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Eine Hürde weniger für den Synagogen-Bau

Synagoge-Baustelle

Sigismundstraße 8. Hier soll die Synagoge entstehen, nicht weit entfernt vom Ort, an dem die Nazis die alte zerstört haben. (Foto: Koch)

So entspannt wie am Dienstag lustwandelt der Konstanzer Gemeinderat selten durch seine Sitzungen: Während es sonst neben viel Kampf auch viel Krampf bis in die tiefe Nacht hinein gibt, war die Tagesordnung der öffentlichen Sitzung bereits nach zwei Stunden abgearbeitet, und selbst Großprojekte wie die Synagoge wurden quasi im Handumdrehen weitgehend kampflos auf den Weg gebracht.

Es sind manchmal die vermeintlich kleinen Dinge, die den Menschen überraschen. So etwa der Karl-Leo-Nägele-Preis, den Oberbürgermeister Uli Burchardt im Namen der Stadt an Verena Zupan, Jens Pobig und Stefan Kitzmann verlieh, die ihre Ausbildung bei der Stadt bzw. den städtischen Betrieben mit überdurchschnittlichen Noten abgeschlossen haben. Karl Leo Nägele, so erläuterte der OB dem Publikum, war Präsident der Handwerkskammer und hinterließ 1991 der Stadt 145.000 DM, aus deren Zinsen die Preisgelder bezahlt werden. Der Applaus für die drei Preisträgerinnen und Preisträger war allgemein. Allerdings hat Verena Zupan die städtischen Dienste schon verlassen, weil sie nach Abschluss ihrer Ausbildung von der Stadt keinen befriedigenden Vertrag erhielt.

Die Synagoge wird wohl gebaut

Seit 1999 war das Thema Synagogenneubau bereits achtmal im Gemeinderat, und es hat sich im Laufe der Jahre zu einem lokalpolitischen Dauerbrenner entwickelt. Nachdem die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG) nach endlosem Hin und Her Ende letzten Jahres das endgültige Ende ihrer Synagogenpläne erklärt hatte, gab es wenige Monate später einen Rückzug von diesem Rückzug: Die Stadt solle das Grundstück in der Sigismundstraße jetzt bitte doch der IRG übertragen.

Etliche Gemeinderätinnen und -räte sind angesichts des ewigen Hin und Hers schon länger genervt, aber natürlich müssen angesichts der beispiellosen Verbrechen der deutschen Faschisten und ihrer bürgerlichen HelfershelferInnen in diesem Fall andere Maßstäbe angelegt werden. Daher war von vornherein klar, dass die kostenlose Übertragung des Grundstücks an die IRG eine überwältigende Mehrheit finden würde.

Offenes Haus

Allerdings hat der Rat dieses Mal einige neue Sicherungen eingebaut. Einerseits verzichtet er wie bei jeder anderen Religionsgemeinschaft auch gegenüber der IRG auf eine (offene) Einmischung in deren innere Angelegenheiten, andererseits konstatiert er sicherheitshalber in einer Präambel: „Die IRG Baden und die Stadt Konstanz sind sich einig, dass die neue Synagoge mit Gemeindezentrum als ‚offenes Haus’ künftig Heimat für die gesamte jüdische Gemeinschaft in Konstanz und Umgebung sein soll. Sie wird deshalb ausdrücklich allen in Konstanz und der Region lebenden Juden für die Ausübung des jüdischen religiösen Lebens offen stehen und frei zugänglich sein, unabhängig von der Art und Ausrichtung ihrer Religionsausübung.“

Wer sich der unerbittlichen Streitigkeiten zwischen den beiden jüdischen Gruppierungen in Konstanz und der Reaktion der IRG darauf entsinnt, versteht, weshalb der Gemeinderat auf diese Präambel Wert legt. Die Präambel lässt sich wohl auch so lesen: Auch die „liberalen“ Jüdinnen und Juden sollen in der Synagoge eine religiöse Heimstatt finden – und wenn daraus nichts wird, weil sich die „konservative“ Mehrheit querstellt und die „Liberalen“ vergrault, ist es dem Rat auch egal, denn er mischt sich ja nicht in die inneren Angelegenheiten von Religionsgemeinschaften ein und hat mit der Präambel seiner Erwartung Ausdruck verliehen, dies möge eine Synagoge für alle werden. Hier die gemeinderätlichen Hände, dort eine ganze Badewanne voller Unschuld – und jetzt mindestens bis zu den Ellenbogen rein damit.

