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Villingen: Rassisten wollen wieder marschieren

Die Grenzen verlaufen zwischen oben und untenFremdenfeindliche Kräfte verschiedenster Couleur aus der weiteren Region lassen nicht locker. Erneut hat die Rassistenvereinigung, die sich “Pegida Dreiländereck” nennt, für den 14. Juni einen Aufmarsch in Villingen angekündigt. Vor Ort rufen Antifaschist_innen wieder zur Gegenwehr auf. Die jüngsten Geschehnisse in Konstanz und Radolfzell, wo Unterstützer der Neonazi-Partei “Der dritte Weg” unter anderem Hetzpamphlete gegen Flüchtlinge in Briefkästen steckten und den 8. Mai zur Verherrlichung des Nationalsozialismus nutzen wollten, zeigen: höchste Wachsamkeit gegen die Versuche des braunen Sumpfs, sich in der Region zu etablieren, ist geboten. Wir dokumentieren den Aufruf des Offenes Antifaschistisches Treffens Villingen-Schwenningen zu Gegenaktionen am kommenden Sonntag.

Am Sonntag, den 14. Juni, will „Pegida Dreiländereck“ wieder in Villingen aufmarschieren. Dieses Mal kündigen sie allerdings anders als bisher eine Demonstration an.

In den vergangenen Wochen wurde nochmal besonders deutlich, wovor antifaschistische Kräfte schon seit Beginn der Pegida-Aufmärsche gewarnt hatten: Durch Pegida vernetzen sich nun rechte Kräfte in der Region. So hat sich am 14. Mai auf Facebook eine Gruppierung Namens „Freikorps Villingen Bodensee“ gegründet, die auch prompt am Pfingstsonntag in der Villinger Innenstadt einen Aufmarsch mit knapp 15 Personen organisierte. Mitglied dieser neuen Kameradschaft ist neben mehreren anderen Faschisten auch Tim Belz, Vorsitzender des Kreisverbands Konstanz-Bodensee der Nazipartei NPD.

Gerade deshalb ist es wichtig, den Rechten entgegenzutreten. Am 14. Juni will Pegida durch die Innenstadt marschieren und nicht mehr nur auf dem Münsterplatz ihren, von weit her angereisten, Hetzern lauschen. Mit diesem Konzept konnten sie zuletzt nur mit Promis wie Lutz Bachmann und Michael Stürzenberger die Teilnehmerzahlen halten. Wenn ihnen eine Demonstration durch die Villinger Innenstadt gelingt, gibt das den rassistischen und faschistischen Kräften in der Region Aufwind.

Darum gilt es gerade jetzt, sich den Faschisten und Rassisten entgegenzustellen und ihren Aufmarsch zu blockieren. Ob mit Sitzblockaden, Demonstrationen und anderen kreativen Aktionen – lasst uns verhindern, das Pegida am 14. Juni mit rechten Hetzparolen durch die Villinger Altstadt ziehen kann!

Anlaufpunkte für Gegenproteste am 14. Juni, jeweils ab 14:30 Uhr:
– Latschariplatz (Stadtmitte)
– Rietstraße (Höhe Franziskanermuseum)

Offenes Antifaschistisches Treffen Villingen-Schwenningen

Treffen jeden ersten Mittwoch im Monat ab 19 Uhr im Linken Zentrum Mathilde Müller (Jahnstr. 47/1, Schwenningen, Eingang Karlstr.)

www.antifatreffenvs.wordpress.com

Bankenrettung schiebt Kollaps nur hinaus

Die große Entwertung

Trenkle ist Co-Autor des 2012 im Unrast-Verlag erschienen Buchs.

Am Anfang eine gewagte These: Bankenrettung und die Wiederversorgung der internationalen Geldinstitute mit frischem, staatlichem Geld war die einzige Möglichkeit, einen Totalkollaps des Weltwirtschaftssystems aufzuschieben. Nur die Finanzwirtschaft hält das kapitalistische Wirtschaften überhaupt noch in Gang. Mit dieser Eingangsthese eröffnete Norbert Trenkle, Publizist und Mitglied des KRISIS-Kollektivs (http://www.krisis.org/), seinen Vortrag an der Universität, der im Rahmen der AStA-Ringvorlesung „Die Politik in der Krise“ (weitere Veranstaltungen hier) stattfand. Trenkle untermauerte diese These durch eine umfassende und schonungslose Analyse der herrschenden Dogmen sowohl der Politik als auch der Wirtschaftswissenschaften.

Kapitalismus als Arbeitsgesellschaft

Ausgehend von den Grundlagen der kapitalistischen Warenproduktion zeigte derer linke Ökonom auf, wie alle Wertschöpfung durch Arbeit entsteht. Arbeit generiert eine Ware, die jedoch einen von ihrem Gebrauchswert abstrakten, gesellschaftlich konstruierten (ökonomischen) Wert erhält – üblicherweise als Preis bezeichnet. Der entscheidende Faktor, um das eigene Ausgangsvermögen – das Kapital – bestmöglichst zu verwerten, ist die Arbeit, die im Kapitalismus ebenfalls als Ware gekauft und vernutzt wird. Unter dem Druck der Konkurrenz müssen deshalb immer mehr Waren von immer weniger Arbeitskräften produziert werden, um eine größtmögliche Verwertung des eingesetzen Kapitals zu erreichen.

Der Kapitalismus sieht sich also andauernd der Notwendigkeit ausgesetzt, entweder Arbeitskraft einzusparen oder die Warenmenge, beziehungsweise die Absatzmärkte, auszudehnen. Die klassische Wirtschaftswissenschaft nennt dies Erschließung neuer Märkte.

Ein historischer Schritt zu weit

Norbert Trenkle behauptet: Trotz all der bisherigen Krisen hat es der Kapitalismus bis in die 1970er Jahre hinein geschafft, sich durch immer größere Ausdehnung der realen Produktion und die Erfindung immer neuer, scheinbar notwendiger Konsumgüter am Leben zu erhalten.

