Erneut wurde im Gemeinderat darüber diskutiert, ob man das beliebte Hallenbad am Seerhein schließen solle, um Kosten zu sparen. Ein Prüfbericht wurde vorgelegt. Hier der Debattenbeitrag unseres Stadtrates Holger Reile.
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
Dieser Prüfbericht zum Hallenbad könnte klarer nicht sein. Er liegt uns allen vor und die Ergebnisse zeigen unmissverständlich, ich zitiere aus der Vorlage: „Die Schließung des Hallenbads am Seerhein brächte für die Stadt Konstanz weder den erhofften haushaltswirtschaftlichen Einspareffekt noch gesellschaftliche oder stadtentwicklungspolitische Vorteile. Das tatsächliche Einsparpotential beim Zuschussbedarf für die Bädergesellschaft wäre nach Abzug aller kalkulierten Folgekosten und Einnahmeverluste minimal. Das Einsparpotential stünde in keinem Verhältnis zu den gravierenden Nachteilen. Das Schul- und Vereinsschwimmen würde massiv eingeschränkt, die Schwimmausbildung von Kindern und Jugendlichen würde reduziert und die erfolgreiche Vereinsarbeit bedroht“.
Der Prüfbericht empfiehlt dem Gemeinderat deswegen in aller Deutlichkeit folgendes Vorgehen: „Vor dem Hintergrund der dargestellten Fakten und Risiken empfiehlt die Stadtverwaltung, das Hallenbad am Seerhein mit Schwimmbetrieb zu erhalten und die notwendigen Investitionen für den Weiterbetrieb und die denkmalgerechte Sanierung einzuplanen. Die vermeintlichen Einsparungen einer Schließung stehen in keinem Verhältnis zu den gesellschaftlichen, bildungspolitischen und städtebaulichen Nachteilen. Der Erhalt des Hallenbads ist die nachhaltigste und verantwortungsvollste Lösung für die Stadt Konstanz“.
Dieser Empfehlung, Kolleginnen und Kollegen, sollten wir tunlichst folgen. Richtig ist, aufgrund unserer prekären Haushaltslage müssen wir sparen. Aber es wäre sicher der absolut falsche Weg, damit beim Hallenbad zu beginnen. Es gibt einige andere Projekte, die sich da anbieten und über die wir gern reden können und deren höchst defizitärer Weiterbetrieb gegenüber unserer Stadtgesellschaft nicht mehr zu vertreten ist.
Anmerkung: 25 der anwesenden 39 Rätinnen und Räte, darunter die von FGL/Grüne, SPD, JFK, FDP und LLK, stimmten für den Weiterbetrieb des Hallenbades, 3 (Freie Wähler) waren dagegen, 11 (Freie Wähler, CDU und Oberbürgermeister Burchardt) enthielten sich.
Bei der Gemeinderatssitzung am 25.9.2025 stand ein Antrag der SPD auf der Tagesordnung, den Seeuferweg nach Erwin Reisacher umzubenennen. Hier der Redebeitrag unseres LLK-Rates Holger Reile.
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen:
Meine Fraktion, die Linke Liste Konstanz, unterstützt den Antrag der SPD, den Seeuferweg in Erwin-Reisacher-Weg umzubenennen. Gründe, die dafür sprechen, sind im Antrag nachzulesen, ich muss sie hier daher nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit auflisten.
Nur so viel: Ohne jeden Zweifel war Erwin Reisacher über lange Jahre eine wichtige Persönlichkeit der Konstanzer Nachkriegsgeschichte, die er als engagierter Kommunalpolitiker entscheidend mitgeprägt hat. Auch als Gewerkschafter vertrat er immer die Belange der Arbeitnehmerschaft und ohne seinen legendären und fast schon historischen Uferspaziergang vor rund 50 Jahren wäre der öffentliche Seeuferweg, wie wir ihn heute kennen und außerordentlich schätzen, wahrscheinlich nicht entstanden.
Der Vorschlag der Verwaltung, die Umbenennung aus rein formalen Gründen abzulehnen, überzeugt nicht. Ebenso wenig wie die Anregung, den Namen Reisacher für eine kommende Straßenbenennung irgendwann und irgendwo am Stadtrand vorzumerken – denn die Erinnerung an ihn ist eben sehr eng mit dem Seeuferweg verbunden und Teil unserer historischen Stadtgeschichte, die endlich auch sichtbar werden sollte. Dazu: bei den jüngst erfolgten Straßenumbenennungen gab es zum Teil aus der betroffenen Bürgerschaft wegen anstehender Ummeldung und diverser Amtsgänge Kritik. Das ist beim Seeuferweg nicht der Fall, denn Anwohner sind bei einer Umbenennung davon nicht betroffen.