Der Zeitplan

Ebensolchen Wert legt der Gemeinderat darauf, dass auf dem Grundstück tatsächlich in absehbarer Zeit eine Synagoge errichtet wird und damit endlich Ruhe einkehrt und nicht nur ein neuer Ritt durch Absurdistan beginnt. Deshalb werden verschiedene Fristen in den Vertrag geschrieben, die sicherstellen sollen, dass die IRG ihrer Baupflicht auch tatsächlich nachkommt – werden diese Fristen nicht eingehalten, soll das Grundstück automatisch der Wobak anheimfallen. Man hofft also, dieses Mal einen Weg gefunden zu haben, sich gegen alle Eventualitäten abzusichern, denn schon so manches Mal haben sich die Partner bei diesem Projekt als äußerst wankelmütig erwiesen.

Wird der Plan tatsächlich eingehalten, kommen jetzt erst mal die Archäologen zum Zuge, ehe dann voraussichtlich ab dem nächsten Frühjahr die neue Synagoge entsteht, mit deren Fertigstellung dem Vernehmen nach im März 2018 gerechnet wird.

Kritik an den Plänen

Ein Haar in der Suppe fanden allerdings die Ritter vom Kreuz der freien Marktwirtschaft von der FDP: Sie bemängelten, dass das Grundstück, falls die IRG ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, automatisch an die Wobak gehen soll. Sie forderten vielmehr, das Grundstück müsse in diesem Falle zum Verkehrswert auf dem freien Markt angeboten werden, fanden dafür aber keine Mehrheit.

Grundsätzlich gegen das Projekt sprach sich allein Holger Reile (LLK) aus, der in diesem Punkt eine andere Meinung als seine LLK-Kollegin Anke Schwede vertrat (siehe Kasten): Reile war über viele Jahre für den Synagogenneubau, hat aber nach Jahren internen Hickhacks innerhalb der verschiedenen jüdischen Religionsgruppen das Vertrauen in den Baupartner verloren und bezeichnete die Präambel des Vertrages als „Flötentöne“. Er kritisierte das seiner Meinung nach undemokratische Vorgehen der IRG gegen die „Liberalen“, sprach in diesem Zusammenhang von einem „religiösen Scheinfrieden“ und zweifelte nach all den Verzögerungen und geplatzten Terminen der vergangenen Jahre an, dass dieses Mal tatsächlich eine Synagoge gebaut wird. Er sieht im Synagogenneubau vielmehr ein „Projekt mit äußerst beschränkter Hoffnung“. Aber die Hoffnung, so bewies es die ziemlich einmütige Entscheidung des Rates für die Übertragung des Grundstücks an die Synagoge, stirbt zuletzt.

O. Pugliese

WORTLAUT | Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, lange Jahre haben wir uns alle hier dafür eingesetzt, dass eine neue Synagoge gebaut wird – unweit der Stelle, an der einst die nationalsozialistische Mörderbande die alte zerstört hat. Auch wir waren selbstverständlich für eine neue Synagoge und hätten uns gewünscht, dass aus dem Vorhaben auch etwas wird. Seit mehr als dreizehn Jahren beschäftigen wir uns nun mit diesem Thema und heute liegt es erneut auf dem Tisch. So wie es aussieht, gibt es eine Mehrheit für den Neubau, ich werde aber dennoch nicht zustimmen und will Ihnen kurz meine Gründe erläutern. Eine Vorbemerkung noch: In unseren Reihen wird das Projekt unterschiedlich gesehen und daraus ergibt sich wahrscheinlich auch ein dementsprechendes Abstimmungsverhalten.