In den 70ern jedoch verändern sich die Grundvoraussetzungen der Produktion schlagartig. Mit der sog. dritten industriellen Revolution wurden plötzlich zu viele Arbeitskräfte freigesetzt. Die Arbeit wird nun von Maschinen und datenverarbeitenden Systemen erbracht. Wachstum ist nun auch ohne menschliche Arbeit möglich. Dabei verliert die vertriebene Ware auch eine ihrer Kernfunktionen, nämlich die integrative Rolle, die sie für die Kommunikation und die Beziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern spielt. Gleichzeitig stellt sich eine Saturierung der Absatzmärkte ein. Wer keine Arbeit hat, kann auch nichts konsumieren. Realwachstum wird plötzlich unmöglich. Norbert Trenkle formuliert es so: Der Kapitalismus wurde zu reich für sich selbst.

Placebo

Ein neues Placebo, ein neues Wachstum musste her, sonst würde der Kapitalismus an seinem eigenen Dogma scheitern: Wertschöpfung um der (Mehr)wertschöpfung willen. Dieses neue Placebo findet die globale Wirtschaft im Finanzsektor. Dort wird fiktives Kapital generiert. Mit diesem Begriff sind Werte gemeint, die nicht mehr mit bereits geleisteter Arbeit und damit mit einem real fassbaren Produkt der Arbeit zusammenhängen. Fiktives Kapital ist vielmehr die Erwartung, dass in Zukunft Arbeit erbracht und damit ein Wert geschöpft wird. Es lebt vom Vertrauen der Investoren auf die Wertigkeit und Prosperität des Unternehmens oder des Produkts, auf dem es basiert. Eine Aktie der Firma VW beispielsweise ist konzentriertes Vertrauen in zukünftiges Wachstum, d.h. zukünftige Realproduktion dieses Unternehmens.

Indem die Verkörperung dieses Vertrauens, im vorliegenden Beispiel das Wertpapier Aktie, handelbar wird, löst es sich von seinem Ausgangswert, also dem Unternehmen, und wird selbst zu einem Wert. Die Verkörperung bekommt einen Preis, der steigen, sinken stagnieren kann – und damit selbst wieder neues Kapital, also neues Wachstum generiert.

Die Krisengesellschaft ab den 1970er Jahren, so Trenkle, lebt von der fortwährenden künstlichen Schöpfung solchen Kapitals.

Grundlage: Vertrauen

Ein Einwand liegt da offensichtlich auf der Hand: Woher kommt dieses irrationale Vertrauen in zukünftige Prosperität? Wie kann jemand ernsthaft glauben, dass ein Unternehmer das zehn- oder mehrfache seines tatsächlichen Wertes jemals realisieren kann? Norbert Trenkle meint, zur Aufrechterhaltung dieses Vertrauens müsse es Anknüpfungspunkte in der Realität geben, die die berechtigte Erwartung auf gute Zeiten weckt. Um den Jahrtausendwechsel sei dies die Hoffnung auf neue Technologien wie die Bio-Chemie oder die Dotcom-Industrie gewesen. Danach hat man verstärkt auf Immobilienwerte gesetzt. Heute sind die meisten dieser Hoffnungsschimmer als irrationale Illusionen entlarvt.

Stattdessen treten vermehrt Staaten als Garanten absoluter Sicherheit ein. Diese schienen zumindest bisher als über jeden Zweifel erhaben und jedenfalls immer solvent, wenn’s hart auf hart kommt. Gleichzeitig sind die Staaten fundamental auf das Fortbestehen der Finanzwirtschaft angewiesen: Ohne die andauernde Generierung künstlichen Kapitals würde das gesamte Wirtschaftssystem zusammenbrechen, was verheerende soziale Folgen nach sich zöge. Es entsteht ein systemimmanenter Zwang, Banken zu retten und faule Kredite auf Kosten der Steuerzahler aufzukaufen.

Spätestens seit Argentinien und Griechenland steht fest: Auch Staaten bieten keine absolute Sicherheit. Diese müssen ihre Glaubwürdigkeit ab sofort durch Sparen, Sparen, Sparen nachweisen. Wissenschaftliche Grundlage: 0; Wirtschaftliche Zukunftschancen: 0; Systemerhaltung: Ausreichend, um die Krise zeitweise zu vertagen. Von diesem System profitieren einige wenige Nationen (vornehmlich Deutschland und China), deren Volkswirtschaften selbst noch im großen Stil Warenproduktion leisten und die damit als Geldgeber für die Finanzmärkte auftreten können. Doch auch diese rosige Perspektive hat nur eine kurze Zukunft. Bricht einmal das Vertrauen endgültig zusammen, wird das globale Weltwirtschaftssystem in sich zusammenstürzen, ist Norbert Trenkle überzeugt.

Statt des Systems: Ein neues Gesellschaftskonzept

Diese Logik ist zwingend, solange sich keine Alternative zum kapitalistischen Wirtschaftssystem durchgesetzt hat. Erst wenn wir gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht mehr nach den Gesetzen von Leistung und Gegenleistung, Kauf und Verkauf, also nach den Gesetzen des Marktes organisieren, werden diese Sachzwänge entfallen. Eine neue Gesellschaftsform der Solidarität, in der nach Notwendigkeit produziert wird, nicht nach maximaler Profitgenerierung, ist dafür allerdings Voraussetzung. Und dazu müsste niemand kürzer treten: Wir verfügen über genügend Arbeitskraft und Ressourcen, um für alle Wohlstand zu schaffen. Allein: Der Wunsch, mehr zu haben, als die anderen; das Bedürfnis nach dem Immer-Mehr, muss auf dem Altar der Zukunft geopfert werden.

Simon Pschorr

Technologiezentrum: Stadt und Ratsmehrheit verhökern Tafelsilber

TZKDas Konstanzer Technologiezentrum ist in die Jahre gekommen, die Sanierung des Gebäudekomplexes in der Blarerstraße dringend erforderlich. Dass die Stadtverwaltung dem Gemeinderat auf der letzten Sitzung das Thema zur Entscheidung vorlegte, war deshalb überfällig.

Dies gilt umso mehr, weil auch nach den Vorgaben des im letzten Jahr vom Rat beschlossenen städtischen Neubauprogramms Handlungsbedarf besteht: Für das Gebiet im Stadtteil Paradies sieht das „Handlungsprogramm Wohnen“ eine Mischnutzung vor – entstehen sollen dort neben Arbeitsstätten auch neue Wohnungen, angesichts der herrschenden Wohnraumknappheit auch das ein unterstützenswerter Entwicklungsansatz.