Ein Letztes noch: Jahrzehntelang waren auf Straßenschildern in unserer Stadt Namen von Leuten zu lesen, die mit dem Nationalsozialismus verbunden waren und dieses mörderische Regime sogar unterstützten. Das haben wir korrigiert und die Straßen richtigerweise umbenannt. Und das war auch gut so.
In diesem Sinne bitten auch wir um Zustimmung für den Antrag, den Seeuferweg in Erwin-Reisacher-Weg umzubenennen und posthum – gerade in diesen Zeiten – an einen aufrechten Demokraten zu erinnern, der diese Auszeichnung längst verdient hat.
Ein Letztes noch: Wenn es um die Finanzierung des neuen Straßenschildes geht – wir müssen ja sparen – spendiere ich dafür einmalig meine monatliche Vergütung für mein Ehrenamt in diesem Hause.
Vielen Dank
Aktuelle Anmerkung: Auf Antrag von CDU und Freien Wählern wurde der Antrag der SPD in die Straßenbenennungskommission (StBK) zurückverwiesen, dabei unterstützt auch von der Verwaltung. Die Sozialdemokraten bezeichneten im Nachhinein diesen Vorgang als „rechtswidrig“, denn die StBK ist ein beratendes Gremium ohne Beschlusskompetenz. Ein peinlicher Vorgang, denn das hätte die Verwaltung wissen müssen. Mittlerweile hat sie sich für diesen Fauxpas entschuldigt und somit kommt das Thema voraussichtlich bei der kommenden Gemeinderatssitzung am 23. Oktober erneut auf die Tagesordnung.
Am Bahnhof Petershausen beginnen die Bauarbeiten für ein neues Radhaus mit 40 gesicherten Stellplätzen, am Hauptbahnhof soll in ein paar Jahren ein großes, zentrales Fahrradparkhaus für ca. 750 Räder entstehen. Beide Einrichtungen sind wichtige Schritte zum klima- und menschenfreundlichen Umbau unserer innerstädtischen Verkehrssysteme. Sie kommen zudem auch Fußgänger:innen und mobilitätseingeschränkten Menschen zugute, für die notgedrungen auf den Gehwegen abgestellte Fahrräder oft hinderlich sind.
Erstaunlicherweise stoßen diese Bauvorhaben nicht überall auf Zustimmung. Autofahrende Mitmenschen beklagen die angebliche einseitige Bevorzugung der Radelnden, und es wird die Forderung erhoben, Abstellplätze für Fahrräder müssten „kostenneutral“ gestaltet werden. Das heißt, die Preise für das Fahrradparken in diesen Häusern sollten so hoch sein, dass sie die Kosten zumindest für den laufenden Betrieb decken.
Wer solche Forderungen erhebt, übersieht etwas: Unsere Innenstädte wurden in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg mit hohem finanziellem Aufwand autogerecht umgebaut und dabei teils nachhaltig verschandelt. Eine einseitige Bevorzugung eines Verkehrsmittels gibt es bisher ausschließlich für den motorisierten Verkehr. Dass die Allgemeinheit die Milliarden für die direkten Kosten des Autos (Verkehrswege) ebenso wie für die indirekten Kosten (Mief, Klimabelastungen, Tote und Schwerverletzte, Landschaftsverbrauch, gesundheitsschädlicher Lärm) trägt, wird dabei gern verschwiegen. Schätzungen gehen davon aus, dass die öffentlichen Hände jedes Auto mit ca. 5.000,– Euro pro Jahr subventionieren. Angesichts der dringend gebotenen innerstädtischen Verkehrswende hin zum Fuß- und Radverkehr ist jeder für Fahrräder und Fußgänger:innen investierte Euro unserer Meinung nach eine notwendige Zukunftsinvestition.
Das Seenachtfest ist für viele Konstanzer:innen ein Höhepunkt des Sommers, und doch wirkt es wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten: Von weither – teils mit dem Auto – anreisende Menschen belasten Umwelt und Infrastruktur, die Innenstadt wird für manche Anwohner:innen zwölf Stunden lang unbewohnbar.
