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LLK lehnt Haushalt ab: “Das wichtigste Projekt fehlt”

Die Linke Liste Konstanz (LLK) hat den am Donnerstag mit großer Mehrheit verabschiedeten Doppelhaushalt 2019/2020 abgelehnt. Stadtrat Holger Reile begründete in seiner Haushaltsrede das Nein der LLK-Fraktion mit fehlendem Impulsen im Wohnungsbau, einer sozialpolitischen Schieflage und den Folgekosten für das desaströse Pleiteprojekt Bodenseeforum. Ablehnungsgrund war ferner die restriktive Stellenpolitik, die viele kommunale Beschäftigte enorm belastet und unter der zugleich die Wahrnehmung wichtiger Aufgaben leidet. Schon am 4.12. hatte LLK-Rätin Anke Schwede das in den Vorberatungen des Zahlenwerks im Haupt- und Finanzauschuss kritisiert und einen Antrag zur Stellenvermehrung eingebracht. Wir dokumentieren im Folgenden Schwedes Redebeitrag zur Personalsituation und die von Holger Reile gehaltene Haushaltsrede.


Anke Schwede: Beschäftigte geraten an Belastungsgrenzen

Die Stadt Konstanz hat durch die politische und gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre immer mehr öffentliche Aufgaben zu erfüllen und zwar nicht allein wegen des Zuzugs von neuen Bürgerinnen und Bürgern, die vor Krieg und Elend aus ihren Heimatländern flüchten mussten. Bund und Land haben den Kommunen immer mehr Aufgaben zugewiesen, gleichzeitig aber nicht im nötigen Umfang für finanziellen Ausgleich gesorgt. Dazu kommt, dass die Stadt aufgrund ihrer Attraktivität seit Jahren erheblich wächst.

Mit all dem hat die Personalentwicklung nicht Schritt gehalten. Die Folge: Die Beschäftigten geraten teilweise an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit. In der vorletzten Ausgabe des „Konstanzer Wegs“ konnten die Ergebnisse der diesjährigen Mitarbeitenden-Befragung nachgelesen werden, die größtenteils ein positives Bild dokumentieren. Stärken des Arbeitsgebers Stadt sind Arbeitsplatzsicherheit, die Zusammenarbeit mit den KollegInnen und Fortbildungsmöglichkeiten.

ABER: Zu den schwächsten Punkten der 16 genannten Felder gehören die Personalausstattung des jeweiligen Bereiches, Entwicklungschancen in der Stadtverwaltung und die Bezahlung. Um die Zufriedenheit bei der Personalausstattung zu erhöhen und vor allem die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen zu reduzieren, haben wir eine umfassende Liste zum Stellenplan vorgelegt, über die wir im Folgenden abstimmen werden.


Holger Reile: Dieser Haushaltsentwurf überzeugt uns nicht

Sie erinnern sich: Von der hiesigen Lokalpresse wurden die Gemeinderatsfraktionen ja vor einigen Tagen gefragt, welche Projekte im vorliegenden Haushaltsentwurf für uns, also die politischen Mandatsträger, am wichtigsten seien. Die Frage ist eigentlich falsch gestellt, denn es sollte natürlich darum gehen, welche Projekte für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt von Bedeutung sind.

Zur Sache: Dieser Haushalt enthält keine tauglichen Konzepte für eines der drängendsten Probleme bereit, nämlich die grassierende Wohnungsnot die mittlerweile ein Ausmaß angenommen hat, wie man sich das schlimmer kaum vorstellen kann. Dazu: Das Handlungsprogramm Wohnen greift kaum, sowohl bei der Zahl der benötigten Wohnungen als auch der sozialen Ausgestaltung. Mit ein Grund: Sie setzen weiter hauptsächlich auf den Markt der fast schon kriminellen Geldvermehrung und dabei überwiegend auf profitorientierte Investoren, die das florierende Geschäft mit dem Betongold lockt. Das Beispiel Vincentius-Gelände, neuerdings verträumt Laubenhof genannt, ist nur eines von vielen.

Dabei, das müssten Sie doch längst erkannt haben, kommen aber nur wenige Wohnungen für Gering- und Normalverdiener heraus, sondern überwiegend Domizile für Gut- und Bestbetuchte. Das hat sogar der Südkurier gemerkt, und das will was heißen. Für das Rathaus ist es doch eine schallende Ohrfeige, wenn die aktuelle Erhebung eines bekannten Immobilien-Portals Konstanz erneut die Spitzenposition als teuerstes Pflaster der Republik in Sachen Wohnkosten in Mittelstädten verleiht. Eine bittere Auszeichnung, die für viele in unserer Stadt dramatische Folgen hat.
Obwohl es inzwischen auch dem hartleibigsten Verfechter klar geworden sein müsste, dass die Marktwirtschaft auf dem Wohnungssektor keine Entspannung bringen wird, verzichtet man stur auf eine aktive Rolle in der Wohnungspolitik. Die aber braucht es.

Wohnen muss dem Profitdiktat entzogen werden, und das erfordert mehr Mittel für die städtische Wohnungsbaugesellschaft, das erfordert Mittel für gemeinnützige Genossenschaften, das erfordert Mittel für die Förderung anderer Non-Profit-Projekte. Zudem müsste Geld in die Hand genommen werden, um zumindest für Wobak-Wohnungen einen Mietstopp sicherzustellen. Nur wenig davon sieht ihr Haushaltsentwurf vor. Er erschöpft sich im üblichen Trott: Will heißen: Die Wohnungsbauförderung beschränkt sich weitgehend auf vergünstigte Darlehen, wenigen Zuschüssen für die Wobak und das Studentenwerk. Und das, Kolleginnen und Kollegen, wird nicht reichen.

Dabei sitzt das Geld an anderer Stelle durchaus locker. Das Pleiteprojekt Bodenseeforum, vor dem wir von Anfang an gewarnt haben, kostete die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis heute schon mehr als 20 Millionen Euro, und trotzdem scheuen sie die Konsequenzen. Wenn es nach einer Mehrheit hier geht, sollen auch weiterhin und Jahr für Jahr zwei Millionen plus X in eine der größten Fehlinvestitionen fließen, die eine Stadtspitze und eine ganz, ganz große Gemeinderatsmehrheit der Konstanzer Einwohnerschaft beschert hat.

Trotzdem planen sie, obwohl schon deutlich kleinlauter, weiter mit dem Eurograb, und schlagen dazu wieder einmal vor, für teures Geld externe Experten zu Rate zu ziehen. Da rollt ein neuer Rohrkrepierer an, haben sie sich doch von ähnlich kostspieligen Experten bereits mehrmals bestätigen lassen, dass die heutige Investitionsruine ein Bombenerfolg wird. Wir sagen: Für dieses völlig überflüssige Renommierprojekt, in dessen Glanz sich wohl Honoratioren aller Schattierungen gern gesonnt hätten, gilt angesichts der desaströsen Folgewirkungen die Weisheit, wonach ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende. Sie bevorzugen leider Zweiteres und spülen weiterhin Millionen in den Seerhein. Im Klartext: Wir brauchen schleunigst und nicht erst kommenden Sommer ein Ausstiegsszenario, das den angerichteten Schaden zumindest nicht zur finanziellen Dauerbelastung macht und Mittel verschlingt, die an anderer Stelle angeblich immer fehlen.