Ganz und gar nicht zu begrüßen ist jedoch, dass die Verwaltung auch in dieser Angelegenheit nach dem sattsam bekannten neoliberalen Muster verfahren will: Genuine Aufgaben der Stadtentwicklung legt man vertrauensvoll am liebsten in die Hände privater Investoren, vorgeblich um den kommunalen Haushalt zu schonen. Folgerichtig forderte die Verwaltung vom Rat deshalb ein Votum für den Verkauf des städtischen Grundstücks, auf dem das Technologiezentrum steht, an einen Privatinvestor. Eine zweite, daran angrenzende und ebenfalls städtische Fläche soll ebenfalls an den Investor gehen, der den Zuschlag erhält.

Lapidare Begründung der Verwaltung für diese Privatisierung öffentlichen Eigentums: „Da die Stadt Konstanz eine Sanierung des Gebäudes bzw. Umsetzung des dargestellten städtebaulichen Konzeptes nicht selbst realisieren kann, soll dies zweckmäßigerweise durch einen Investor erfolgen.“ Eine große Mehrheit segnete den Antrag folgsam ab. Wieder einmal votierte eine Ratsmehrheit damit für die Privatisierung eines Kernbereichs öffentlicher Aufgaben.

Die restriktive Finanzpolitik in Sachen Stadtentwicklung kann fatale Folgen haben, wie verschiedene Beispiele zeigen. Erinnert sei nur an das Kompetenzzentrum (nebenbei: selten sprach ein Name der Sache mehr Hohn), bei dem man nach ähnlichem Muster verfuhr – dort herrscht bis heute hauptsächlich gähnende Leere in den neuen Büroräumen. Diverse Anteilseigner der Investorenfirmen, die sich dort die Klinke in die Hand gaben, mögen sich mit dem Projekt eine goldene Nase verdient haben – vom erhofften frischen Wind in Sachen zukunftstechnologischer Standortförderung blieb noch nicht einmal ein laues Lüftchen.

Oder nehmen wir als weiteres Exempel den ebenfalls an Privat vergebenen Bau zweier Studierendenwohnheime auf dem Chérisy-Areal. Auch das Projekte, die in der Universitätsstadt Konstanz von nicht geringer Bedeutung für die Stadtentwicklung sind und deshalb eigentlich demokratisch gesteuert und kontrolliert gehören. Doch auch in diesem Fall haben Stadt und Ratsmehrheit die Neubauten undurchsichtigen Konsortien überlassen, von denen eines jüngst für Negativschlagzeilen sorgte, weil es nicht nur Arbeiter rechtswidrig für Elendslöhne beschäftigt, sondern in mehreren Fällen selbst darum noch betrogen hat. Die Kommunalpolitik ist in solchen Fällen weitgehend machtlos, weil sie mit der Teil- oder Komplettprivatisierung öffentlicher Aufgaben freiwillig die Zügel aus der Hand gegeben hat.

Doch Verwaltung und bürgerliche Ratsmehrheit scheint das alles nicht anzufechten – sie wollen diesen riskanten Weg unverdrossen weitergehen, wie jetzt die Pläne für das Technologiezentrum zeigen.

Dabei hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Die Linke Liste brachte bei der Gemeinderatssitzung für das Areal eine Lösung ins Spiel, die nicht nur die städtischen Grundstücke in öffentlicher Hand belassen, sondern auch die öffentliche Steuerung des Projekts erleichtert hätte. Denn neben der lokalen Initiative „Areal 56“, bestehend unter anderem aus im Technologiezentrum angesiedelten Unternehmen, hatte auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wobak ihr Interesse an der Entwicklung des Areals angemeldet. Ideale Voraussetzungen eigentlich, sollte man meinen, für eine lokale Lösung in städtischer Regie.

LLK-Stadträtin Anke Schwede plädierte im Gemeinderat deshalb dafür, dass die Stadt mit der Wobak und „Areal 56“ über den Abschluss eines Erbbaurecht-Vertrags verhandelt, um das Modellprojekt Wohnen und Arbeiten in Kooperation zu realisieren. Eine Lösung, deren Vorteile für Schwede auf der Hand liegen: „Die Grundstücke bleiben in städtischer Hand und die Umsetzung durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft garantiert eine demokratisch legitimierte Projektsteuerung.“ So könnten Unwägbarkeiten vermieden werden, die mit der Vergabe an private Investoren verbunden sind. Die Pachtlösung würde dem Stadtsäckel auf Jahrzehnte hinaus zudem verlässlich planbare Einnahmen sichern. Matthias Heider (CDU) machte sich nach der vorhersehbaren Niederlage den LLK-Antrag zu eigen, allerdings ohne die Erbbaurecht-Klausel. Auch dieser Vorstoß scheiterte, zu verlockend war und ist offensichtlich die Aussicht, mit einem Verkauf weiteren Tafelsilbers schnelles Geld zu machen. Die bürgerliche Kommunalpolitik, die nicht nur in diesem Fall von der CDU bis zu den Grünen reicht, bleibt weiter ins Korsett neoliberaler Konzepte eingezwängt.

Jürgen Geiger

Donnerstag, 19 Uhr, Treffpunkt Petershausen: Podemos und die demokratische Revolution – Veranstaltung mit Raul Zelik

Change-Europe-SolidarityDie Rosa-Luxemburg-Stiftung lädt in Kooperation mit der Linken Liste Konstanz zu einem Vortrag über die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Zukunft Spaniens ein. Am 18. Juni referiert der Politikprofessor und Publizist Raul Zelik (Berlin) in Konstanz über die ökonomischen und politischen Krisen in dem Land auf der Iberischen Halbinsel und die Reaktionen darauf, die zu sozialen Massenbewegungen und der Entstehung einer neuen linken Partei geführt haben. Die Veranstaltung im Treffpunkt Petershausen beginnt um 19.00 Uhr, der Eintritt ist frei.

Ähnlich wie in Griechenland hat die EU-Politik auch in Spanien zu einer Dauerkrise geführt. Die öffentlichen Schulden verdreifachten sich seit 2008, trotz des von Brüssel angeordneten Sparkurses. Finanz- und Immobiliengeschäfte haben die Korruption wuchern lassen, 25 Prozent der Bevölkerung sind erwerbslos.