Auch am und im Wasser gibt es deutliche Spuren: Wasservögel suchen verschreckt das Weite, Uferbereiche werden zertrampelt, und das prächtige Feuerwerk ist eine Tortur für das Klima und die Nerven vieler Haustiere, die sich zitternd unter Sofas und Schränken verkriechen.
Dieses „Fest“ ist schon längst kein heiteres Zusammensein mehr, sondern ein touristisches und kommerzielles Großereignis, mehrere Nummern zu groß für eine mittlere Stadt in einer ziemlich einmaligen, hochsensiblen Landschaft.
Wir denken, dass es jetzt höchste Zeit ist, diese Veranstaltung zu beerdigen – oder aber einen Neuanfang mit einer ganz anderen Zielsetzung zu wagen. Das Seenachtfest muss sich wandeln oder verschwinden. In Zukunft muss unserer Meinung nach das Festgelände deutlich verkleinert werden: Für eine Party, die sich vor allem an die Konstanzer:innen und ihre Feriengäste richtet, genügt ein Teil des Hafenareals allemal. Welche Programmpunkte am, im und auf dem Wasser geboten werden, muss künftig nach deren Umweltverträglichkeit entschieden werden. Besonders kritisch sehen wir das Feuerwerk mit seinen deutlichen Klima- und Lärmbelastungen. Hier ist zu prüfen, ob nicht eine Drohnen- oder Lasershow wie in anderen Städten einen ähnlich hohen Unterhaltungswert bei wesentlich geringerer Belastung von Klima, Natur und Mensch bieten kann – oder ob man nicht besser völlig darauf verzichtet, die ohnehin schon wunderschöne laue Sommernacht für eine halbe Stunde mit einem immensen Aufwand zu illuminieren.
Die Babyboomer treten zwar erst in einigen Jahren ins Greisenalter ein, aber schon heute ist absehbar: Es wird auf keinen Fall genügend stationäre Plätze für alle Bedürftigen geben, viele Menschen müssen daheimbleiben und ambulant versorgt werden.
Wer aber organisiert und leistet die Pflege und Betreuung der bedürftigen Menschen vor Ort, wer kauft ein, wer wäscht sie und ihre Wäsche, was hilft gegen die Einsamkeit? Wie kann die Gesellschaft uns allen ein menschenwürdiges Leben auf den letzten Metern ermöglichen?
Der Stadtseniorenrat hat erneut Alarm geschlagen: Aufgrund der langen Vorlaufzeiten muss mit der Lösung dieses Problems, das durch den Personalmangel noch verschärft wird, jetzt begonnen werden, auch wenn dies viel Geld kostet.
Viele Aufgaben lassen sich nämlich allein ehrenamtlich nicht erledigen. Eine Lösung wäre vielmehr ein dichtes, flächendeckendes Netz von Quartierszentren für Jung und Alt, die jeweils eine relativ kleinräumige Nachbarschaft betreuen, in der man sich kennt. Diese Zentren brauchen professionelle Mitarbeiter*innen, die die Hilfe für die Älteren besorgen, die koordinieren, organisieren und beraten können und die Begegnungsmöglichkeiten gegen die mörderische Vereinsamung anbieten.
Damit das Alter nicht für eine ganze Generation zu einer Katastrophe wird, müssen die nötigen Einrichtungen umgehend aufgebaut werden. Das ist eine der dringlichsten Aufgaben der Stadtverwaltung, die für die Daseinsvorsorge ihrer Bürger*innen verantwortlich ist. Sonst wird die Frage eines menschenwürdigen Alters zu einer Frage des Geldbeutels, denn nur wenige Reiche können die nötigen Dienstleistungen bezahlen.Ohne die Unterstützung durch entsprechende professionell geführte Einrichtungen bedeutet das Alter für nicht wenige ältere Einwohner*innen Armut, Traurigkeit und Einsamkeit. So weit darf es nicht kommen!