Zur Sache: Als es mit dem soundsovielten versprochenen Spatenstich für Ende 2013 erneut nichts wurde, habe ich den Glauben an das Projekt verloren, da für mich eine seriöse Partnerschaft mit der IRG in weiter Ferne lag. Sie erinnern sich: Anfang 2014 habe ich vorgeschlagen, das mittlerweile zum Müllplatz verkommene Grundstück einer alternativen Nutzung zuzuführen, fand aber dafür keine Mehrheit. Und nochmal räumte man der IRG Zeit ein, den Bau voranzutreiben. Vor wenigen Monaten dann zog sich die IRG zurück – mit meiner Meinung nach fadenscheinigen Begründungen und auch anmaßenden Vorwürfen. Drei Monate später erklärte der Dachverband dann den Rückzug vom Rückzug. Ich finde, dieses wichtige Projekt hätte einen würdigeren Umgang verdient. Aber es wurde zum Spielball unterschiedlicher Interessen innerhalb der jüdischen Gemeinden. Und der ehrwürdige Begriff Shalom geriet völlig außer Sichtweite.

Längst klar ist uns auch, Kolleginnen und Kollegen, dass mit einer Einigung zwischen der eher konservativen Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz und der eher liberalen Jüdischen Gemeinde Konstanz nicht zu rechnen sein würde. Darüber hinweg helfen auch die Flötentöne nicht, die hier und heute angestimmt werden. Dass die liberale Fraktion mehr Platz für sich beansprucht und auch nicht damit einverstanden ist, dass Frauen beim Gottesdienst auf eine Empore oder hinter einen Vorhang sollen, fand und findet meine Unterstützung. Nun hat die IRG die aufmüpfigen Liberalen kurzerhand aufgelöst – das kann sie, aber meinen Vorstellungen von einem demokratischen Umgang miteinander entspricht das nicht. Nach Ansicht vieler ist die neue Synagogengemeinde nichts anderes als eine von oben verordnete Zwangsgemeinde, um nach außen den Eindruck eines religiösen Scheinfriedens zu vermitteln.

In der Vorlage zum Thema sind auch einige Widersprüchlichkeiten formuliert. Einerseits will man sich aus innerreligiösen Diskussionen heraushalten ist da zu lesen, andererseits ist als wesentliche Bedingung im Kaufvertrag mit der IRG vorgesehen, ich zitiere: „Nutzungsbindung für Synagoge mit Gemeindezentrum mit der Maßgabe, dieses Gebäude als offenes Haus für alle jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger für deren Religionsausübung bestimmt ist“. Doch genau das wird es nicht werden, so gesehen ist nicht nur dieser Passus ein frommer Wunsch, der aller Voraussicht nach nicht in Erfüllung gehen wird.

Ich komme zum Schluß: Ich habe eher die Befürchtung, auch wenn sich heute der Rat mehrheitlich für die Synagoge entscheidet, dass wir in absehbarer Zukunft erneut mit weiteren negativen Überraschungen rechnen müssen, die wir nicht einfach ignorieren können. Denn ich vermute, dem Vorhaben hängt weiterhin das Etikett PmbH an, will heißen: Projekt mit äußerst beschränkter Hoffnung. Aus leidvoller Erfahrung stelle ich hiermit vorsorglich den Antrag, der IRG das Grundstück nach Ablauf der Frist bis zum 31.12.2015 nicht einfach als Eigentum zu übertragen, sondern es in Erbpacht zu vergeben.

Holger Reile

Kriminellen Lohnbetrug auf Chérisy-Baustellen sofort unterbinden

Cherisy-Baustelle

Baustelle auf dem Chérisy-Areal: Unternehmen zahlt Elendslöhne – wenn überhaupt.

Auf dem Konstanzer Chérisy-Areal arbeiten derzeit dutzende Beschäftigte hart, um zwei Vorzeigeprojekte der Stadtverwaltung termingerecht fertigzustellen. In die beiden mehrstöckigen Bauwerke sollen einmal Studierende einziehen, das Richtfest für das erste Gebäude ist noch im Mai geplant. Jetzt ist bekannt geworden, dass die Arbeiter für Elendslöhne schuften müssen. In mehreren Fällen hat der Unternehmer sie sogar darum betrogen. Die Sache ist aufgeflogen, weil sich einer der Arbeiter vor Gericht gegen die kriminellen Praktiken wehrt. Die Linke Liste Konstanz fordert in einer Pressemitteilung sofortige Konsequenzen.