Doch es regt sich inzwischen kräftiger Widerstand gegen die von den europäischen Eliten verordnete und von einer willfährigen konservativen Regierung umgesetzte Austeritätspolitik. In den vergangenen Jahren entstanden breite Basisbewegungen, die für soziale Rechte kämpfen. Als ein Ergebnis gründete sich 2014 mit Podemos („Wir können“) eine neue Partei, die seitdem im Bündnis mit örtlichen Initiativen spektakuläre Erfolge erzielen konnte. Zuletzt punktete sie bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai, die allgemein als Testlauf für die Parlamentswahl im Herbst betrachtet wurden.

Raul Zelik wird am 18. Juni der Frage nachgehen, wie es zu dem Höhenflug der linken Bürger_innenbewegungen kam – und warum diese Entwicklung über die Grenzen des südeuropäischen Lands hinaus von Bedeutung ist. Für den Spanienkenner Zelik – er ist Publizist, Politikprofessor und politischer Aktivist – ist der Aufstieg der linken Bewegungsbündnisse in dem von der neoliberalen Krisenpolitik schwer gebeutelten Land, nach dem Wahlerfolg von Syriza in Griechenland, eine weitere Chance für eine radikale gesellschaftliche Transformation, die nicht auf Südeuropa beschränkt bleiben muss.

Der Referent Raul Zelik ist Schriftsteller und Professor für Politik an der Nationaluniversität Kolumbiens. Er war in Projekten in Lateinamerika sowie der baskischen Unabhängigkeitsbewegung aktiv. Seine journalistischen Arbeiten erscheinen unter anderem in der WOZ, im Freitag, dem Neuen Deutschland und dem DLF. Zelik lebt heute als freier Autor in Berlin.

jüg


PODEMOS UND DIE DEMOKRATISCHE REVOLUTION
Vortrag von Raul Zelik über die Krisen Spaniens
Donnerstag, 18. Juni, 19 Uhr, Konstanz, Treffpunkt Petershausen
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg
in Kooperation mit der LINKEN LISTE Konstanz


Solidarität mit den Familien Kazimov und Selimi

Flüchtlingskinder-SteinstrasseIm Lauf der nächsten Woche müssen zwei Roma-Familien Konstanz verlassen, die in unserem Land Schutz vor der vielfältigen Diskriminierung gesucht haben, denen sie in ihrer Heimat ausgesetzt sind. Für die grün-rote Landesregierung, die mit der Behauptung hausieren geht, Humanität habe Vorrang, zählt das alles nicht. Wie vielen anderen Flüchtlingen vom Balkan hat sie den Familien nur die Wahl gelassen, “freiwillig” auszureisen, oder polizeilich abgeschoben zu werden. Noch nicht einmal den kleinen Aufschub hat man ihnen gewährt, der es den sieben betroffenen Kindern ermöglicht hätte, das Schuljahr abzuschließen. Die Unterstützer_innen der Familien rufen nun für den kommenden Montag zu einer Solidaritätsaktion mit den Betroffenen auf, bei der auch Spenden gesammelt werden sollen. Der Aufruf:

WORTLAUT | Zeigt den Familien Kazimov und Selimi direkt und persönlich Eure Solidarität und Euer Mitgefühl. Kommt zur Spendenübergabe und zum Pressefoto am Montag, 1. Juni, 19 Uhr, Sammelunterkunft Steinstraße, Konstanz

Viele Menschen in Konstanz unterstützen die Kinder der Familien Selimi aus Serbien und Kazimov aus Mazedonien, denen nun die Abschiebung angedroht wird, wenn sie bis Ende Mai Deutschland nicht verlassen haben http://abschiebestoppkn.blogsport.de/.

Zuletzt setzte sich der Runde Tisch zur Begleitung von Flüchtlingen in Konstanz und die Landtagsabgeordneten Lehmann (Grüne) und Storz (SPD), die Bundestagsabgeordnete Groth (Linke) sowie der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg für ein Bleiberecht bis Schuljahresende ein. Das Innenministerium Baden-Württemberg zeigt sich jedoch entgegen seiner eigenen Leitlinien kompromisslos, herz- und erbarmungslos.

Nun müssen die Konstanzer Familien in den nächsten Tagen ausreisen, um einer traumatisierenden polizeilichen Abschiebung bei Nacht zu entgehen. Die Familien stimmten bereits einer Ausreise zu Schuljahrsende zu. Nicht einmal diese kleine Geste der Humanität hat das offizielle Baden-Württemberg für Roma-Flüchtlinge und die Kinder der Familien übrig.

Ihre Armut und Flucht ist Ausdruck von vielfacher Diskriminierung einer Opfergruppe des Nationalsozialismus bis heute. Wer keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Bildung sowie zu Sozial- und Gesundheitsversorgung hat, ist eben auch bitterarm. Vielfache und systematische Diskriminierungen in dieser Form handeln sich um Verfolgung und damit um einen Asylgrund im besten Sinne des Grundgesetzes. Ihre Fluchtgründe sind nicht „offensichtlich unbegründet“, sondern offensichtlich. Die Roma-Familien sind politisch und wirtschaftlich aber nicht erwünscht.

Die Konstanzer Familien sind in ihren Herkunftsländern mittel- und obdachlos. Bitte helft mit, damit sie wenigsten in den ersten Tagen in menschenwürdigen Umständen ankommen. Bringt oder gebt Eure Geldspenden einfach mit. Spendenbescheinigungen sind auf Nachfrage möglich.

Kommt zahlreich zur Spendenübergabe am Montag, 1. Juni 2015, 19 Uhr, Sammelunterkunft Steinstraße 20, Konstanz. Mit Pressefoto mit den Familien. Ihr zeigt damit auch den Familien direkt Eure Solidarität und Euer Mitgefühl.

Unterstützt bitte auch die Online-Petition und den Offenen Brief an Innenminister Gall https://www.openpetition.de/… des Projektes „Balu und Du“ an der Universität Konstanz.

Kommt oder verschenkt Eintrittskarten für das Benefizkonzert der Familien Kazimov und Selimi: Konstanz, Sonntag, 12. Juli 2015, 20 Uhr, Kulturzentrum K9: Benefizkonzert von Serenat Ezgican Akkurt (Weltmusik): “Keine Abschiebung in die Obdachlosigkeit von zwei Konstanzer Roma-Familien”.
Veranstalter: Café Mondial, AK Roma-Solidarität im Landkreis Konstanz, Aktionsbündnis Abschiebestopp Konstanz, Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, esPRESSo und Kulturzentrum K9. Vorverkauf: K9, Buchladen Zur Schwarzen Geiss und Café Mondial.