Der vorliegende Haushalt wird auch den sozialen Herausforderungen nicht gerecht. Sie planen mit einer Erhöhung der Gebühren für die städtische Kinderbetreuung um 12 Prozent. Der HFA hat das zwar abgelehnt, mit der Vertagung auf März macht die Verwaltung aber deutlich, dass sie weiter an der Erhöhung festhalten will. Das ist für uns inakzeptabel, denn die frühkindliche Bildung, über deren Bedeutung sie ja auch gerne reden, darf keinesfalls teurer werden, im Gegenteil. Neben der Sicherstellung von Qualität ist die Gebührenfreiheit die zentrale Zielstellung, um allen Kindern von Anfang an den Weg zu guter Bildung zu ebnen. Auch wenn das gegenwärtig in Konstanz nicht umsetzbar ist, weil Bund und Land die Kommunen nicht ausreichend unterstützen, sollten wir doch zumindest in diese Richtung gehen. Heilbronn und unlängst Künzelsau machen vor, dass es geht. So würde auch Konstanz seine Kinder- und Familienfreundlichkeit unter Beweis stellen und zu einer spürbaren Entlastung vieler Eltern beitragen.

Auch in anderen Bereichen der sozialen Infrastruktur weist der Haushaltsentwurf Leerstellen auf. Wer den letzten Erfahrungsbericht zum Sozialpass aufmerksam liest, kommt zu dem Schluss, dass sich in der reichen Stadt Konstanz Armut auf hohem Niveau verfestigt. Danach haben offiziell 5000 Menschen Anspruch auf seine Leistungen, die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Gerade das macht es notwendig, darüber nachzudenken, wie Betroffenen das Leben wenigstens etwas leichter gemacht werden kann. Auch wenn beim Sozialpass einige Verbesserungen durchgesetzt wurden, gilt das für einen ganz wichtigen Bereich nur teilweise – die Mobilität. Wir bleiben dabei: Der ÖPNV sollte, allein schon aus klima- und verkehrspolitischen Gründen – eigentlich generell ticketfrei sein, zumindest aber müssten die Preise deutlich sinken, wie das andere Städte längst umgesetzt haben. Dies für sozial Bedürftige zu realisieren, die jeden Euro umdrehen müssen, ist aber das Mindeste. Die auch ökologisch kontraproduktive Praxis der Stadtwerke, immer wieder die Preise zu erhöhen und diese Verteuerung durchgängig auch an Leute weiterzugeben, die zum Monatsende hin bei Vielem sparen müssen, ist nicht hinnehmbar.

Ebensowenig hinnehmbar ist der Umgang mit den Beschäftigten in der Verwaltung. Denn eine interne Umfrage des Personalrats wirft kein gutes Licht auf die Stadt als Dienstherren. Diese Umfrage bestätigt nämlich, dass die städtischen Mitarbeiter oft am Limit sind. Die Aufgabenfülle hat in den letzten Jahren gewaltig zugenommen, aber die Zahl der Stellen leider nicht. Als öffentlicher Arbeitgeber sollte die Stadt Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern zeigen und für gute Arbeitsbedingungen sorgen. Befristungen von Verträgen stehen dem ebenso entgegen wie der Missbrauch von Auszubildenden als Lückenbüßer, wie in der sogenannten Liste A2 vorgesehen. Dass Sie die Einrichtung von mehr als 30 Stellen, die von den Fachämtern angefordert wurden, schlicht ablehnen, ist eine Fehlentscheidung, unter der auch die Qualität der kommunalen Leistungen leidet.

Denn immer wieder können wichtige Unterfangen nicht angepackt werden, weil die personellen Ressourcen fehlen. Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise die schon beschlossenen und dringend nötigen städtebaulichen Maßnahmen am Zähringerplatz auf unbestimmte Zeit verschoben werden, weil kein Personal zur Verfügung steht. Wir von der Linken Liste haben deshalb Anträge zur Stellenvermehrung eingebracht, die Sie aber leider abgelehnt haben. Da stellt sich schon die Frage: Wie wollen sie denn, meine Damen und Herren, beispielsweise die Planungen für den neuen Stadtteil Hafner stemmen, wenn das entsprechende Fachpersonal fehlt? Wir ahnen es schon: Es wird wieder ein Fest für externe Experten werden. Sie sollten dringend darüber nachdenken, was diese Praxis unter dem Strich kostet und vor allem, was dabei herauskommt.

Zum Kapitel Personal gehört auch, dass völlig unverständlicher Weise in Ihrem ursprünglichen Plan die Stelle des Flüchtlingsbeauftragten gar nicht mehr vor kam. Wir und viele andere waren entsetzt, denn der Amtsinhaber hat in den vergangenen zwei Jahren einen guten Job gemacht. Dass in dieser Sache Anträge von uns und anderen nötig waren, spricht Bände über den Stellenwert, den sie der Integrationsarbeit offensichtlich zumessen, diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. Moustapha Diop hat in den vergangenen drei Jahren besonders dazu beigetragen, dass Geflüchtete in unserer Stadt vergleichsweise anständig behandelt wurden. Er hat es insbesondere verstanden, als Ansprechpartner für Geflüchtete und Helferkreise gleichermaßen zu dienen. Vornehmlich seinem Beitrag ist es zu verdanken, dass die Integrationsarbeit in Konstanz auf ziemlich stabilen Füßen steht.

Kolleginnen und Kollegen, lassen sie mich abschließend einige Bemerkungen zur finanziellen Lage der Stadt machen. Denn natürlich heben Sie erneut warnend den Finger und mahnen zu finanzieller Zurückhaltung. Richtig ist, dass auch das boomende Konstanz wie fast alle Kommunen immer noch unter einem Investitionsstau leidet, obwohl die Steuereinnahmen bei Bund und Land sich auf Rekordhöhen bewegen. Mit dem Resultat, dass für den Bau oder Unterhalt von Kindergärten, Schulen, sozialen Einrichtungen oder Straßen Millionen fehlen, weil Bund und Land seit Jahren auf Kosten der Städte und Gemeinden sparen und es sträflich unterlassen, für einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu sorgen. So ist es – um nur ein Beispiel zu nennen – ein Armutszeugnis, dass die schon 2016 beschlossene Ausstattung der Hauptschulen mit digitaler Technik – Jahr um Jahr verschoben werden muss, weil versprochene Mittel von der grün-schwarzen Landesregierung nicht kommen.

Fakt ist aber auch: Unbenommen der Sparhysterie steht Konstanz nicht schlecht da. Die in den letzten Jahren regelmäßig erzielten, teils satten Haushaltsüberschüsse sprechen für sich, was ja grundsätzlich erfreulich ist. Aber die Unkenrufe aus dem Rathaus, wenn es um Verbesserungen im sozialen oder ökologischen Bereich geht, hören sich für uns deshalb oft vorgeschoben an. Sie sind auch deshalb wenig glaubwürdig, weil es bisher kein Problem war, Geld für Ihre Lieblingsprojekte locker zu machen. Das aufgeblähte Konziljubiläum etwa, das Bodenseeforum natürlich, oder für das Konstanzer Innovationsareal, KINA genannt – jenes Wirtschaftsförderungsprogramm, das schon im ersten Anlauf beim Land wegen diverser Mängel durchgefallen ist, an dem Sie aber weiterhin festhalten wollen. Schließlich ein Konzilpreis, den die Welt ungefähr so dringend braucht, wie Stuttgart einen Tiefbahnhof. Vorschlag in Güte: Setzen Sie doch bitteschön bei solchen Projekten den Rotstift an, bei Projekten also, die hauptsächlich den Ehrgeiz weniger befriedigen sollen und konträr zu einer sozial ausgewogenen Stadtentwicklung stehen. Tun Sie das, dann haben Sie uns zukünftig mit im Boot.