“Mit großer Empörung haben wir einen Medienbericht zur Kenntnis genommen, wonach ein Unternehmen Arbeitern auf mindestens einer Baustelle auf dem Chérisy-Areal nicht nur für Dumpinglöhne schuften lässt, die deutlich unter dem tariflichen Mindestlohn in der Baubranche liegen, sondern Beschäftigte über Monate hinweg ganz oder teilweise auch noch um diese Elendslöhne betrogen hat. Unser ganzer Respekt und unsere Unterstützung gilt dem Kollegen, der sich trotz massiver Drohungen gegen diese kriminellen Praktiken gewehrt hat und seinen Lohn einklagen will.

Festzuhalten gilt: Diese Praktiken sind keine Ausnahmen, sondern gängiger Bestandteil eines kranken Profitsystems, das es Unternehmern ermöglicht, willkürliche Wochenarbeitszeiten zu diktieren, Mindestlohnregelungen zu umgehen, Arbeitsverträge nachträglich zu ändern, systematisch Löhne zu kürzen oder zu unterschlagen. Auch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsansprüche und Kündigungsschutz sind in diesem ausbeuterischen Geschäftsmodell Fremdworte.

Wir betrachten deshalb die Aussage des Sprechers der als Generalunternehmer fungierenden „Peter Gross Bau-Holding“, man achte auf „bestimmte ethische Standards“, als heuchlerisch und zynisch. Das im Fall Chérisy angewendete undurchsichtige Subunternehmer-System dient gerade der Verschleierung solcher krimineller Praktiken. Dass der Unternehmenssprecher diesen Fall von Lohnbetrug beschönigend als „Ärgernis für die Arbeiter“ bezeichnet, zeigt im Übrigen deutlich, wie die ethischen Standards aussehen, nach denen dieses saubere Unternehmen handelt.

Die städtischen und staatlichen Kontrollbehörden haben in diesem Fall vollständig versagt. Es ist ein Skandal, dass bei einem von der Stadtverwaltung massiv forcierten Bauprojekt offenbar gegen elementare Menschenrechte verstoßen wird.

In den Gebäuden auf dem Chérisy-Areal sollen Studierenden-Wohnungen entstehen, sie sind Teil des städtischen „Handlungsprogramms Wohnen“. Die Stadtverwaltung hat es gegen erheblichen Widerstand der Anwohner durchgesetzt. Warnungen unter anderem der Linken Liste, ein solches Projekt Privatinvestoren zu überlassen, haben die Verantwortlichen in der Verwaltung und auch eine Mehrheit des Gemeinderats in den Wind geschlagen. Wie berechtigt solche Warnungen waren, zeigt sich jetzt: Wer schon beim Bau derart massive kriminelle Machenschaften zulässt, um sich die Taschen zu füllen, wird auch keine Skrupel haben, sich um die Belegungsbindung herumzulavieren, wenn das nur genügend Rendite verspricht.

Dieser Fall untermauert in aller traurigen Deutlichkeit unsere Forderung, dass der kommunale Wohnungsbau nicht privaten Investoren überlassen werden darf, deren Interesse einzig darin besteht, Maximalprofite zu erzielen. Er ist elementarer Bestandteil der Daseinsfürsorge und gehört deshalb in öffentliche oder genossenschaftliche Hand.

Im Fall der Chérisy-Baustellen fordert die Linke Liste die Kontrollbehörden auf, die bekannt gewordenen Praktiken umgehend zu unterbinden und für eine Bestrafung der Verantwortlichen zu sorgen.

Wir verlangen von der Stadtverwaltung Auskunft darüber, wie es zu solch skandalösen Zuständen bei einem von der Stadt forcierten Bauprojekt kommen konnte und welche Konsequenzen sie daraus zu ziehen gedenkt.

Unabhängig davon wird die Linke Liste prüfen, welche juristischen Möglichkeiten bestehen, diesen kriminellen Geschäftemachern das Handwerk zu legen.

Die Linke Liste Konstanz ruft die Bevölkerung auf: Zeigt Solidarität mit den Arbeitern, die skrupellose Unternehmer unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften lassen. Gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden – das geht uns alle an.