Südkurier Online: Ein Tummelplatz für Rassisten

Die regionale Tageszeitung hat offenbar keine Probleme damit, dass sich auf dem Online-Angebot des Monopolblatts rassistische Hetzer austoben können. Dem Linke-Liste-Stadrat Holger Reile platzte jetzt der Kragen. Er schrieb einen Brief an den Verantwortlichen der Online-Redaktion:

“Sehr geehrter Herr Pantel,
da Sie ja verantwortlich sind für die Online-Seiten des Südkurier, bitte ich um Beantwortung folgender Frage: Was veranlasst Sie dazu, Kommentare freizuschalten, die in ihrer großen Mehrheit rassistisch und fremdenfeindlich sind? Anonyme Heckenschützen, die sich bspw. „HansMaier“ oder „Zimtschnitte“ usw. nennen schüren Fremdenhass- und Sie lassen sie gewähren und bieten ihnen täglich eine Plattform. Besonders Sinti und Roma sind ins Fadenkreuz dieser feigen Brandstifter geraten. Es dreht einem den Magen um, wenn man auf den von Ihnen zu verantwortenden Seiten lesen muss, dass diese Bevölkerungsgruppe „uns ausraubt“ und sich „auf unsere Kosten“ ein schönes Leben machen will. Offen wird auch dazu aufgerufen, Pegida zu unterstützen. Und Sie lassen es auch zu, dass Flüchtlinge, woher sie auch kommen mögen, fast durchweg kriminalisiert werden.

Auf Ihre Antwort bin ich gespannt, denn mit Pressefreiheit und Meinungsvielfalt hat das alles nichts zu tun, was Sie da zulassen. Ich halte das – gelinde gesagt – für grob fahrlässig und verantwortungslos. Und das in einer Stadt, in der erst vor kurzem über 2000 Menschen für ein buntes und tolerantes Konstanz auf die Straße gegangen sind. Warum also räumen Sie solchen Hetzern die Möglichkeit ein, Tag für Tag bei Ihnen aufs Widerlichste zu kommentieren? Muss erst Schlimmeres passieren, bis Sie einsehen, dass man solchen Leuten kein Forum bieten darf? Übernehmen Sie dann die Verantwortung? Oder gelten für Sie nur noch die Klickzahlen auf Ihren Seiten? Das allerdings wäre nicht nur fatal, sondern auch zynisch.

Ich bitte um baldige Antwort
Mit sehr nachdenklichen Grüßen
Holger Reile”

Diese Mail ging gestern an Herrn Pantel und auch an die Online-Redaktion. Eine Antwort steht noch aus. Wer sich dieser Protestnote anschließen möchte: sebastian.pantel@suedkurier.de – oder: online-redaktion@suedkurier.de

Drohende Abschiebung vor Schuljahrende: Innenministerium ignoriert Bitte um Aufschub

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Baden-Württembergs Innenminister Gall: Bitte um Aufschub ignoriert. (Bild: www.baden-württemberg.de)

Die Kinder der Familien Kazimov und Selimi dürfen ihr Schuljahr nicht in Konstanz beenden. Mit der behördlich verfügten Ausweisung hatten sich die Eltern, Flüchtlinge aus Mazedonien und Serbien, zwar nicht abgefunden, aber schließlich resigniert akzep­tieren müssen, dass der deutsche Staat nicht gewillt ist, ihnen Schutz vor der in ihren Herkunfts­ländern erfahrenen syste­ma­tischen Diskri­mi­nierung zu gewähren. Zuletzt baten sie lediglich noch um einen Aufschub bis Ende Juli, damit die sechs betroffenen Kinder wenigstens das Schuljahr in Konstanz zu Ende bringen können (mehr dazu hier).

Vergeblich, wie Rudy Haenel, der Rechts­anwalt, der die betroffenen Familien vertritt, nun zur Kenntnis nehmen muss. Zwei Briefe an das Innen­mi­nis­terium, in denen er – auch im Namen vieler Unterstützer_innen der Geflüchteten aus der Bevöl­kerung – an die Verant­wort­lichen appel­lierte, diesen Aufschub zu gewähren und die Rückkehr­si­tuation der mit Abschiebung Bedrohten zu prüfen, blieben bis heute unbeant­wortet. Auch alle Appelle von Flücht­lings­in­itiativen wie beispielsweise dem „Runden Tisch für die Begleitung von Flüchtlingen“ und Politiker_innen, darunter die Linken-Bundesabgeordnete Annette Groth und der Konstanzer Landtags­ab­ge­ordnete Siegfried Lehmann (Grüne), verhallten ungehört.

Jetzt hat der Anwalt in einem weiteren Schreiben an den baden-württembergischen SPD-Innen­mi­nister Reinhold Gall (s. Bild) das Verhalten der Behörden scharf kritisiert. Er sei „sehr enttäuscht und erschüttert“ darüber, dass „Sie meine Schreiben vom 12.05. und 05.05.2015 nicht beant­wortet haben“, schreibt Haenel. Es bleibe ihm nun nichts anderes übrig, als den Familien die Ausreise zum „nächst­mög­lichen Zeitpunkt“ zu empfehlen. Allerdings „kann ich diese Ausreise nicht mehr ‘freiwillig’ nennen, weil sie jetzt überhastet, ohne Klärung der Rückkehr­si­tuation, und unter dem massiven Druck einer zwangs­weisen Abschiebung ab 30.05.2015, erfolgen wird.“

Der Vorgang entlarvt die vollmundigen Behaup­tungen der grün-roten Kretsch­mann­ko­alition, man werde alle Einzelfälle prüfen und keine Abschie­bungen in die Mittel- und Obdach­lo­sigkeit zulassen, einmal mehr als Lügen, die lediglich dazu dienen sollen, die eigene Klientel bei der Stange zu halten. Entsprechend bitter fällt das Fazit des Konstanzer Juristen in seinem Brief an Gall aus: „Für mich bedeutet dies, dass Ihre ‘Leitlinien’ das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben wurden und lediglich als politisches Feigenblatt dienen.“

jüg


Der Verein „Balu und Du“ hat inzwischen eine Petition „Keine Abschiebung für Familie S. bis Ende des laufenden Schuljahres“ gestartet, die hier Online unterschrieben werden kann.