Nun, werte Damen und Herren, spätestens jetzt dürfte klar geworden sein, dass uns dieser Haushaltsentwurf nicht überzeugt. So wird es Sie auch nicht wundern, dass Sie dafür von uns keine Zustimmung erhalten.

Vielen Dank für Ihre Aufgeregtheit.


 

Zaster, Kohle und Moneten: Der neue Haushalt

Eine Haushaltsdebatte, wie sie gestern im Konstanzer Gemeinderat geführt wurde, ist die kommunalpolitische Königsdisziplin, denn in ihr geht es um richtig viel Geld. Im Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre werden rund 600 Millionen Euro verplant; rechnet man die städtischen Betriebe hinzu, kommt man gar auf 1,4 Milliarden Euro. Traditionell dient die Haushaltsdebatte einer Generalabrechnung mit der Verwaltung, doch die fiel gestern – von einer Ausnahme abgesehen – eher lustlos aus.

Der gedruckten Fassung seiner Haushaltsrede, mit der er die Debatte eröffnete, hat Oberbürgermeister Uli Burchardt ein Zitat von Henry Ford vorangestellt: „Es hängt von Dir selbst ab, ob du das neue Jahr als Bremse oder als Motor benutzen willst.“

Nun vermehren sich die Zitate von Henry Ford wöchentlich, ähnlich denen von Lao Zi, also muss man für ihre Echtheit seine Hand nicht unbedingt ins Feuer legen, weil man sie als eigene literarische Gattung betrachten kann, zu der jede/r, der/m danach ist, ihr/sein Scherflein beitragen mag. Aber Henry Ford überhaupt zu zitieren, einen Propagandisten des finstersten Antisemitismus und auch sonst ein Arschloch reinsten Wassers (Hitler 1931: „Ich betrachte Henry Ford als meine Inspiration“), steht einem OB, zumal einem deutschen, nicht unbedingt gut zu Gesicht.

Einige Eckpunkte

Der Haushalt ist ein höchst komplexes Zahlenwerk, und seiner Vorstellung im Gemeinderat gehen bereits zahlreiche Beratungen in den Ausschüssen, eine ganztägige Klausur und andere Aktivitäten voraus. Daher präsentierte Uli Burchardt in seiner Rede neben dem üblichen Eigenlob vor allem Eckdaten. Die Stadt Konstanz steht jedenfalls finanziell gut da, und auch für die nächsten beiden Jahre rechnet die Verwaltung mit einem ausgeglichenen Ergebnis, auch wenn sie dazu ein paar Rücklagen verwenden muss. „Eine Netto-Kreditaufnahme ist im Plan jedenfalls nicht vorgesehen,“ sagte Burchardt.

Ein paar Zahlen, die die Dimension dieses Werkes verdeutlichen mögen: 17 Millionen Euro werden in die Schulen investiert, 10 Millionen in den Tiefbau, 7 Millionen in den Städte- bzw. Wohnungsbau und 6,8 Millionen in die Kitas, insgesamt sollen in den nächsten beiden Jahren 67 Millionen Euro investiert werden. Der Ausbau der Radwege ist mit 0,8 Millionen ein Posten ganz weit hinten, wenn man an die 3,7 Millionen für die Oberstufe der Gemeinschaftsschule oder die 3,2 Millionen für den Kindergarten Jungerhalde denkt. Die 80.000 Euro für die neue Synagoge sind dagegen geradezu Peanuts.

Heftig wird im Vorfeld jeder Haushaltsdiskussion vor wie hinter den Kulissen um neue Stellen in der Verwaltung gerungen. 2020 werden Personalkosten von 64,6 Millionen Euro erwartet, damit machen sie ein Viertel des Gesamtaufwandes aus. Von den insgesamt 58 neuen Stellen gehen 13 an die Kitas und 10,5 an die Feuerwehr, die deutlich ausgebaut werden muss.

Dass der OB blutendem Herzens anmerkte, dass der Gemeinderat mehrheitlich die von der Verwaltung gewünschte („dringend notwendige“) Kita-Gebühren-Erhöhung abgelehnt hat, mag so manches Elternherz tiefer schlagen lassen.

Das größte Bauprojekt

Die Aufteilung der Mittel soll sich in den nächsten beiden Jahren nicht wesentlich ändern: mit jeweils rund 35 Millionen Euro gehen 25 Prozent der Haushaltsmittel an den Bereich Kinder- und Jugendhilfe, vor allem an die Kindergärten. Der Tiefbau bekommt mit 20 Millionen rund 15 Prozent, die Kultur ebenfalls, Schulen schlagen mit 10 Prozent zu Buche, damit ist schon mal die Hälfte weg.

Je nach ihrer politischen Ausrichtung beleuchteten RednerInnen der verschiedenen Fraktionen den Haushalt dann aus ihrer Perspektive. Gisela Kusche (FGL) etwa tadelte, dass die Sanierung des Zähringerplatzes bis 2024 auf sich warten lässt und dass es zwar ein Bürgerbudget, aber kein Jugendbudget für eigene Projekte geben soll. Außerdem forderte sie mehr Stellen in der Verwaltung, wo viele MitarbeiterInnen am Anschlag arbeiten, sowie bessere Radabstellanlagen. Roger Tscheulin (CDU) sprach sich vor allem gegen die Erhöhung von Steuern und Abgaben aus und forderte eine Vereinfachung der Vorschriften für den Bau, damit schneller und billiger gebaut werden könne. Er forderte mehr Wertschätzung für die Unternehmen, weil ja alles Geld zuvor von den Unternehmen und ihren Mitarbeitern erwirtschaftet werden müsse. Jürgen Faden, der für die Feien Wähler in die Bütt stieg, sah die 60 neuen Stellen wegen der Folgekosten kritisch und konstatierte resigniert, dass „man in guten Jahren noch nie einen Haushalt saniert“ habe. Er will, dass trotz der europäischen Vergaberichtlinien die regionalen Unternehmen bei Ausschreibungen bevorzugt werden und regte an, dass Ereignisse wie Seenachtfest oder Weihnachtsmarkt vor Ort zusammen mit den Vereinen organisiert und nicht an externe Veranstalter vergeben werden.

Jürgen Ruff kündigte für die SPD die Ablehnung des Haushalts an, da dieser zu viele Unwägbarkeiten enthalte. Der Haushalt basiere auf der Annahme eines weiteren Wirtschaftswachstums und werde bei einem Konjunktureinbruch sofort Makulatur, daher halte die SPD ihn für nicht zukunftsfähig. Die FDP tat, was sie am besten kann: Sie machte in Optimismus. Heinrich Everke pries den geplanten Panorama-Bau sowie das Hotel in Büdingen, das ebenso wie das Bauvorhaben in Zoffingen ein Grund zur Freude für alle sei (Gelächter auf der Linken). Um das Bodenseeforum attraktiv zu machen, schlug er vor, auf dem Rasen nebenan ein Hotel und Restaurant mit einem Saal errichten zu lassen, der auch für die Philharmonie groß genug sei. Auf dem Wege der Umwegrentabilität lohne sich das Bodenseeforum nämlich, wenn man nur mit einberechne, welchen Zaster Kongressteilnehmerinnen in der Stadt ließen.

