlende Flächen, sondern wie die zur Verfügung stehenden bebaut werden.

In der Stadt fehlen vor allem deshalb bezahlbare Wohnungen, weil die Stadtverwaltung im Verein mit den bürgerlichen Mehrheitsfraktionen im Gemeinderat jahrzehntelang eine völlig verfehlte Stadtentwicklungspolitik betrieben hat. Der Bürgerblock hat in einer wachsenden Stadt das Feld des Wohnungsbaus, eigentlich genuine Aufgabe der kommunalen Daseins­vorsorge, weitgehend privaten Anlegern überlassen. Gebaut wird bis heute vor allem das, was Profit verspricht. Das hat nicht nur dazu geführt, dass zu wenig Wohnraum entstand, sondern vor allem solcher, den sich immer weniger Menschen leisten können. Dieses seit langem bestehende Kernproblem der herrschenden Städtebaupolitik ist durch den Zuzug von Geflüchteten lediglich deutlicher zu Tage getreten.

Auch das Handlungsprogramm Wohnen, mit dem die Politik nach Jahren der Untätigkeit endlich reagiert hat, wird dieses Grundproblem nicht lösen. Denn das Programm setzt weiter auf den Markt, obwohl dessen ungezügeltes Wirken uns die jetzigen Zustände erst beschert hat. Deutlich wird das vor allem auch an der beschlossenen Segmentierung: Um das Baugeschäft auch weiterhin für Privatinvestoren schmackhaft zu machen, sollen lediglich ein Sechstel der geplanten Neubauten im unteren Mietpreissegment gebaut werden, obwohl unbestritten ist, dass Wohnungen vor allem in diesem Bereich fehlen.

Tatsache ist: Wer die Wohnungsnot wirksam bekämpfen will, muss nicht in erster Linie zusätzliche Flächen freiholzen, sondern Geld in die Hand nehmen, mit dem öffentlich geförderter, dauerhaft mietpreisgebundener Wohnraum geschaffen wird. Wir brauchen dringend massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Dazu muss das Gesamtpaket des Handlungsprogramms Wohnen aufgeschnürt und grundlegend anders gewichtet werden.

Die Linke Liste fordert angesichts des aktuellen Bedarfs, dass 50 Prozent der projektierten Neubauten im unteren Mietpreissegment entstehen. Dabei muss der städtische Sozialwohnungsbau Vorrang haben. Mit der WOBAK verfügen wir auch über ein geeignetes Instrument, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Private Investoren dürfen nur zum Zug kommen, wenn sie eine dauerhafte Mietpreisbindung garantieren. Um den Flächenverbrauch zu reduzieren und die Zahl der Wohneinheiten zu erhöhen, müssen dabei vor allem mehrgeschossige Gebäude entstehen. Darüber hinaus sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, nichtstädtische Frei- und Brachflächen für Wohnzwecke zu erschließen und insbesondere mit aller Entschiedenheit gegen Leerstand vorzugehen.

Anke Schwede, Holger Reile, Linke Liste Konstanz

Konstanzer Kulturdebakel

seemoz-ZeltfestivalKnapp ein Jahr nach seiner Wiederbelebung droht dem Zeltfestival erneut das Aus. Die Schweizer haben sich aus der Mitfinanzierung zurückgezogen und der Konstanzer Gemeinderat will diese Finanzierungslücke nicht schließen. Fällt kein spendabler Sponsor vom Himmel, ist das Festival endgültig gestorben. Ein Armutszeugnis für die größte Stadt am Bodensee, die sich gerne und oft auch recht großspurig als kulturelles Oberzentrum versteht.

Es geht gerade mal um 40 000 Euro, die nach dem Ausstieg der Stadt Kreuzlingen fehlen. Der Konstanzer Gemeinderat weigert sich, diese Summe auf die für das vergangene Festival bewilligten 90 000 Euro draufzulegen. Etwa 130 000 Euro brauchen die örtlichen Organisatoren insgesamt, um ein halbwegs anspruchsvolles Programm zu stemmen.

In der Regel sollte man es vermeiden, Kultur gegeneinander aufzurechnen. Vorausgesetzt, die Mischung stimmt, bietet für fast alle Geschmäcker etwas, und die Veranstalter sogenannter alternativer Kultur werden am Katzentisch nicht mit einem Nasenwasser abgespeist. Doch wenn das Missverhältnis so gravierend ist, wie es an einzelnen Ausgaben für die sogenannte Hochkultur mittlerweile abgelesen werden kann, dann darf, ja muss massiv Einspruch erhoben werden.