Die Konstanzer Verwaltungsspitze fällt immer wieder einmal durch originelle Ideen für den örtlichen Nahverkehr auf, die gerade in finanziell schwierigen Zeiten nicht finanzierbar sind, aber einen hohen Marketingeffekt haben. Man denke nur an die Idee einer Seilbahn quer durch die Stadt – oder an die jüngsten Pläne für einen Wasserbus zwischen Bofo und Innenstadt. Einer Verbesserung der Situation aller Konstanzer*innen, die Tag für Tag in überfüllten Bussen zur Arbeit oder in die Schule fahren, dienen solche Pläne jedenfalls ganz und gar nicht …
Die Anschaffung eines elektrisch betriebenen Wasserbusses kostet 2,3 Millionen Euro, während ein Straßenbus mit E-Antrieb für 950.000 Euro zu haben ist. Für die Kosten des Schiffles bekommt man also mehr als zwei nagelneue E-Busse. Während das Boot aber an nur ca. 163 Tagen im Jahr tagsüber für den Einkaufsverkehr zwischen Parkplatz Europabrücke und Innenstadt eingesetzt werden sollte, können die Busse täglich auf (fast) allen Straßen der Stadt und ihrer Vororte fahren, wo sie gerade benötigt werden.
Eine Probephase mit einem Wasserbus auf derselben Strecke zwischen 2018 und 2020 hat bereits gezeigt, dass der Wasserbus, so reizvoll er auch sein mag, für die geplante Aufgabe wenig geeignet ist. Der jetzt angestrebte weitere Probelauf mit einem vorhandenen – d.h. konventionell angetriebenen – Schiff spricht allen Klimaschutzbeteuerungen der Stadt Konstanz Hohn und kostet Geld, das die Stadt besser verwenden könnte.
Mit uns sind solche Prestigeprojekte, die sich zwar nett anhören, aber allenfalls touristischen Zwecken dienen, nicht zu machen. Wir plädieren vielmehr seit jeher für einen flächendeckenden Busverkehr mit einem bedarfsgerecht dichten Takt und attraktiven Fahrpreisen. Davon würden dann nicht nur wirklich alle Konstanzer*innen, sondern auch das Klima profitieren.
Ab 2026 gibt es einen Anspruch auf eine Betreuung nach dem Ganztagsförderungsgesetz. Allerdings soll sie so teuer werden, dass sie viele Eltern vor finanzielle Probleme stellt. Wolfgang Moßmann hat deshalb in einer Rede vor dem Gemeinderat noch einmal unsere Position bekräftigt, dass Schule im Interesse der Chancengleichheit kostenfrei bleiben muss.
Grundsätzlich sind wir für eine Ganztagsbetreuung, dies sei vorweggeschickt. Allerdings können wir die geplante „Satzung der Stadt Konstanz über die Erhebung von Gebühren für die Schulkindbetreuung an Grundschulen“ nicht unterstützen.
Wir setzen uns seit jeher für eine gebührenfreie Bildung in sämtlichen Bereichen ein, einschließlich der Ganztagsbetreuung. Wir fordern, dass diese Betreuung für alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft kostenlos sein muss, um die vielfach gefährdete Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten. Wir verstehen die Finanzierung der Ganztagsbetreuung als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die durch Bund und Länder gemeinsam getragen werden muss.
Die Einführung von Gebühren für die Ganztagsbetreuung ist eine Barriere für Kinder aus wirtschaftlich schwächeren Familien und führt nicht zu mehr Chancengleichheit, sondern vertieft soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Solche Kinder dürfen aber unserer Meinung nach nicht benachteiligt werden, denn Bildung ist ein Grundrecht und kein Luxusgut.
Wir fordern die vollständige Finanzierung der Ganztagsbetreuung durch öffentliche Mittel, um sicherzustellen, dass alle Kinder unabhängig von den finanziellen Verhältnissen ihrer Eltern von Bildungsangeboten profitieren können. Darin sind wir übrigens einer Meinung mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, wie mir Ute Kratzmeier, Referentin für allgemeine Bildung bei der GEW Baden-Württemberg, versicherte.
Der Inklusions- und Behindertenbeauftragte der Stadt, Stephan Grumbt, arbeitet bisher ehrenamtlich, unterstützt von einem Beirat Freiwilliger. Angesichts der Fülle aktueller und künftiger Aufgaben sind wir der Meinung, dass diese Position in eine feste hauptamtliche Stelle umgewandelt werden muss.
Allein in Konstanz leben rund 10.000 Menschen mit schwerer Behinderung. Sie müssen bei der Bewältigung ihres Alltags hohe Barrieren überwinden, sei es im öffentlichen Raum, bei Behördenkontakten oder der gesellschaftlichen Teilhabe. Auch mehr als 15 Jahre, nachdem die UN-Behindertenrechtskonvention 2009 zu geltendem deutschem Recht wurde, können diese knapp 10 Prozent unserer Mitbürger:innen von Chancengleichheit und Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen nur träumen.