Schwerpunkte von Matthias Schäfer (JFK) hingegen waren die schleppende Digitalisierung (kein WLAN in Bussen usf.) sowie die fehlende Ferien- und Ganztagsbetreuung für Kinder, die die Vereinbarkeit von Leben und Arbeit verbessern müsse. Für seine Behauptung allerdings, das Vertrauen des Rates in die Verwaltung werde oft auf eine harte Probe gestellt, erhielt er vom OB eine verbale Watschn der kräftigeren Sorte.

Zofft Euch endlich

Fundamental fiel die Kritik von Holger Reile aus, der sich konzentriert und wie gewohnt sachlich mit den Schwerpunkten dieses Zahlenwerks auseinandersetzte. Er erinnerte daran, wie locker das Geld beim Bodenseeforum gesessen habe, wie oft der OB aber knausern wolle, wenn es um soziale Anliegen aller BürgerInnen gehe. Er forderte, das Bodenseeforum, das bisher schon weit über 20 Millionen Euro gekostet habe, dichtzumachen, statt dort noch mehr Geld hineinzuschaufeln. Stattdessen solle es eine kostenlose Kinderbetreuung geben, auch wenn die Verwaltung im nächsten März einen neuen Vorstoß zur Erhöhung der Kita-Gebühren unternehmen wolle. Er erinnerte auch daran, auf welch hohem Niveau sich die Armut in Konstanz verfestigt habe und regte erneut einen kostenlosen ÖPNV an, wie ihn selbst Luxemburg jetzt einführt. Er kritisierte, dass es zu wenig Personal in der Verwaltung gebe und dass auch die Stelle des Flüchtlingsbeauftragten gestrichen werden sollte.

Ergo: „Die Unkenrufe aus dem Rathaus, wenn es um Verbesserungen im sozialen oder ökologischen Bereich geht, hören sich für uns oft vorgeschoben an. Sie sind auch deshalb wenig glaubwürdig, weil es nie ein Problem war, Geld für Ihre Lieblingsprojekte locker zu machen. Das aufgeblähte Konziljubiläum etwa, das Bodenseeforum natürlich und schließlich ein Konzilspreis, den die Welt ungefähr so dringend braucht wie Stuttgart einen Tiefbahnhof. Dieser Haushalt hält keine tauglichen Konzepte für eines der drängendsten Probleme bereit, nämlich die grassierende Wohnungsnot. Das Handlungsprogramm Wohnen greift kaum. Sie aber setzen trotzdem weiter hauptsächlich auf den Markt der fast schon kriminellen Geldvermehrung und dabei überwiegend auf profitorientierte Investoren, die das florierende Geschäft mit dem Betongold lockt. Das Beispiel Vincentius-Gelände, neuerdings verträumt Laubenhof genannt, ist nur eines von vielen.“

Am Ende obsiegten wie immer die bürgerlichen SchönwetterrednerInnen: 27 Ja-Stimmen standen sieben Nein-Stimmen von LLK und SPD gegenüber. Einzig die wackere Kämpin Gabriele Weiner enthielt sich lauthals ihrer Stimme, um gegen die Absägung des städtischen Flüchtlingsbeauftragten Mustapha Diop zu protestieren.

O. Pugliese (zuerst erschienen bei seemoz.de)

Hysterische Eventkultur nicht weiter fördern

Thema bei der letzten Sitzung des Konstanzer Gemeinderates waren auch kommerzielle Großveranstaltungen, deren Boom in den vergangenen Jahren nicht nur Freude bei der Einwohnerschaft auslöst. Die Absicht der Verwaltung, durch ein Veranstaltungskonzept klare Rahmenbedingungen zu schaffen und Wildwuchs in diesem Bereich einen Riegel vorzuschieben, findet die Linke Liste deshalb begrüßenswert. Was die Stadtspitze dem Rat aber zur Entscheidung vorlegte, fand unser Stadtrat Holger Reile nicht eben überzeugend, wie seinem Redebeitrag zu entnehmen ist.

Angesichts der späten Stunde meinerseits nur einige kurze Anmerkungen zur Vorlage. Nach Durchsicht derselben sind wir von ihr nur sehr mäßig überzeugt.

Denn weiterhin will man an einigen Großveranstaltungen festhalten, die seit Jahren ziemlich direkt an den Bedürfnissen eines großen Teils unserer Bevölkerung vorbeigehen. Ich meine damit konkret das Seenachtsfest, das durch überregionalen Zulauf mit all seinen negativen Auswirkungen zu einer echten Belastung in fast jeder Beziehung geworden ist. Wir von der Linken Liste haben schon mal angeregt, diese Festivität deutlich herunterzufahren und ihr einen lokalen Charakter zu verleihen. Dieser Vorschlag sei hiermit erneuert. Prinzipiell sollten wir darauf verzichten, eine hysterische Eventkultur weiterhin zu fördern, denn sie ist in der Regel alles andere als nachhaltig und oft ist weniger meistens mehr.

Damit ist auch der bajuwarische Seuchenimport Oktoberfest gemeint. Alleine die Bemerkung, dabei handle es sich um eines der größten Volksfeste auf unserer Scholle und deswegen sei es nicht hinterfragbar, greift unserer Meinung nach nicht. Zumindest sollte dem Veranstalter ein zeitlicher Rahmen gesetzt werden, denn bislang konnte er selbst bestimmen, wielange auf Klein Venedig die schlecht eingeschenkten Maßkrüge gestemmt werden. Außerdem würde uns interessieren, was eigentlich die Stadt konkret davon hat. Am Dirndl- und Lederhosenverkauf ist sie ja wohl nicht beteiligt. Auch hier sollte unser zukünftiges Augenmerk verstärkt auf Qualität und weniger auf Quantität gerichtet sein.

Auch das Weinfest wird wohl in etwa so weitergeführt – allerdings darf sich nicht wiederholen, dass Bürgerinnen und Bürger Eintritt bezahlen müssen, wenn ihnen lediglich der Sinn danach steht, über den Stefansplatz zu laufen. Das hat berechtigterweise für viel Unmut und Ärger in der Bürgerschaft gesorgt. Kritisch zu hinterfragen wäre auch der Weihnachtsmarkt, dessen ständige räumliche und auch zeitliche Ausdehnung mittlerweile die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat.

Eher mit Sympathie betrachten wir die Möglichkeit, neben den offensichtlich unvermeidbaren Großveranstaltungen sogenannte Wildcards zu vergeben. Da besteht unserer Auffassung nach die Möglichkeit, sinnvolle Angebote zu machen. Wie wäre es beispielsweise, wenn wir an einem Wochenende in der Innenstadt unseren ehrenamtlichen Initiativen – ohne die wir ziemlich alt aussähen – die Chance bieten würden, sich darzustellen? Ähnliches könnte sich zum Thema Verkehr anbieten, unter dem Motto: Wie sieht die Mobilität der Zukunft auch in unserer Stadt aus? Vorstellbar wäre auch ein Treffen für Straßenmusiker aus nah und fern oder Filmvorführungen unter freiem Himmel, in etwa an der Stelle, wo früher das Scala-Kino war … Ich bin mir sicher, mit etwas Hirnschmalz und Fantasie könnten wir über diese Wildcards Veranstaltungen anbieten, die sich angenehm abheben von bier- und weinseliger Schunkelei.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zum Stadtgarten und dem dortigen Pavillon. Ein wunderbarer Ort für Veranstaltungen fast aller Art, der aber leider ziemlich vor sich hingammelt. Wir denken, dass es an der Zeit ist, da etwas Geld in die Hand zu nehmen und für eine vernünftige Infrastruktur zu sorgen.