Anke Schwede, Holger Reile
Linke Liste Konstanz”

Ministerium will Konstanzer Flüchtlingskinder mitten im Schuljahr aus dem Land werfen

Schulkinder sollen ausreisen

Das baden-württembergische Innenministerium will Konstanzer Flüchtlingskinder vor Ende des Schuljahres zur Ausreise zwingen. Bild: Kundgebung für Bleiberecht im Februar auf der Marktstätte.

Noch nicht einmal das Schuljahr sollen sie abschließen dürfen: Sollten die Kinder der Familien Kazimov aus Mazedonien und Selimi aus Serbien nicht bis Ende Mai das Land verlassen haben, wollen die Behörden sie zusammen mit ihren Eltern abschieben lassen, obwohl verschiedene Gruppen und zahlreiche Einzelpersonen sich für ihren Verbleib in Konstanz eingesetzt hatten. Zuletzt demonstrierten im Februar rund 120 Menschen auf der Konstanzer Markstätte dafür, dass die Geflüchteten bleiben dürfen. Auch die Linke Liste Konstanz und der Kreisverband der Linken hatten sich für eine Duldung der Roma-Flüchtlinge stark gemacht.

Die grün-rote Landesregierung ist offenbar jedoch entschlossen, ihre harte Gangart vor allem gegenüber Balkan-Flüchtlingen kompromisslos durchzusetzen. Die Regierung Kretschmann hat mit dafür gesorgt, dass Mazedonien und Serbien als “sicher” und Roma als nicht verfolgt deklariert wurden. Zahlreiche gegenteilige Erkenntnisse, auf die Flüchtlingsorganisationen wie “Pro Asyl” und Amnesty International hingewiesen hatten, übergingen die Verantwortlichen bei Bund und Ländern. Seitdem lässt Stuttgart vor allem Asylsuchende aus den Balkanländern im Monatsrhythmus zu Hunderten abschieben.

Dabei wäre es im aktuellen Konstanzer Fall lediglich um zwei Monate gegangen. Denn die beiden Familien hatten angesichts der harten Haltung der Behörden schließlich resigniert und einer Ausreise zugestimmt – sie baten lediglich um einen Aufschub bis Ende Juli, um ihren Kindern zumindest den Abschluß des Schuljahres zu ermöglichen. Doch noch nicht einmal das will das Innenministerium zugestehen. Haben die fünf Erwachsenen und sieben schulpflichtigen Kinder bis Monatsende das Land nicht verlassen, wird sie die Polizei zwangsweise aus ihren Unterkünften in der Steinstraße holen – nach guter deutscher Übung voraussichtlich wieder in den frühen Morgenstunden.

Nicht zum ersten Mal erweist sich in diesem Fall wieder, dass die von Kretschmann verkündete Behauptung, bei Abschiebungen nach Serbien oder Mazedonien finde immer eine Einzelfallprüfung der Rückkehrsituation statt, ein reines Lippenbekenntnis ist. Zudem, darauf weist der Konstanzer Anwalt der Familien hin, verstößt das Innenministerium gegen die eigenen Richtlinien. Diese besagen unter anderem nämlich, dass die Ausreisefrist “unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert werden” könne, wenn sich “schlüssig” ergebe, dass “eine freiwillige Ausreise ernsthaft beabsichtigt ist”.

Nicht nur deshalb verlangt deshalb der “Arbeitskreis Roma-Solidarität im Landkreis Konstanz” vom Innenministerium jetzt eine Prüfung des Falls. Er verweist auch darauf, dass Innenminister Gall (SPD) mehrfach öffentlich bekundet hatte, aus Baden-Württemberg würde niemand in die Mittel- und Obdachlosigkeit abgeschoben. Genau dies aber wäre bei den Konstanzer Familien zu befürchten.  Die Linke Liste und der Kreisverband der Linken schließen sich der Forderung nach einer Einzelfallprüfung an.