Stephan Grumbt, der städtische Beauftragte für Menschen mit Behinderung, treibt als ehrenamtliche Kraft zusammen mit einem Beirat aus Freiwilligen die Inklusion voran, doch diese Kräfte reichen für die wachsende Aufgabenfülle nicht aus. Zusätzlich zur Beratung von Politik und Verwaltung zu Barrierefreiheit und Inklusion, der Mitwirkung an komplexen Planungsprozessen z. B. in den Bereichen Bau, Verkehr und Digitalisierung und der aufwendigen Fördermittelakquise ist der Behindertenbeauftragte ja vor allem die wichtigste Anlaufstelle für zahlreiche oft ratlose Betroffene und deren Angehörige.
Trotz aller Sparzwänge ist es daher höchste Zeit, diese Position zu einer hauptberuflichen Stelle aufzuwerten, denn diese Arbeit lässt sich schon lange nicht mehr nebenbei als Ehrenamt erledigen. Nur mit einer „richtigen“ Stelle ist irgendwann die Inklusion zu erreichen, zu der Deutschland auf allen staatlichen Ebenen durch die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet ist.
Eine feste Ansprechperson mit entsprechenden Rechten kann Verwaltung und Politik zum Einhalten entsprechender Standards bewegen, was in unserer alternden Gesellschaft auch ein Stück Zukunftssicherung ist. Inklusion ist schließlich kein Gnadenerweis, sondern ein Menschenrecht und Ausdruck kommunaler Verantwortung.
Konstanz muss sich dieser Verantwortung endlich konsequenter stellen.
Mehrere kommunalpolitisch besonders relevante Themen wurden kürzlich in verschiedenen gemeinderätlichen Gremien behandelt. Hier die Debattenbeiträge unseres Stadtrates Holger Reile.
Silvesterknallerei
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
wir haben den Erfahrungsbericht zu Silvester angefordert, weil es auch in unserer Stadt aus vielerlei Gründen zunehmend berechtigte Zweifel gibt, ob die traditionelle Knallerei überhaupt noch vertretbar ist. Auch wenn es derzeit noch an den gesetzlichen Grundlagen fehlt, die Böllerverbotszone deutlich über unsere Altstadt hinaus auszuweiten, bleibt das Thema auf der Tagesordnung.
Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Deutsche Umwelthilfe und der Berliner Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei bereits am 6. Januar 2025 rund 2 Millionen Unterschriften vorgelegt haben, die ein komplettes Pyrotechnikverbot für den Privatgebrauch fordern, um Mensch, Tier und Umwelt vor schweren Verletzungen und irreparablen Schäden zu schützen. Ein vernünftiger Vorschlag, den man ernst nehmen sollte und der von mittlerweile 34 Organisationen aus ganz Deutschland unterstützt wird. Die ausführliche Begründung für diesen Antrag ist in unserer Vorlage nachzulesen.
So gesehen ist die Absicht unserer hiesigen Touristikabteilung MTK, als Alternative zur gewalttätigen Böllerei eine Lasershow anzubieten, eine gute und unterstützenswerte Idee. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Seenachtfest schon um die Ecke schielt: Nicht nur ich habe noch nie verstanden, warum es da direkt nebeneinander zwei Knall-Orgien mit all ihren negativen Begleiterscheinungen gibt, deren Sinnhaftigkeit sich einfach nicht erschließen mag. Das Ganze erinnert eher an ein spätpubertäres und albernes Gehabe, das unnötigerweise auch noch einen Haufen Geld kostet.
Aber vielleicht – die Hoffnung stirbt zuletzt – setzen sich die zuständigen Stellen beider Seiten mal zusammen und planen endlich eine gemeinsame und nachhaltige Alternative, mit der man sicher auch punkten kann.
In diesem Sinne: Viel Erfolg!
Wärmeverbund
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
dass dieses Projekt im Kern sicher mittelfristig ein Eckpfeiler für Klimaschutz, Klimawende und eine zukunftsfähige kommunale Wärmeversorgung werden könnte, steht außer Frage. Ebenso klar ist, dass die Stadt Konstanz deutlich hinter ihren selbstauferlegten Klimaschutz-Zielen zurückliegt. Es besteht also umgehend Handlungsbedarf.