Rat bringt Wirtschaftsplanung auf den Weg – soziale und ökologische Aspekte bleiben aussen vor

Der Gemeinderat hat gerade die Öffentlichkeitsbeteiligung an den geplanten neuen bzw. fortzuschreibenden Einzelhandels-, Gewerbeflächen- und Vergnügungsstättenkonzepten beschlossen. Diese Papiere, die Basis der Bauleitplanung und damit der Stadtentwicklung werden sollen, haben große Bedeutung für die künftige bauliche, wirtschaftliche und letztlich auch soziale Entwicklung der Region, es lohnt sich also durchaus, einmal etwas genauer hinzuschauen.

Die Neigung der Stadt Konstanz, wichtige Planungsarbeiten nicht selbst zu erledigen, sondern an Privatunternehmen zu vergeben, ist ungebrochen, und so entstanden die drei Gutachten, die den Entwicklungskonzepten der Stadt die Richtung weisen sollen, in einem auf Stadt- und Regionalentwicklung spezialisierten externen Büro. Aus welchen Gründen die Stadtverwaltung, die doch mit den Konstanzer Verhältnissen bestens vertraut ist und über eine unvergleichliche Fülle an Daten verfügt, die zentrale Aufgabe der Zukunftsplanung nicht selbst übernimmt, ist unklar; diese Vergabepraxis hat sich unter der Ägide des erklärten Wirtschaftsfreundes Uli Burchardt deutlich verstärkt und ist wohl im Zuge des neoliberalen Rollbacks politisch durchaus gewollt.

Soziale Folgen

Auffällig ist, dass in allen drei Gutachten vor allem von juristischen Vorgaben und wirtschaftlichen Nützlichkeitserwägungen die Rede ist – eine Abwägung auch unter sozialen oder ökologischen Aspekten wird nicht vorgenommen (und von der Stadt Konstanz als Auftraggeber auch nicht eingefordert), so dass die Gutachten zwangsläufig einseitig ausfallen und die Auswirkungen auf jene Menschen, die im Konstanzer Einzelhandel oder Gewerbe arbeiten, nur am Rand streifen.

Rechtssichere Stadtplanung

Die rund 400 Seiten, die das Büro Dr. Donato Acocella vorgelegt hat, und die der Gemeinderat jetzt in die Öffentlichkeitsbeteiligung schickte, skizzieren ein klares Bild der Konstanzer Entwicklung in Einzelhandel, Gewerbe und Vergnügungsstätten. Dabei sind der Stadt die Hände durch Bundes- und Landesgesetze gebunden, und es braucht einiges an taktischem Geschick, damit die Konstanzer Stadtmütter und -väter ihre Wünsche umsetzen können, ohne dabei langwierige und kostspielige Prozesse zu riskieren. So lassen sich beispielsweise Anträge auf die Einrichtung von Rotlichtbetrieben, Spielhallen und Wettbüros nicht einfach aus moralischen oder Suchtpräventionsgründen ablehnen, sondern die Stadt muss dafür handfeste städtebauliche Gründe ins Feld führen und ein wasserdichtes Gesamtkonzept vorweisen, damit niemand eine Benachteiligung belegen kann. Über allem steht die die Gewerbeordnung, die Gewerbefreiheit garantiert – und die gilt es, laienhaft gesprochen, irgendwie auszuhebeln, weil Gewerbefreiheit und eine sinnvolle Stadtentwicklung nun mal nicht zusammenpassen.

Massive Qualitätsmängel im Bestand

Als abschreckendes Beispiel gilt den Gutachten das Gewerbegebiet Oberlohn zwischen Opelstraße und Oberlohnstraße, in dem sich Gewerbe, Vergnügungsstätten und Rotlichtangebote mischen, als vorbildlich bewerten sie hingegen das Gewerbegebiet Stromeyersdorf. Der derzeitige Entwicklungsstand insgesamt wird äußerst kritisch beurteilt: „Die qualitative Analyse zeigt in den bestehenden Standorten eine geringe Qualität, die durch starke Nutzungsmischungen, gebietsfremde Nutzungen, extensive Flächenausnutzungen und eine geringe bauliche Qualität gekennzeichnet sind. In der Summe entsprechen die bestehenden Gebiete nicht dem für Konstanz erwartbaren Qualitätsniveau.“

Neue Gewerbegebiete

Für die Zukunft rechnet man mit einem weiter wachsenden Bedarf an Gewerbeflächen und empfiehlt als neue Gewerbeflächen den bisherigen Flugplatz sowie das Gebiet Hafner, „die gewerbliche Bauflächen von max. 118.000 qm (Hafner) bzw. 186.000 qm (Landeplatz) zur Verfügung stellen können. Rechnerisch könnte damit der Bedarf bis 2030 gedeckt werden.“ Außerdem wird empfohlen, sich auf bestimmte Branchen zu konzentrieren, dafür „kämen in erster Linie Betriebe des Maschinenbaus, der Pharmazie, des Bereiches DV-Geräte/Elektronik/Optik (unter Einschluss der Solarindustrie), des Bereiches Information und Kommunikation sowie der freiberuflichen wirtschaftlichen Dienstleistungen in Frage.“ Kurzum: Die Stadt soll ihre raren Gewerbeflächen für nach heutigem Stand zukunftsträchtige Unternehmen statt für Autohäuser, Speditionen oder sonstige Betriebe „mit hohem Bedarf an Lager- oder Abstellflächen“ verwenden.

Weshalb allerdings trotz des von den Gutachtern ermittelten Mangels an Flächen bereits heute viele Flächen leer stehen und gar die Perle der Konstanzer Wirtschaftsförderung, das Kompetenzzentrum, seit Jahren keine Mieter findet, erklärt das Gutachten nicht. Vermutlich müssen wir Normalsterblichen einfach lernen, dass das Kompetenzzentrum zwar von innen voll vermietet ist, von außen aber leer aussieht. So wie der Einzelhandel zwar rekordverdächtig boomt, aber eigentlich leider zu arm ist, seinen Angestellten auch nur den Mindestlohn zu zahlen. Von dem armen Bauunternehmen in der Chérisy, das sich leider gezwungen sieht, von Lohnzahlungen gänzlich Abstand zu nehmen, will ich schweigen, aber wir in der Redaktion lassen mal den Hut für den Chef rumgehen. All dies ist nicht Gegenstand der Gutachten.