Beispiel Philharmonie: Die städtischen Zuschüsse für das Orchester steigen bis 2018 jährlich um voraussichtlich rund 100 000 Euro und bewegen sich in drei Jahren im Millionenbereich. Eine satte Mehrheit im Rat findet das in Ordnung und winkt die jährlichen roten Zahlen ohne allzu große Diskussionen durch. Noch nicht lange ist es her, da wurde ein finanzielles Desaster über mehrere hunderttausend Euro zwar leise murrend, aber dennoch billigend in Kauf genommen. Der ursprüngliche Traum, dass das Orchester einen immer höheren Anteil seines Etats selbst einspielen oder gar Schulden tilgen kann, ist längst geplatzt, da völlig unrealistisch.

Die Südwestdeutsche Philharmonie wird unter dem Strich immer ein höchst defizitäres Unternehmen bleiben, daran ändern auch die gestiegenen Abozahlen nichts. Das weiß Intendant Beat Fehlmann, dem kein Vorwurf gemacht werden kann, denn er und seine Musiker leisten unter den gegebenen Umständen gute und professionelle Arbeit. Allerdings auf einem Feld, dessen Erträge ständig magerer werden und von Besserung nicht die Rede sein kann.

Eine aktuelle Studie der Uni Wien stellte vor nicht allzu langer Zeit fest: „Die Klassische Musik ist im Begriff, einen musealen Charakter zu bekommen. Die Folgen wie die Überalterung des Publikums und das Desinteresse nachfolgender Generationen sind inzwischen unübersehbar“. Und so stellt sich auch in Konstanz die Frage: Sollen wir dennoch in den kommenden Jahren einen immer größeren Teil der städtischen Kulturmittel auch auf Kosten anderer in die Philharmonie pumpen? Die Klassikliebhaber werden nichts dagegen haben, im Gegenteil. Bescheidenheit ist ihnen sowieso gänzlich fremd und vermehrt werden aus diesen Kreisen wieder Stimmen laut, die den Bau eines Konzerthauses neben dem Bodenseeforum fordern, weil die schlechte Akustik im Konzil sowohl den Musikern als auch den Besuchern nicht mehr zugemutet werden könne. Dass ein Vorhaben in dieser Größenordnung mindestens 30 Millionen Euro aufwärts kosten wird, ficht die Befürworter dieses arroganten Projekts nicht an.

Beispiel Konziljubiläum: Rund 12 Millionen Euro werden bis 2018 dafür locker gemacht. Nach Abzug von Zuschüssen bleiben etwa sechs Millionen Euro an der Stadt hängen. Eine Veranstaltung jagt die nächste und manche davon sind so überflüssig wie der sprichwörtliche Kropf. Aber man gönnt sich ja sonst nichts, faselt von der internationalen „Medienäquivalenz“, die angeblich dafür gesorgt haben soll, den Ruhm der Stadt Konstanz weltweit zu mehren. Frühere Vorschläge, das Budget auf maximal zwei Millionen Euro zu beschränken, die Dauer des Spektakels zu verkürzen und das aufgeblähte Programm, das eine Mehrheit der KonstanzerInnen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – kaum interessiert, auszudünnen, fanden im Rat keine Mehrheit.

Eine überwältigende Mehrheit hingegen weigert sich, schlappe 40 000 Euro in die Hand zu nehmen, damit dem Zeltfestival das Überleben zu sichern und ihm Zeit zu gönnen, um es wieder zu dem zu machen, was es einmal war: Ein weit über die Region hinaus strahlendes Alleinstellungsmerkmal. Und das ist, da kann man Südkurier-Lokalchef Jörg-Peter Rau uneingeschränkt beipflichten, einfach nur „armselig“.

H. Reile

Aktionsplan gegen Armut und soziale Ausgrenzung

armut-nimmt-zukunftGökay Akbulut und Bernd Riexinger, die Spitzenkandidat*innen der LINKEN für die Landtagswahl, haben am 3. Dezember bei einer Pressekonferenz einen Aktionsplan gegen Armut und soziale Ausgrenzung vorgestellt. Riexinger, auch Bundesvorsitzender der Linkspartei, erklärte mit Blick auf den offiziellen Armutsbericht, den die baden-württembergische Landesregierung nach langer Verzögerung Ende November endlich veröffentlicht hatte, Armut sei für die Landesregierung „kein wirkliches Problem. Doch das ist unmenschlich, das darf so nicht weitergehen.“ Notwendig seien jetzt endlich wirksame Maßnahmen gegen Armut im Land. „Sozialministerin Altpeter muss jetzt aktiv werden gegen Armut, gegen Kinderarmut und gegen soziale Ausgrenzung. Sie wäre gut beraten, mit unserem Aktionsplan zu beginnen, um Armut in unserem reichen Land wirksam zu bekämpfen.“

Maßnahmen gegen Armut unzureichend

Zentrale Aussagen des Armuts- und Reichtumsberichts, den die Landesregierung nach langer Verzögerung endlich Ende November 2015 vorgelegt hat:

  • 1,6 Mio. Menschen in BW bzw. etwa 15% des Bevölkerung sind von Armut bedroht, haben also weniger als 60% des Durchschnittseinkommens.
  • Armutsgefährdet sind: Alleinerziehende, junge Erwachsene, Menschen mit Migrationshintergrund und ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowie 54% der Erwerbslosen.
  • Etwa 450.000 Menschen in Baden-Württemberg leben in „strenger Armut“, haben also weniger als 40% des Durchschnittseinkommens.
  • Armut tritt nach wie vor hauptsächlich bei Frauen auf: Fast die Hälfte aller alleinerziehenden Frauen haben zu wenig Geld, um über die Runden zu kommen. Viele Frauen haben nur Teilzeitarbeit bei geringem Verdienst (Aushilfsjobs, Minijobs).
  • Kinderarmut: 18% der Kinder und Jugendlichen in BW sind armutsgefährdet:
    – 26 % der Familien mit drei oder mehr Kindern sind armutsgefährdet; das Armutsrisiko für Familien wächst mit Zahl der Kinder.
    – Entwicklungs- und Teilhabechancen für armutsgefährdete Kinder ist extrem niedrig (Schwimmbad, Kino, Zoo, Ausflüge, Klassenfahrten),
    – die Folge sind: soziale Isolation, hohes Krankheitsrisiko und die Gefahr, im Bildungssystem zu scheitern.
  • Regionale Unterschiede: in Mannheim ist Armut doppelt so hoch wie am Bodensee.

Kritik an Ministerin Altpeter und Regierungsmaßnahmen

Die Maßnahmen, die Sozialministerin Altpeter aus dem Armuts- und Reichtumsbericht ableitet, sind unzureichend, um Armut in einem reichen Bundesland zu bekämpfen:

  • Sie will per Bundesratsinitiative einen Zuschlag zum Kindergeld für Alleinerziehende in Höhe von 100 Euro für das erste Kind, 20 Euro pro weiteres Kind. Doch für Alleinerziehende ist dieser Betrag unzureichend.
  • Sie will familiengerechte Wohnangebote für Familien ausbauen. Doch das ist weder eine neue Maßnahme noch nennt die Ministerin konkrete Ausbauziele.
  • Sie will mehr Grundschulen zu Ganztagsschulen ausbauen. Doch dieser Ausbau verläuft seit 2011 sehr schleppend: Bis heute sind landesweit von 5.600 Grundschulen lediglich 290 zu Ganztagsschulen ausgebaut. Grund: Die Schulen bekommen nicht genügend Finanzmittel vom Land für die Umwandlung.
  • Sie will das Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“ weiterführen. Doch seit 2011 sind landesweit erst zwölf Beratungszentren für Langzeitarbeitslose eingerichtet, die die Menschen zusätzlich zum JobCenter beraten und in Arbeit vermitteln sollen.
  • Sie hat bei der Integrationspolitik versagt: Armut und Arbeitslosigkeit sind besonders bei Migranten hoch. Erwachsene Migranten sind stark von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen. Sie haben nur zwei Alternativen: Hartz IV oder Ausbeutung per Zeitarbeit oder Leasing unterhalb des Mindestlohns. Für Migranten bleibt nur schlecht bezahlte und unqualifizierte Arbeit.

Aktionsplan gegen Armut und soziale Ausgrenzung

  • DIE LINKE fordert eine konsequente Politik der Armutsbekämpfung und einen durchgreifenden sozialpolitischen Kurswechsel.
  • Die Landesregierung muss Armut endlich wirksam bekämpfen, keine Teillösungen, keine punktuellen Programme.
  • Zusammenarbeit mit den Sozialverbänden ist dringend notwendig.
  • Wir benötigen vom Land finanzierte kommunale Handlungskonzepte zur Prävention und zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung. Dafür sind vom Land Maßnahmen für lokale Armutspolitik notwendig.

DIE LINKE fordert:

  1. Öffentlich geförderte Beschäftigung als aktives Arbeitsmarkt-Instrument; Land als Beispiel und Vorzeigearbeitgeber.
  2. Erhöhung des Mindestlohns auf 10 Euro.
  3. für armutsbetroffene Kinder komplett gebührenfreier Besuch der Kita.
  4. kostenloses warmes Mittagessen in den Kitas und Schulen.
  5. Ausbau der Ganztagsschulen.
  6. Ausstellung von Sozialtickets in den Kommunen.
  7. Ausbau von kostengünstigem Wohnraum insbesondere für Familien mit Kindern.
  8. Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Form einer Millionärssteuer, um Armut zu bekämpfen. Die würde 7 Mrd. Euro Steuereinnahmen für Baden-Württemberg bringen bei 5% Besteuerung ab der zweiten Million.

red