Nach den gescheiterten Verhandlungen mit dem Thüga-Konzern, der sich unsere Stadtwerke zum großen Teil einverleiben wollte, glaubt man nun, mit Iqonie Energies einen passenden Partner gefunden zu haben, hinter dem allerdings ein privater spanischer Investor steht, der natürlich auch Rendite für seine Aktionäre erwirtschaften will.
Da drängen sich logischerweise einige Fragen auf. Denn wer die heutige Vorlage genau liest, wird erfahren, dass der neue Wunschpartner bei der noch zu gründenden Gesellschaft in strittigen Fällen das letzte Wort haben wird. Zitat: „Diese Struktur führt zu einer faktischen teilweisen Beherrschung der Gesellschaft durch Iqonie“. Zitat Ende. Das, so lesen wir dann weiter, gehe in der Regel gar nicht anders und sei durchaus üblich bei solchen Geschäften. Aber irgendwie werde man sich im Konfliktfall wohl schon einigen. Beruhigt uns das und wollen wir dieses Risiko tatsächlich eingehen?
Im Vorfeld der Partnersuche und bis zur heutigen Entscheidung gab es mehrere Sitzungen, die sich mit dem Thema ausführlich beschäftigten – alle waren allerdings nichtöffentlich, zum Teil aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – Stichwort Betriebsgeheimnis und anderes mehr. Da aber auch die Mitglieder des Aufsichtsrates der Stadtwerke – also nicht wenige von uns – zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, können und dürfen sie auf konkrete Anfragen aus der Bürgerschaft gar nicht oder nur ausweichend antworten.
Das, Kolleginnen und Kollegen – empfinde ich als ein Dilemma auf der kommunalpolitischen Kommunikations-Schiene. Es erschwert den offenen Diskurs, blockiert teilweise die nötige Debatte und führt auch oft zu Spekulationen in der Öffentlichkeit, die der Sache nicht dienlich sind. Denn viele von uns wissen aus langjähriger Erfahrung ganz genau, dass richtungsweisende Vorhaben wie dieses meist nur dann gelingen, wenn wir unsere Stadtgesellschaft frühzeitig und transparent informieren und in den Entscheidungsprozess einbinden. Und da wäre, mit Verlaub, unserer Meinung nach noch Luft nach oben gewesen.
Fragen aus der Bürgerschaft gab es und gibt es immer noch. Zum Beispiel: Worauf wird man sich mit dem neuen Partner konkret einstellen müssen? Wäre es nicht sinnvoll gewesen, für den veranschlagten Finanzbedarf bei dem gewünschten Wärmenetz eine genossenschaftlich ausgerichtete Bürgergesellschaft zu gründen, die die Finanzierung in Angriff nimmt und bereit ist, in regionale und fortschrittliche Technologien zu investieren? Erfolgreiche Beispiele dieser Art gibt es mehrere. Wurde diese Option überhaupt ernsthaft geprüft? Und: Was kommt an Kosten im Endeffekt auf die Verbraucher zu, wenn man den Deal mit Iqonie eingeht?
Ein Letztes noch: Meine Fraktion hat dazu keine einheitliche Meinung und wird dementsprechend unterschiedlich abstimmen.
Anmerkung: Anke Schwede und Holger Reile enthielten sich, Wolfgang Moßmann stimmte für den Wärmeverbund, der mit großer Mehrheit vom Gesamtgemeinderat befürwortet wurde.
Wasserbus
Herr Bürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
auf den ersten Blick hat das Projekt elektrobetriebener Wasserbus durchaus Charme, aber bei näherer Betrachtung gibt es diverse Punkte, die dagegensprechen. Niemand sollte uns daran hindern, über Nacht klüger zu werden.
Die geplante Wasserbusverbindung ist nämlich weniger ein Klimaschutzprojekt, das zur angeblich beabsichtigten Verkehrswende beiträgt, es ist weit mehr ein touristisches Angebot, von dem unsere Stadtgesellschaft kaum oder auch gar nicht profitiert. Fast alles nur touristischen Belangen unterzuordnen, führt uns in die falsche Richtung.
Dagegen sprechen auch die enormen Kosten in Millionenhöhe, die veranschlagt sind – und das bei unserer extrem angespannten Haushaltslage. Eine zusätzliche Risiko-Investition können wir guten Gewissens nicht vertreten.