Mittlerweile hat sich auch die Linke-Bundestagsabgeordnete Annette Groth mit einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten und seinen Innenminister zu Wort gemeldet. Darin erklärt sie unter anderem, angesichts “der völligen Perspektivlosigkeit (kein Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt), Diskriminierung und elendster Lebensverhältnisse für Roma in den Westbalkanstaaten sind für mich die seit Monaten stattfindenden Abschiebungen völlig inakzeptabel. Jegliche humanitäre Maßstäbe werden hier mit Hinweis auf die sogenannten „sicheren“ Herkunftsländer mit Füßen getreten.” Sie hält Kretschmann vor, er sei vor vier Jahren mit dem Motto “Humanität hat Vorrang” angetreten. “Ich fordere Sie auf, den den Familien Selimi und Kazimov wenigstens zweieinhalb Monate dieser Humanität einzuräumen.”

jüg

WORTLAUT | Innenministerium Baden-Württemberg bleibt hart: Schulkinder sollen mitten im Schuljahr ausreisen

Viele Menschen in Konstanz unterstützen die Kinder der Familien Selimi aus Serbien und Kazimov aus Mazedonien, denen nun die Abschiebung angedroht wird, wenn sie bis Ende Mai Deutschland nicht verlassen haben. Zuletzt setzte sich der Runde Tisch zur Begleitung von Flüchtlingen in Konstanz für ein Bleiberecht bis Schuljahresende ein. Die Behörden zeigen sich jedoch kompromisslos.

Im Februar versammelten sich rund 100 Bürgerinnen und Bürger an der Markstätte und forderten ein generelles Bleiberecht für die Familien in Deutschland. Dafür treten auch der Arbeitskreis Roma-Solidarität, der Runde Tisch zur Begleitung von Flüchtlingen der Stadt Konstanz sowie die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Konstanz ein. Ein Bleiberecht fordert auch der neugewählte Vorstand im Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Jürgen Weber.

Nun sollen die Kinder statt ihrer Schultaschen bis Ende Mai die Koffer packen. Die Familien stimmen ohnehin einer Ausreise zu Schuljahresende, also lediglich zwei Monate später, zu. Diese Information liegt den zuständigen Stellen schriftlich vor. Der Konstanzer Rechtsanwalt Rudy Haenel, der die Familien vertritt, kann das Verhalten der Behörden und des Ministeriums nicht verstehen. Die Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg für die Rückkehr und Abschiebepraxis im Land besagen: „Bei einem Vollzug der Rückführung hat die freiwillige Rückkehr der Ausreisepflichtigen, insbesondere von Familien mit minderjährigen Kindern grundsätzlich Vorrang“. Und wie im Falle der Konstanzer Familien: „Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlänger werden, wenn sich aus dem Vortrag des Ausreisepflichtigen schlüssig ergibt, dass eine freiwillige Ausreise ernsthaft beabsichtigt ist“.

Obwohl die Familien große Hilfe durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer erfahren ist eine Vorbereitung der Ausreise bis 29.5., wie vom zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe gefordert, nicht möglich, willkürlich und unverhältnismäßig.

Zur sofortigen Ausreise bis Monatsende aufgefordert sind insgesamt fünf Erwachsene und sieben minderjährige Kinder der Familien, die derzeit in der Konstanzer Sammelunterkunft in der Steinstraße leben. Ansonsten droht die polizeiliche Abschiebung in den frühen Morgenstunden von dort. Drei der Kinder gehen zur Geschwister Scholl Schule, zwei besuchen Konstanzer Grundschulen. In Serbien und Mazedonien ist den Kindern der Zugang zu Bildung verwehrt und die Gesundheitsversorgung gefährdet.

Das Regierungspräsidium ist aufgerufen die Rückkehrsituation im Einzelnen zu prüfen. Dieser Prüfung entzieht sich die Behörde. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass bei einer geplanten Abschiebung nach Serbien oder Mazedonien immer eine Einzelfallprüfung der Rückkehrsituation stattfindet.

Diese Prüfung und verbindliche Zusagen fordert nun auch der Arbeitskreis Roma-Solidarität, schließlich hat auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) mehrfach öffentlich bekundet, dass aus Baden-Württemberg keine Abschiebungen in die Mittel- und Obdachlosigkeit erfolgen würden.

Genau dies wäre aber bei den Konstanzer Familien der Fall. Es gibt keine Mittel oder Unterkünfte in welche die Familien nach über einem Jahr Flucht zurückkehren könnten. Es zeigt sich, dass der verheerende Fall der Familie Ametovic aus Freiburg kein Einzelfall ist. Den Worten aus Stuttgart stehen gegenteilige und belegbare Tatsachen entgegen.