Boom im Einzelhandel hält an

Der Konstanzer Einzelhandel blüht: „Insgesamt wird in Konstanz von den 754 ermittelten Betrieben auf einer Verkaufsfläche von rd. 163.575 qm ein Umsatz von rd. 677 Mio. € erzielt. Die Entwicklung seit 1993 zeigt, dass die großen Veränderungen in der Konstanzer Einzelhandelslandschaft bis 2005 stattgefunden haben, Umsatz und Verkaufsflächen haben sich im Zeitraum von 1993 bis 2005 annähernd verdoppelt. Im Zeitraum von 2005 bis 2014 ist die Verkaufsfläche leicht angestiegen, während die Betriebszahl nahezu konstant geblieben ist. Eine deutliche Entwicklung ist nur in Bezug auf den Umsatz festzustellen, der um 23% gegenüber 2005 angestiegen ist.“ Vor allem der innenstädtische Einzelhandel profitiert von Schweizer Käufern wie von Touristen gleichermaßen, aber hier ist er auch verwundbar, denn die Stadt Konstanz kann weder den Wechselkurs zwischen Euro und Franken noch die Touristenströme nennenswert beeinflussen. Daher wird empfohlen, hier mehr auf die eigene Bevölkerung zu setzen.

Altstadt als Umsatzmotor

Die Hälfte des Einzelhandelsumsatzes wird in der Innenstadt gemacht, während der Hauptteil der Konstanzer Bevölkerung rechtsrheinisch wohnt. Ein Ziel der Einzelhandelsstrategie soll es werden, die Innenstadt flächen- und verkehrsmäßig zu entlasten. In der Innenstadt könne nur noch zwischen Bodanstraße und Schweizer Grenze nachverdichtet und aufgewertet werden, während sich am Bahnhof eventuell Platz für gänzlich neue Einzelhandelsflächen ergebe. Auch der „Sankt-Stephan-Platz sollte städtebaulich entwickelt werden. Der Wochenmarkt sollte gestärkt werden.“

Im Prinzip empfiehlt das Gutachten, die rechtrheinische Bevölkerung stärker rechtrheinisch zu versorgen, etwa durch eine Renovierung des Seerhein-Centers und seiner Umgebung. So könne man auch den Verkehr in die Innenstadt reduzieren. Petershausen-West südlich der Bahnlinie sollte um MediaMarkt und E-Center herum „zu einem modernen und leistungsfähigen Stadtteilzentrum mit gesamtstädtischer und z.T. regionaler Versorgungsfunktion entwickelt werden. Die nordöstlich an den Brückenkopf Nord angrenzende Brachfläche wäre momentan die einzige größere zusammenhängende Fläche für die Ansiedlung von Einzelhandelsnutzungen.“

Für Wollmatingen rät das Gutachten von weiteren größeren Einzelhandelsansiedlungen ab, für den neuen Stadtteil Hafner mit seinen ca. 5.000 Einwohnern wird ein neues Nahversorgungszentrum hingegen empfohlen. „Unter Berücksichtigung des Prognoseergebnisses sind neben einem Lebensmittelmarkt mit bis zu ca. 1.200 qm Verkaufsfläche ergänzende Nahversorgungsbetriebe und Dienstleister vorstellbar, wie z.B. eine Apotheke, eine Bäckerei mit Café, ein Friseur.“

Diese 3 Gutachten, die noch viele weitere wesentliche Festlegungen für die Zukunft von Konstanz unterbreiten, gelangen jetzt in die Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung. Nachdem bereits die Nutzer des Flugplatzes hörbar Einspruch eingelegt haben, werden sich auch andere Betroffene, Lobbyisten und sonstwie Interessierte – etwa Gewerkschaften, IHK oder habituelle Fliesenhändler – ziemlich bald dazu äußern, es bleibt also spannend.

O. Pugliese

Nazihetze gegen Flüchtlinge in Konstanzer Briefkästen

Viele Konstanzer Haushalte fanden vor einigen Tag Post der besonders abstoßenden Art in ihren Briefkästen. Vor allem im Umfeld der Flüchtlingsunterkünfte in der Luisenstraße und der Steinstraße, aber auch in Teilen der Innenstadt hatten Rechtsextreme ein Flugblatt verteilt, in dem Hetztiraden gegen Flüchtlinge verbreitet werden.

Hinter der Aktion steckt die Partei “Der Dritte Weg”, in der sich Neonazis vornehmlich aus Süddeutschland zusammengeschlossen haben. Personell speist sich diese Gruppierung vor allem aus Angehörigen der im Juli letzten Jahres verbotenen Gruppierung “Freies Netz Süd” (FNS), die offen nationalsozialistisches Gedankengut propagiert hatte. Die Umsetzung des längst überfälligen Verbots der rechtsextremistischen Organisation, die wiederholt durch Gewalttaten aufgefallen war, wurde von Antifaschist_innen scharf kritisiert. Nicht nur, dass man die “Kameradschaft” jahrelang unbehelligt ließ, das zögerliche Vorgehen der Behörden habe den Faschisten die Zeit verschafft, rechtzeitig Parallelstrukturen aufzubauen und in diese Neugründung zu überführen. “Die Behörden haben ein Jahr gebraucht von der großen Razzia gegen FNS bis zum Verbot. Die Rechten hatten alle Zeit der Welt, sich neu zu organisieren”, kritisierte etwa Katharina Schulze, die Rechtsextremismus-Expertin der bayerischen Grünen, das staatliche Agieren.

Die auf der Homepage dieser neuen alten Nazis veröffentliche Programmatik lässt jedenfalls keine Zweifel zu, wes’ braunen Geistes Kind die Partei “Der Dritte Weg” ist: Ihr Ziel sei die “Schaffung eines Deutschen Sozialismus”, heißt es dort in ungeschminkt völkisch-nationalsozialistischer Diktion.  Da ist von einer “Bevölkerungspolitik” die Rede, deren Grundlage “die konsequente Förderung von kinderreichen Familien”, nur deutschen, versteht sich, “zur Abwendung des drohenden Volkstodes” sein soll. Selbstredend fordert man die Einführung der Todesstrafe “für Kindermord und andere Kapitalverbrechen”. Klar, dass auch ausgiebig gegen eine angebliche “Überfremdung Deutschlands” und “anhaltende(n) Asylmißbrauch” gehetzt wird. Soziale Gerechtigkeit soll es nur für Deutsche geben und unter der Überschrift “Deutschland ist größer als die BRD” fantasieren die Nazis über die “Wiederherstellung Gesamtdeutschlands”.