Holger Reile

 

Linke Liste: Flüchtlingsbeauftragter muss bleiben

Die von der Stadtverwaltung parallel zum Doppelhaushaltsentwurf 2019/2020 vorgelegte Personalplanung sieht eine wichtige Stelle nicht mehr vor. Im Rathaus will man künftig auf den Flüchtlingsbeauftragten Dr. Moustapha Diop verzichten. Hintergrund dieser Entscheidung ist offenbar das Auslaufen der Landesförderung zum Jahresende.

Für die Linke Liste Konstanz (LLK) wäre das eine strategische Fehlentscheidung, die weitreichende Negativfolgen nach sich ziehen würde. Die Fraktion hat deshalb den Antrag gestellt, die Stelle des Flüchtlingsbeauftragten unbefristet wieder in den Stellenplan aufzunehmen. Zudem will sie prüfen lassen, ob sie ohne Neuausschreibung an den gegenwärtigen Inhaber vergeben werden kann.

LLK-Stadträtin Anke Schwede dazu: “Mit den Migrationsbewegungen seit 2015 sind auch mehrere hundert Menschen nach Konstanz gekommen. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie einen Platz in der neuen Lebensumgebung finden.” Trotz mittlerweile rückläufiger Zahlen, so Schwede, blieben die Aufgaben groß: “Die Menschen müssen menschenwürdig untergebracht, im Deutschen unterrichtet, bei der Arbeitssuche unterstützt, im Schulunterricht begleitet, über örtliche Strukturen orientiert, kurz: mit der neuen Umgebung umfassend vertraut gemacht werden.”

Ratskollege Holger Reile kritisiert, dass die Landesregierung die finanzielle Förderung der Stelle beenden will. Mit diesem “Armutszeugnis für eine grün-geführte Regierung” drohe das Wegbrechen der nötigen Unterstützung auf halbem Wege. Indes könne es sich die Stadt Konstanz nicht leisten, “eine so erfolgreiche Stelle wie die des Flüchtlingsbeauftragten alleine aufgrund nicht mehr fließender Fördermittel abzuschaffen. Sie würde damit die Integration von Schutzbedürftigen gefährden und damit auch eine Zunahme fremdenfeindlicher Propaganda riskieren”, ist Reile überzeugt. Die Stadt Konstanz müsse, so die LLK-Rät*innen, deshalb die Flüchtlingsbeauftragten-Stelle unbefristet aufrechterhalten.

Beide LLK-Rät*innen machen sich zudem für den Verbleib des Stelleninhabers stark. Moustapha Diop habe in den vergangenen drei Jahren besonders dazu beigetragen, “dass Geflüchtete in unserer Stadt vergleichsweise gut behandelt wurden”, lobt etwa Schwede. Der Beauftragte “hat es insbesondere verstanden, als Ansprechpartner für Geflüchtete und Helferkreise gleichermaßen zu dienen. Vornehmlich seinem Beitrag ist es zu verdanken, dass die Integrationsarbeit in Konstanz auf stabilen Füßen steht”.

MM LLK/red

LLK-Antrag angenommen: Gemeinderat erklärt Konstanz zum sicheren Hafen

In der gestrigen Gemeinderatssitzung wurde der Antrag der Linken Liste, sich der Erklärung von bisher 18 deutschen Städten zum „sicheren Hafen“ anzuschließen, kontrovers diskutiert und letztlich mit einer passablen Mehrheit angenommen. Damit ist ein wichtiges Signal zugunsten von Flüchtlingen und gegen rechts sowie gegen die europäische Abschottungspolitik gesetzt.

Die Bilder sind nur zu bekannt: Menschen, die im Mittelmeer auf Schlauchbooten um ihr Leben kämpfen, aufgedunsene Körper von Ertrunkenen an Urlaubsstränden, notdürftig in Decken gehüllte, halb verdurstete Elendsgestalten. Dagegen setzt Europa zunehmend auf eine Abschottungspolitik, mit der es sich das Elend seiner Nachbarn vom Halse halten will.

Tausendfacher Tod

Anke Schwede (LLK) erinnerte in ihrer Begründung des Antrages, Konstanz zum sicheren Hafen zu erklären, daran, dass in diesem Jahr bereits über 1500 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind und dass die SeenotretterInnen zunehmend kriminalisiert und Rettungsschiffe in Häfen abgewiesen werden. „Die Linke Liste Konstanz möchte mit dem vorliegenden Antrag ein Zeichen setzen, dass die Politik Menschen in Not nicht allein lässt und die Bühne nicht den Fremdenfeinden überlässt. Auch in der Stadt Konstanz findet sich eine Vielzahl von engagierten, begeisterten Menschen, die sich für Belange von Geflüchteten einsetzen und nicht zulassen wollen, dass diese aufgrund rechter Hetze marginalisiert werden.“

Die LLK hatte folglich beantragt:
1. Die Stadt Konstanz erklärt sich zum „sicheren Hafen“. Sie erklärt gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die unbedingte Bereitschaft, auch über die bundesrechtlichen Pflichten hinaus Bootsflüchtlinge aufzunehmen.
2. Die Stadt Konstanz schließt sich dem Appell der Stadtoberhäupter der Städte Düsseldorf, Köln und Bonn vom 26.07.2018 an.

Schwede wies darauf hin, dass sich diesem Aufruf mittlerweile 18 deutsche Kommunen angeschlossen haben, darunter auch Freiburg und Heidelberg, und dass sich der „Arbeitskreis Runder Tisch – Begleitung von Flüchtlingen in der Stadt Konstanz“ für diesen Appell ausgesprochen hat.

Der OB ist dagegen

Sehr skeptisch zeigte sich Oberbürgermeister Uli Burchardt. Er nannte diesen Appell ein Bekenntnis, das man als politisches Signal nur unterstützen könne, aber das alles sei ein reines Lippenbekenntnis. In Konstanz fehlen nach seinen Angaben 300 Plätze zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen, weshalb diese Menschen in anderen Gemeinden wohnen müssen, so dass Konstanz praktisch als sicherer Hafen für weitere Flüchtlinge ausfalle und niemanden aufnehmen könne. „Wir haben, als die Not am größten war, massenhaft Menschen untergebracht, und würden das in derselben Situation auch wieder tun, obwohl wir uns in einer der oder vielleicht der schwierigsten Lage aller Städte in ganz Deutschland befinden.“ Das hörte sich eher nach das Boot ist voll denn nach sicherem Hafen an.

Gegen Konstanz als sicheren Hafen sprach sich auch Alfred Reichle (SPD) aus, der dem Antrag zwar aus menschlicher Sicht zustimmen mochte, aber den Konstanzer Gemeinderat für nicht zuständig hielt. Nach seiner Ansicht ist die Flüchtlingspolitik Sache des Bundes. Dass er seine Parteigenossen in Berlin, die dort ja wacker mitregieren, von der Übernahme dieser Erklärung überzeugen wolle, sagte er allerdings nicht. Der Rest seiner Fraktion stimmte für den Antrag.