Jürgen Weber, Vorstand des Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, hat bei der Landesregierung um Kontakte zu den serbischen und mazedonischen Behörden ersucht. Er erwägt mit einer Delegationsreise die Verhältnisse für die Konstanzer Familien vor Ort zu prüfen. „Armut ist nicht der Fluchtgrund, sondern Folge von Mehrfachdiskriminierungen von Roma in diesen Ländern und damit sehr wohl eine Verfolgung im Sinne des Grundrechtes auf Asyl. Gerade für Deutschland gilt dies, welches die Verfolgung und Ermordung von rund 500.000 Sinti und Roma in Europa zu verantworten hat“, so Weber.

Der Arbeitskreis Roma-Solidarität verweist auch auf die bewaffneten Unruhen der letzten Tage in Mazedonien. Die Situation in den so genannten „sicheren Herkunftsländern“ wird immer instabiler und für Roma prekärer und muss für diese Länder erneut grundsätzlich überprüft werden.

Roswitha Schmid und Monika Schickel
für den Arbeitskreis Roma-Solidarität im Landkreis Konstanz – „Alle Kinder bleiben hier!“

Linke-Kreisräte stellen Anfrage zur Lage der Flüchtlinge

Die beiden Kreisräte der Linkspartei haben Fragen zur Situation der Flüchtlinge im Landkreis an den Landrat formuliert. In einem Brief an Frank Hämmerle bitten Marco Radojevic und Hans-Peter Koch unter anderem um Auskunft darüber, wie es um den Schutz von Flüchtlingen und ihrer Unterkünfte bestellt ist, welche Angebote und Hilfen der Kreis anbietet und wie er sich zur Forderung nach einer regionalen Flüchtlingskonferenz stellt. Wissen wollen sie aber auch, wie das Landratsamt in Abschiebungen involviert ist.

Das Thema, das angesichts steigender Flüchtlingszahlen, knapper Unterkünfte und lahmender finanzieller Unterstützung durch das Land derzeit im Zentrum der Kreispolitik steht,  wird am kommenden Montag auch den Kreistag beschäftigen. Vielleicht gibt es da schon Antworten auf den Fragenkatalog der Linken-Räte.

red

WORTLAUT | Anfrage Flüchtlinge | Sehr geehrter Herr Landrat Hämmerle, sehr geehrte Damen und Herren, wir richten folgende Fragen zum Themenkomplex Flüchtlinge an Sie und bitten um eine Beantwortung.

1. Schutz von Geflüchteten und Unterkünften
Hat das Landratsamt Kenntnis von rassistisch bzw. fremdenfeindlich motivierten Sachbeschädigungen an den Unterkünften für geflüchtete Menschen im Landkreis Konstanz?
Hat das Landratsamt Kenntnis von rassistisch bzw. fremdenfeindlich motivierter körperlicher oder psychischer Gewalt gegen Geflüchtete?
Gibt es Pläne bzw. bestehende Maßnahmen, um die Unterkünfte und Geflüchteten angesichts der vermehrten fremdenfeindlichen Anschläge zu schützen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

2. Angebote und Hilfe für Geflüchtete
Welche Angebote bestehen seitens des Landreises, um die Geflüchteten bei der Integration zu unterstützen?
Welche Pläne hat der Landkreis, um Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren?
Ist geplant, den Geflüchteten eine “Gesundheitskarte” zur Verfügung zu stellen,um zu vermeiden, dass diese jeden Arztbesuch umständlich beantragen müssen? Wenn nein, warum nicht?
Koordiniert und unterstützt der Landkreis Vereine, Bürgerinitiativen und anderen Gruppen, die Geflüchtetenarbeit betreiben? Wenn ja, wie sieht diese Unterstützung konkret aus? Wenn nein, warum nicht?
Findet eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Kommunen des Landkreises bei der Verteilung und Unterbringung der Flüchtlinge statt?
Wie steht der Landkreis zum Vorschlag einer regionalen Flüchtlingskonferenz, bei der Kreis, Kommunen und Initiativen an einen Tisch gebracht werden, um über eine Koordinierung der Aktivitäten und Möglichkeiten einer Verbesserung der Lage der Geflüchteten zu beraten?