Die Umtriebe in Konstanz müssen auch deshalb beunruhigen, weil sich die “Dritte-Weg”-Faschisten ganz gezielt die Flüchtlingsunterkünfte für ihre Flugblattbelästigung ausgesucht haben. Auf der Homepage der Neonazipartei prahlen sie in einem Bericht denn auch auf abstoßende Weise damit, man sei unter anderem an der “Asylkaschemme” in der Luisenstraße und in der Steinstraße aktiv gewesen, um die “Asyl-Aufklärung der nationalrevolutionären Bewegung an die Bevölkerung” heranzutragen. Auch das DGB-Haus und das städtische Rathaus in der Unteren Laube nennen die Faschos als Ziele ihrer Aktion. Dass dabei jeweils Straße und Hausnummer genannt werden, kann getrost als Einladung verstanden werden, beim nächsten Besuch vielleicht nicht mehr nur Flugblätter ein-, sondern gleich was anzustecken.

Inzwischen hat sich die Sozialarbeiterin Doris Künzel, die sich im Landkreis seit Jahren für Flüchtling engagiert, mit einem Brief (siehe Kasten) unter anderem an das Landratsamt, die Stadt, die Polizeibehörden und die Presse gewandt, in dem sie ihre Besorgnis äußert und die Zuständigen dazu auffordert, “in Ihrem Rahmen tätig zu werden, um die Flüchtlinge in Konstanz zu schützen.” Dem kann man sich nur anschließen. Ob es sich bei der Flugblattaktion um die Tat einiger isolierter Rechtsextremer handelt, oder ob sie ein Anhaltspunkt dafür ist, dass sich in der Region ein brauner Mob organisiert, bleibt abzuwarten. Wir sollten auf jeden Fall wachsam sein.

Jürgen Geiger

WORTLAUT | Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Sie heute auf eine groß angelegte Flugblattaktion der, ganz offensichtlich neofaschistischen Organisation, “Der dritte Weg”, gegen Flüchtlinge in Konstanz aufmerksam machen. In einem Internetbericht, unter nachstehendem Link, brüstet sich diese Organisation mit ihren rassistischen und flüchtlingsfeindlichen Aktionen in Konstanz und bildet Flüchtlingsunterkünfte mit Anschrift ab.

Als ehemalige, langjährige Sozialarbeiterin des Deutschen Roten Kreuzes, die in den 90-iger Jahren etliche Angriffe und Anfeindungen gegenüber Flüchtlingen und ihren Unterkünften in Konstanz erleben musste, registriere ich heute mit großer Sorge die wachsende Fremdenfeindlichkeit und einen ansteigenden Rassismus in unserem Land. Diese Kritik veröffentlichte letzte Woche auch ein UN-Bericht für Deutschland.

Ich bin entsetzt über die Inhalte und die ausländerfeindliche Hetze dieser, nun in Konstanz und im Landkreis auftretenden, Organisation “Der dritte Weg”. In einer Zeit, in der in Deutschland wieder zunehmend Flüchtlingsunterkünfte angezündet werden und massiv gegen Flüchtlinge in der Öffentlichkeit gehetzt wird, müssen wir gemeinsam solcher Propaganda von Rechtsradikalen entgegentreten um Schlimmeres zu verhindern.

Die Inhalte dieser Flugblätter und Internetberichte erfüllen meines Erachtens den Straftatbestand der Volksverhetzung und sind demnach auch strafrechtlich zu verfolgen. Ich halte es für dringend erforderlich, diese Organisation und ihre Aktionen öffentlich zu verurteilen um ihre Einflussnahme auf die Bevölkerung zu verhindern.

Wie Sie wissen, hatte es die rechtsradikale Szene in den letzten 20 Jahren recht schwer in Konstanz Fuß zu fassen, nicht zuletzt deshalb weil sich diese Stadt mit ihren Bürgerinnen und Bürgern immer wieder den öffentlichen Auftritten der Neonazis zur Wehr setzte. Gerade nach dem Überfall von 30 Neonazis 2008 auf eine öffentliche Veranstaltung im Konstanzer Bürgersaal hat die Stadt mit der Unterzeichnung des “Konstanzer Aufruf gegen Neofaschismus” und der “Konstanzer Erklärung” ein deutliches Zeichen gegen Neofaschismus und Rassismus gesetzt.

In diesen Bemühungen, Faschismus und Rassismus entschieden entgegen zu treten, dürfen wir gerade heute nicht nachlassen. Ich bitte Sie deshalb hiermit, in Ihrem Rahmen tätig zu werden, um die Flüchtlinge in Konstanz zu schützen.

Mit freundlichen Grüßen
Doris Künzel

Konstanzer Linke lädt ein: Diskussion über Ursachen der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung

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Foto: Boris Ott

Der Kreisvorstand der Linken lädt die Mitglieder der Partei, aber auch alle Interessierten, zu einer Versammlung am 27. Mai ein. Schwerpunktthema des Treffens wird der Aufschwung rassistischer und nationalistischer Kräfte sein, dem wir uns gegenwärtig in unserem Land gegenübersehen.

Die „Pegida“-Bewegung mobilisiert Zehntausende, die für fremdenfeindliche und nationalistische Ziele auf die Straße gehen; mit der AfD feiert eine Partei einen Wahlerfolg nach dem anderen, deren Führungspersonal darum streitet, wieviel völkischer Nationalismus sein darf; ein zunehmend gewaltbereiter Mob begeht immer mehr rechtsextreme, vornehmlich gegen AusländerInnen und Flüchtlinge gerichtete Straftaten – unübersehbare Alarmzeichen dafür, dass wir uns mit einer tiefgreifenden Rechtsentwicklung der deutschen Gesellschaft konfrontiert sehen.

Wir wollen den ökonomischen, politischen und kulturellen Ursachen dieser beunruhigenden Entwicklung auf den Grund gehen. Vor allem aber werden wir darüber sprechen, welche Aufgaben sich der gesellschaftlichen Linken stellen, um dieser gefährlichen Verrückung gesellschaftlicher Normen nach rechts Einhalt zu gebieten.

DIE LINKE. Kreisverband Konstanz,
Jürgen Geiger


Ursachen der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung – Welche Antworten findet die Linke?

Mittwoch, 27. Mai 2015, 19 Uhr,
Konstanz, „Weinteufele“, Konradigasse 15, 78462 Konstanz