Persönliche Erfahrungen

Praktische Erfahrungen, was das Schicksal von Flüchtlingen anbelangt, führte Anne Mühlhäußer (FGL) ins Feld. „Wir Europäer haben Glück, hier geboren zu sein und in Frieden und Wohlstand leben zu können. Wir haben aber auch eine Verpflichtung den Armen gegenüber.“ Sie erzählte von einer syrischen Familie, die in Konstanz lebt und auf der Flucht über das Mittelmeer beinahe umgekommen ist. Sie arbeitet als Lehrerin mit einem der Kinder, das aber wegen seiner traumatischen Erlebnisse praktisch kaum beschulbar ist und vielleicht lebenslang mit diesen Erfahrungen zu kämpfen haben wird, weshalb sie sich dem Antrag der Linken anschloss.

Sichtlich bewegt war auch ihr Fraktionskollege Normen Küttner, der selbst im Rettungsdienst tätig ist. Er erinnerte daran, wie sehr man noch beim Thema Konzilsfeierlichkeiten das Hohelied von Europa gesungen habe, er als Rettungsdienstmitarbeiter aber schäme sich für Deutschland und Europa, wenn er sehe, wie Seenotretter inzwischen kriminalisiert würden.

Am Ende gab es 21 Ja-Stimmen für den Antrag der Linken Liste, unter anderem auch von der FDP und Teilen der FWK. Damit will sich, wie es im Antrag heißt, auch Konstanz gegen die vermeintlich herrschende Stimmung stellen, dass „Zäune und Mauern statt eines gerechten europäischen Verteilsystems die Not der Geflüchteten lösen können“. Am Ende siegte bei einer Mehrheit der Gemeinderätinnen und -räte also die Humanität.

O. Pugliese (Fotomontage: dsc)

Zum Nachlesen: Anke Schwede im Gemeinderat zum LLK-Antrag

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, wertes Publikum,
wir debattieren heute über unseren Antrag, die Stadt Konstanz zu einem sicheren Hafen zu erklären und folgende zwei Beschlüsse zu verabschieden:1. Die Stadt Konstanz erklärt sich zum „sicheren Hafen“. Sie erklärt gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die unbedingte Bereitschaft, auch über die bundesrechtlichen Pflichten hinaus, Bootsflüchtlinge aufzunehmen.

2. Die Stadt Konstanz schließt sich dem Appell der Stadtoberhäupter der Städte Düsseldorf, Köln und Bonn vom 26. Juli 2018 an.

In diesem Jahr sind bereits über 1500 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken (Quelle: Internationale Organisation für Migration). Gleichzeitig wird die Seenotrettung immer stärker kriminalisiert. Die Abschottung Europas auf diese Weise voranzutreiben ist unerträglich und spricht gegen jegliche humanitäre Verantwortung.

Im Deutschen Städtetag stieß am 30. Juli diesen Jahres die Initiative der Städte Köln, Bonn und Düsseldorf, „ein Signal für Humanität, für das Recht auf Asyl und für die Integration Geflüchteter zu setzen“ auf großen Zuspruch. Das Gremium lobte den Appell der drei Stadtoberen an Bundeskanzlerin Merkel. Ich zitiere: „Solange Menschen auf der Flucht im Mittelmeer sterben, muss es intensive politische Anstrengungen geben, dieses Drama zu lösen“, so die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin, Verena Göppert. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, dankte den Kommunen.

In Deutschland haben sich, Stichtag 22. Oktober, bereits 18 Städte solidarisch erklärt bzw. StadtvertreterInnen die Initiative begrüßt, darunter drei aus Baden-Württemberg. Dem Beispiel dieser Städte wie Freiburg, Köln, Heidelberg, Flensburg, Düsseldorf, Kassel, Rostock und weiteren sollten wir folgen.

Auch der „Arbeitskreis Runder Tisch zur Begleitung von Flüchtlingen“ unterstützt ausdrücklich die Forderung, dass sich die Stadt Konstanz der Initiative der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Köln und Bonn anschließt und die Bereitschaft erklärt „sicherer Hafen“ zu werden.

Wir bitten Sie also, liebe Ratskolleginnen und -kollegen, unseren Antrag zu unterstützen und sich dem Votum des Runden Tischs, der Stellungnahme des Städtetags und dem Beispiel der solidarischen Städte anzuschließen. Danke.

Nach rassistischem Rathauserlass: Linke Liste will Städtepartnerschaft mit Lodi aussetzen

Die Linke Liste Konstanz fordert eine Grundsatzdiskussion über die Zukunft der Städtepartnerschaft mit Lodi. Anlass ist das Vorgehen der von der Lega-Bürgermeisterin Sara Casanova regierten Gemeinde, Flüchtlingskinder von der Schulkantine auszuschließen. Die rechte Politikerin verlangt, mit ausdrücklicher Rückendeckung des Innenminister Salvini, von allen Eltern mit ausländischen Wurzeln die Offenlegung ihres Vermögens. Wie nicht anders zu erwarten, sind gerade Flüchtlinge kaum in der Lage, dieser migrantenfeindlichen Forderung nachzukommen. Im Ergebnis wurde etwa 300 Kindern der Kantinenbesuch untersagt, auch den Schulbus dürfen sie nicht mehr nutzen.

Die Linke Liste bezeichnet diese Regelung, mit der Lodi italienweit für Empörung sorgt, als rassistisch. „Im Stil rechter Hetzjagden wird den Familien mit Wurzeln im Ausland unterstellt, sie hätten außerhalb Italiens Staatsgrenzen Vermögen gehortet, aus denen sie jederzeit genügend Geld aufbringen könnten, um den Höchstsatz der nach Einkommen gestaffelten Essenspreise zu zahlen“, kritisiert LLK-Stadträtin Anke Schwede die Politik der rechten Hardliner. Das seien Praktiken, die an Apartheidpolitik erinnerten; die betroffenen Kinder müssten „nicht nur über Mittag hungern, sie werden damit aus ihren Freundeskreisen ausgeschlossen und zu Schüler*innen zweiter Klasse degradiert“, so Schwede weiter.

Solch eine „menschenverachtende Politik“ könne nicht geduldet werden, erklärt ihr Ratskollege Holger Reile. „Die Linke Liste Konstanz fordert die Stadtverwaltung auf, klare Kante zu zeigen und den Partnern in Lodi unmissverständlich zu verstehen zu geben, dass sie damit die Grundlage für eine dauerhafte Städtepartnerschaft aufkündigen“, so der LLK-Rat. Die zwischen europäischen Kommunen geschlossenen Partnerschaften sollten Zeichen setzen für Frieden, Völkerverständigung und Toleranz. Gegen diese Grundsätze verstoße die Rechtspolitikerin Casanova gröblich. Reile weiter: „Erst am 5. Oktober hat sich die Stadt mit Geflüchteten solidarisch erklärt. Oberbürgermeister Burchardt wird beweisen müssen, dass er die Schirmherrschaft der beeindruckenden Demonstration gegen die Rechtsentwicklung nicht nur zum Schein übernommen hat.“

Zur Tagesordnung könne man nach den beunruhigenden Entwicklungen in der Partnerstadt nicht übergehen. Die LLK will deshalb, dass sich Stadt und Gemeinderat grundsätzlich mit dem Thema befassen. Als Konsequenz müsse die Städtepartnerschaft ausgesetzt werden, solange sich kein Kurswechsel abzeichne, fordern die Stadträt*innen der Linken Liste. „Freundschaft mit Fremdenfeinden ist für uns ausgeschlossen!“ Konstanz müsse stattdessen Solidarität mit den tausenden BürgerInnen in Lodi und Italien üben, die gegen den Erlass auf die Straße gegangen sind und binnen weniger Tage zehntausende Euro für die ausgegrenzten Kinder gesammelt haben. „Dass der Erlass nun zumindest entschärft wurde, ist den Menschen zu verdanken, die sich gegen die menschenfeindliche Politik gestellt haben“, betont Anke Schwede.