Es gibt mehrere Stellungnahmen, nicht nur von Natur- und Umweltschutzverbänden, die den E-Wasserbus sehr kritisch sehen, darunter auch die von Ionnis Karipidis, der während der Probephase des Wasserbusses zwischen 2018 und 2020 Fahrplaner der Bodensee Schifffahrtsbetriebe (BSB) war und sehr genau weiß, wovon er spricht. Seine sachbezogene Bedenkenliste liegt allen Fraktionen vor. Da ist unter anderem zu lesen:
– „Aus verkehrsplanerischer Sicht bietet ein wassergebundener Personentransport zwischen dem Parkplatz am Bodenseeforum und dem Hafen keine Vorteile gegenüber einem straßengebundenen Verkehrsmittel …“. – „Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Stadt Konstanz basieren auf einem sehr optimistischen Szenario mit deutlich zu hoher angenommener Auslastung.“ – „Der Probebetrieb hat gezeigt, dass keines der angestrebten Ziele erreicht wurde: Die Schiffe waren nur gering ausgelastet, konnten den Fahrplan nicht zuverlässig einhalten und trugen nicht zur Entlastung des innerstädtischen Verkehrsnetzes bei …“ – „Insgesamt lässt sich die Einführung eines Wasserbusses aus verkehrsplanerischer und wirtschaftlicher Sicht weder begründen noch empfehlen …“
Meine Fraktion wird dem E-Wasserbus nicht zustimmen und dafür plädieren, unseren ÖPNV, und da vor allem den normalen Busverkehr, attraktiver und vor allem auch günstiger zu machen.
Anmerkung: Der gewünschte E-Wasserbus wurde aus Kostengründen buchstäblich versenkt. Stattdessen will man nun einen erneuten Probelauf mit einem dieselbetriebenen (!) Schiff anbieten. Wir erinnern uns: Die Stadt Konstanz hat vor nicht allzu langer Zeit den Klimanotstand ausgerufen. Die Linke Liste hat dem nun zweiten Probelauf, der ein fauler Kompromiss ist, nicht zugestimmt, ebenso zwei VertreterInnen der Grünen. Schlussendlich wird der Gesamtgemeinderat in seiner Sitzung im Juni über den weiteren Verlauf des umstrittenen Vorhabens entscheiden.
Die Argumente gegen eine autofreie Innenstadt sind seit den ersten Fußgängerzonen in Deutschland sattsam bekannt: Der Einzelhandel behauptet, durch solche Maßnahmen würden Kund:innen vertrieben, Umsätze einbrechen und ganze Innenstädte veröden. Ohne den Direktzugang mit dem Auto und immer mehr Parkhäuser drohe Handel und Gewerbe in der City das Aus.
Das renommierte Deutsche Institut für Urbanistik, das von Bund, Ländern und Gemeinden getragen wird, hat jetzt untersucht, wie sich die Reduktion des Autoverkehrs und die damit erhöhte Attraktivität der innerstädtischen Umgebung auf die Umsätze auswirken. Das Ergebnis der Studie kommt nicht überraschend, zumindest für alle, die sich heute keine mit Autos zugeparkte Marktstätte mehr vorstellen können: „Die Menschen verweilen länger, besuchen Läden häufiger und tragen so zu stabilen oder sogar steigenden Umsätzen bei.“
Die Forschungen belegen auch, was zwar seit Langem bekannt ist, von den Bleifüßen und ihren politischen Interessenvertreter:innen aber immer wieder in Abrede gestellt wird: Radfahrende und Zufußgehende geben pro Einkauf zwar weniger aus als Autofahrende, kaufen aber häufiger vor Ort ein. „In Summe sorgen sie so für eine höhere Gesamtumsatzleistung.“
Es ist an der Zeit, aus diesen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es braucht kein zusätzliches öffentlich zugängliches Parkhochhaus auf dem Döbele, sondern höchstens ein Parkhaus nur für Anwohner:innen. Vor allem aber benötigen wir einen dicht getakteten und bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr in der gesamten Region, der auch die umliegende Schweiz einbezieht. Wir fordern außerdem, aus den guten Erfahrungen von Radolfzell und Kreuzlingen zu lernen und endlich in Konstanz ein 1-Euro-Ticket für den Busverkehr einzuführen.
Die Käuferscharen würden es der Stadt und ihren Händler:innen danken.