Linke Liste Konstanz

Foto: Protest am 16.10. auf der Piazza Broletto in Lodi gegen die rassistische Schulpolitik der Lega (Quelle: Partito della Rifondazione Comunista SE – Regione Lombardia).

Stadtwerke vermieten Fähre an rechte Band

Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt war ganz vorne mit dabei, als am 5. Oktober 1500 Menschen in Konstanz gegen die Rechtstendenzen in der deutschen Gesellschaft demonstrierten. Gerade mal eine Woche später konnte die Band “Frei.Wild”, der KritikerInnen vorwerfen, in ihren Songs rechtes Gedankengut zu transportieren, auf einer Fähre der Stadtwerke einen Gig für geladene Fans absolvieren. Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen GmbH: Der Konstanzer OB. Die Linke Liste will von Burchardt und Stadtwerkchef Reuter wissen, ob sie im Vorfeld wussten, wer da die Fähre Lodi gemietet hatte.

Samstag abend füllte sich der Platz am Konstanzer Fährehafen (siehe Bilder). Fans der nationalistisch-völkischen Rechtsrockgruppe Frei.Wild waren aus ganz Baden-Württemberg und den Nachbarländern Schweiz und Österreich zusammengekommen, um einem Konzert der umstrittenen Südtiroler Band auf der Konstanzer Fähre „Lodi“ beizuwohnen. Organisiert wurde der Auftritt von Frei.Wild-Unterstützern, Eintritt gab es nur für „geladene Gäste“.

Schon vor gut einer Woche wurde in gut informierten Kreisen über den Auftritt geredet. seemoz fragte umgehend bei den Stadtwerken nach, doch angeblich wusste man dort nichts von dem geplanten Konzert. Kaum mehr als eine Woche ist es her, dass 1500 Konstan­zerInnen durch die Stadt zogen, um gegen den Rechtsruck in unserer Gesellschaft zu demonstrieren – mit Oberbürgermeister Uli Burchardt an der Spitze. Der wiederum ist Aufsichtsratsvorsitzender der Konstanzer Stadtwerke und der Bodensee-Schiffsbetriebe und sollte eigentlich Bescheid wissen, wem die Fähren für Veranstaltungen überlassen werden und wer sich da auf städtischem Gelände versammelt. Da tauchen viele Fragen auf. Wir bleiben dran. (jüg/seemoz, Fotos: hr)

 

Konstanz muss „eine Stadt für alle“ werden

Kommunalpolitische Beratung der Linken Liste Konstanz am 17.10., 19 Uhr, im Treffpunkt Petershausen

Im nächsten Jahr stehen am 26. Mai Wahlen zu den Gemeinderäten und Kreistagen auf der politischen Agenda. Die Linke Liste Konstanz (LLK), mit zwei Stadträt*innen im Gemeinderat vertreten und der Basis verpflichtet, lädt mit Blick auf den Wahlkampf bewusst frühzeitig zu einer öffentlichen kommunalpolitischen Beratung ein. Sie ruft alle, die sich für ein soziales, solidarisches und weltoffenes Konstanz einsetzen wollen, zur Beteiligung an einem Gedankenaustausch über die Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode auf.

Wir wollen mit möglichst vielen Menschen in der Stadt ins Gespräch kommen, um zu erfahren, was sie umtreibt. Was erwarten sie sich für die nächsten Jahre von den Stadträt*innen der LLK? Wie können wir dem Ziel näherkommen, aus Konstanz „eine Stadt für alle“ zu machen? Und wir wollen wissen, welche Ideen es dafür gibt, uns noch besser mit sozialen und politischen Bewegungen und Initiativen von unten zu vernetzen.

Gemeinsam stehen wir vor großen Herausforderungen. Der Einzug von Neofaschisten der AfD in den Gemeinderat droht auch in Konstanz. Wir müssen darüber reden, wie wir den antidemokratischen, nationalistischen, rassistischen Hetzern erfolgreich entgegentreten können. Zugleich dürfen wir die wichtigen Themen nicht aus dem Blick verlieren, die eigentlich den Alltag der Stadt prägen: Teure Wohnungen, drückende Lebenshaltungskosten, fehlende Kita-Plätze, zu wenig Pflegebetten und immerwährendes Verkehrschaos am Samstag, um nur einige brennende Probleme zu nennen.

Von Euch wollen wir wissen, welche Projekte Ihr wichtig findet und welche Ideen es gibt, sie anzupacken. Deswegen würden wir uns sehr freuen, Euch am Mittwoch, 17.10.2018, 19 Uhr, im Treffpunkt Petershausen begrüßen zu können.

Anke Schwede, Holger Reile (Stadträt*innen)

Ein Konstanzer Patient, der kaum noch Puls hat

Stundenlange Diskussionen über die Zukunft des Bodenseeforums gab es gestern, 9.10., im Betriebsausschuss des städtischen Eigenbetriebs. Grund ist die im aktuellen Quartalsbericht dokumentierte anhaltende finanzielle Talfahrt des Veranstaltungshauses, mit dem ehrgeizige Lokalhonoratioren Konstanz zur Kongressstadt adeln wollten – koste es was es wolle (wir berichteten ausführlich hier). Einzig die Linke Liste war von Beginn an gegen das Prestigeprojekt am Seerhein, sie warnte vor den finanziellen Risiken und plädierte dafür, die Millionen in die soziale Infrastruktur zu stecken. Im Ausschuss wollte die Verwaltung nun einen Blankoscheck über mindestens weitere 150.00 Euro für die externe Begutachtung des maroden Projekts, kam damit jedoch nicht durch. Plötzlich wollen fast alle Fraktionen schon immer dagegen gewesen sein; man fragt sich, wo die Mehrheiten für die Millionenbeträge herkamen, mit denen die marode Halle über Wasser gehalten wurde. Wie es am Seerhein weiter gehen soll, ist damit weiter unklar. Wir dokumentieren den Redebeitrag unseres Stadtrats Holger Reile.

Die vorliegenden Zahlen lassen fraglos erkennen: Alle Hoffnungen und Wünsche, die mit dem Projekt verbunden waren, haben sich in Ernüchterung oder gar Entsetzen aufgelöst. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben: Seit Jahren füttern sie mit Steuergeldern einen Konstanzer Patienten, der kaum mehr Puls hat. Das ist gegenüber der Bürgerschaft schon längst nicht mehr vermittelbar. Unsere Warnungen vor dem hochtrabenden Projekt haben Sie nicht interessiert, eine ganz große Mehrheit hier hat jedes Mal zugestimmt, wenn es darum ging, den Patienten im Wachkoma zu halten. Und Sie können mir glauben, da kommt bei uns keinerlei Schadenfreude auf, im Gegenteil, denn mittlerweile stecken rund 20 Millionen Euro in dem Haus – und jeder hier kann sich in etwa ausmalen, was wir mit diesem Kapital alles hätten machen können.

Zu Ihren diversen Szenarien:

Das erste – Weiterführung des Hauses unter den bestehenden Prämissen … – erscheint uns nicht sinnvoll und löst das Problem nicht und zieht es nur zeitlich in die Länge.

Das zweite – Umorientierung zu einer Stadthalle, vergleichbar mit anderen in der Region – sollte geprüft werden. Aber auch dafür – Anpassung der Infrastruktur – muss viel Geld in die Hand genommen werden.

Das dritte – Verkauf der Immobilie – kann ebenfalls geprüft werden.

Das vierte – Bau eines Hotels inklusive Konzertsaal auf dem Nachbargrundstück, und das mit dem BoFo gemeinsam zu betreiben, halten wir finanziell für hochgradig riskant. Das findet nicht unsere Zustimmung. Wer bindet sich schon eine derart teure Investition ans Bein, die unter einem hohen zweistelligen Millionenbetrag kaum machbar ist. Wer sich sowas antut, muss bekloppt sein.

Das fünfte – einfach weiter so und auf dem Nachbargrundstück eine Gastro einzurichten, bringt uns auch nicht weiter.

Dazu: Im Beschlussvorschlag regen sie wieder mal ein externes Gutachten an, dessen Kosten auf, Zitat: „maximal 150 000 Euro“ geschätzt werden. Weiter hinten in der Vorlage ist dann zu lesen, Zitat: „Die Höhe der tatsächlich anfallenden Beratungskosten richtet sich nach Anzahl und Art der zu prüfenden Varianten“. Klartext: Dieses Gutachten kann auch weit mehr kosten als die angegebenen 150 000 Euro. Auch aus diesem Grund werden wir Ihrem Wunsch nach einem Gutachten nicht zustimmen.

Wie auch immer eine Entscheidung über das Bodenseeforum aussehen mag: So oder so wird das weiterhin viel Geld kosten, das uns an anderer Stelle fehlt, und nach Ihren Vorstellungen soll es ja bis zu einer Entscheidung noch fast ein Jahr in der bisherigen Form weiterlaufen und – so sieht es aus – weiterhin defizitär betrieben.

Eines noch, was wir bei der Debatte über die Zukunft des Hauses einbringen möchten: Was halten Sie davon, wenn wir über das “Wie weiter mit dem Bodenseeforum” die Bürgerinnen und Bürger befragen?

Bodenseeforum vor dem Offenbarungseid?

Wer gedacht hatte, noch schlimmer könne es nicht kommen beim Verlustbringer Nummer eins der Stadt, sieht sich durch die aktuell veröffentlichten Zahlen und Fakten eines besseren belehrt. Auch im dritten Wirtschaftsjahr befindet sich das Bodenseeforum weiter auf Talfahrt, mit wachsender Geschwindigkeit, wie aus dem jüngsten Quartalsbericht hervorgeht. Droht dem maroden Veranstaltungstempel nun bald gar das Aus?

Wieder einmal haben die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung nur Hiobsbotschaften zu überbringen, wenn der Betriebsausschuss Bodenseeforum am kommenden Dienstag über die Lage beim städtischen Veranstaltungshaus berät. Der Quartalsbericht, den die Leitung des städtischen Eigenbetriebs vorlegt, malt die Zukunft in düsteren Farben. Nachdem die 20 Millionen Euro teure Einrichtung schon im vergangenen Jahr mehr als zwei Millionen Verluste eingefahren hatte, beschleunigt sich der wirtschaftliche Niedergang weiter. Klar ist: Das vom Gemeinderat, dessen anfängliche Euphorie längst verflogen ist, zähneknirschend bewilligte Jahresdefizit von knapp 1,2 Millionen wird bei weitem nicht ausreichen, um das Eurograb am Seerhein über Wasser zu halten, ist es doch allein von Januar bis Juni 2018 schon um weitere 646.500 Euro Miese überschritten worden. Geht es in dieser Geschwindigkeit weiter, klafft am Jahresende eine Finanzlücke von womöglich bis zu drei Millionen Euro.

Als Grund für die Negativentwicklung nennt der Quartalsbericht so zutreffend wie nichtssagend, “dass Umsätze nicht wie vorgesehen generiert werden konnten”, zudem sei man mit “nicht vorgesehenen Steuerbelasungen” konfrontiert gewesen. Dem Bericht zufolge soll das Abspringen eines Großkunden maßgeblich für die aktuelle Malaise verantwortlich sein. Ein mehr als klägliches Eingeständnis, dass man sich mit den vollmundigen Behauptungen, wonach potente Interessenten nur auf das Haus am Seerhein warten würden, völlig verkalkuliert hatte. Unverständlich zudem, warum gut bezahlte Führungskräfte nicht imstande sind, die Größenordnung der zu erwartenden Steuerlast für einen städtischen Eigenbetrieb im voraus zu beziffern.

Am kommenden Dienstag wird die Verwaltung den Ausschussmitgliedern nun fünf Zukunftszenarien vorlegen, wie es mit dem Verlustbringer weitergehen soll. Sie reichen von einem trotzigen Weiter so (“Weiterführung des Hauses unter den bestehenden Prämissen”) über die Umwidmung zur “Stadthalle” bis zum “Verkauf des Teileigentums an der Immobilie Reichenaustraße 21”. Selbst ein weiteres Hotel inklusive Konzertsaal auf dem benachbarten Gründstück bringen die Verantwortlichen ins Spiel. Dass man nun im Rathaus selbst das Projekt in Frage stellt, zeigt die ganze Dramatik der Lage. In der offenkundig herrschenden Verzweiflung ruft die Stadtspitze einmal mehr nach Hilfe von außen. So soll der Betriebsausschuss die Verwaltung ermächtigen, “für die inhaltliche Erarbeitung der Szenarien externe Beratung hinzuzuziehen”. Kostenpunkt: 150.000 Euro, die auf das Millionendefizit noch obendrauf kommen würden. Den Nutzen darf man mit Fug und Recht bezweifeln, gründeten doch die BoFo-Fans ihren damals noch überschäumenden Optimismus in den Erfolg des ehrgeizigen Projekts ebenfalls auf externe Expertisen.

Die jetzt vorgelegten Zahlen lassen nur einen Schluss zu: Das von Oberbürgermeister Uli Burchardt und einer ganz großen Gemeinderatsfraktion durchgepeitschte Projekt, mit dem ehrgeizige LokalhonoratiorInnen Konstanz in die Liga bedeutender Kongressstädte katapultieren wollten, ist auf der ganzen Linie gescheitert. Einzig die Linke Liste hatte damals dem Prestigeprojekt kategorisch die Zustimmung verweigert. Ihre StadträtInnen machten nicht nur geltend, dass angesichts drängender sozialer Probleme die Millionen etwa in den Bau bezahlbarer Wohnungen oder Kitas investiert gehörten, sie verwiesen auch auf die erheblichen finanziellen Risiken des im Eiltempo realisierten Unterfangens.

Die LLK stieß damit indes nicht nur im traditionsbürgerlichen Lager, sondern auch bei Grünen und Sozialdemokraten auf taube Ohren. Wie berechtigt die Warnungen waren, zeigt sich nun in hässlicher Deutlichkeit. Bezahlen muss das größenwahnsinnige Prestigeprojekt die Bevölkerung nicht nur mit Steuermillionen, sie wartet auch immer noch vergeblich auf dringend nötigen erschwinglichen Wohnraum und den Ausbau der sozialen Infrastruktur, der längst nicht mehr mit der steigenden Einwohnerzahl Schritt hält. Nun bleibt nur, die Scherben zusammenzukehren. Die Linke Liste wird sich konsequent für eine Lösung einsetzen, die weiteren Schaden von der Bevölkerung abwendet.

J. Geiger (Bildnachweis: Lorth, Gessler, Mittelstaedt)