3. Unterstützung von Land und Bund
Wieviel Mittel erhält der Kreis vom Land und Bund für die Geflüchtetenhilfe?
Gibt es von dieser Seite Zusagen, die finanzielle Unterstützung angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen zu erhöhen?

4. Abschiebungen
Warum werden Abschiebungen nicht immer ordnungsgemäß angekündigt?
Welche Polizeikräfte sind an einer Abschiebung beteiligt?
Wer ist beim Landratsamt dafür zuständig, dass die Polizeikräfte Zugang zu den Unterkünften erhalten?

Mit freundlichen Grüßen,
Marco Radojevic, Kreisrat / Hans-Peter Koch, Kreisrat

Gedenken auf dem Friedhof Birnau: Erinnerung und Mahnung – notwendiger denn je

Birnau-2015-TotaleAlljährlich erinnern Antifaschist_innen mit einer Gedenkfeier an eine der Blutspuren, die das verbrecherische Naziregime in unserer Region hinterlassen hat. Die VVN-BdA, die Gewerkschaften und andere Antifaschist_innen richten am Wochenende nach dem 8. Mai, dem Tag der Befreiung von Faschismus und 2. Weltkrieg, eine Gedenkfeier auf dem KZ-Friedhof Birnau bei Überlingen aus, als ständige Mahnung für die heute Lebenden und die nachfolgenden Generationen: “Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg”. Diese Mahnung ist aktueller denn je – in Zeiten, in denen Naziverbrecher über Jahre hinweg, von den Behörden geduldet, Menschen ermordeten, in denen nationalistische und fremdenfeindliche Hetze wieder Zehntausende auf die Strassen treibt; in Zeiten aber auch, in denen staatstragende Politiker_innen lauthals mehr Kriegseinsätze der deutschen Armee fordern und im Verein mit der NATO die Konfrontation mit dem wieder zum Feind erklärten Russland suchen.

Bei der diesjährigen Feier am 9. Mai sprach auch Holger Reile, Stadtrat der Linken Liste Konstanz, der sich als Journalist seit Jahren mit den Umtrieben von alten und neuen Nazis befasst. Im Folgenden seine Rede.

WORTLAUT | Liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen, liebe Gäste aus Nah und Fern.

Wie schon seit vielen Jahren versammeln wir uns auch heute wieder an dieser Stelle, um derer zu gedenken, die hier nach vielfach erlittenen Demütigungen, Erniedrigungen und Qualen durch die Nationalsozialisten ihre letzte Ruhe gefunden haben. Es waren knapp 100 KZ-Häftlinge, die von den Nazis zuerst in einem Massengrab verscharrt wurden, bevor man ihre sterblichen Überreste am 9.April 1946 auf diesen Friedhof brachte. Rund ein Jahr nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, der weit über 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Wie an vielen anderen Orten auch erinnern wir in diesen Tagen an die Zeit der nationalsozialistischen Barbarei, die eng verbunden ist mit unvorstellbarem Leid weit über die europäischen Grenzen hinaus. Am 8. Mai 1945 war es dann vorbei mit dem faschistischen Mörderregime und seitdem wurde eben dieser 8. oder zum Teil auch 9. Mai in vielen Ländern, die von den Nazis besetzt worden waren, zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Im Nachkriegsdeutschland aber sollte es noch 40 lange Jahre dauern, bis Richard von Weizsäcker diesen Tag als das bezeichnete, was er auch zweifellos war: Der Tag der Befreiung von der Geißel des Faschismus. Es wird Zeit, diesen Tag endlich auch bei uns zum Feiertag zu erklären.

Birnau-2015-Holger-ReileNun, siebzig Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur, sehen wir uns erneut mit einer Entwicklung konfrontiert, die vor allem von staatlicher Seite lange ignoriert wurde. Waren es bis in die 1980-er Jahre noch halbwegs überschaubare Zirkel rechtsradikaler Glatzen mit Bomberjacken, Baseballschlägern und Springerstiefeln, sind wir seit geraumer Zeit mit bestens vernetzten faschistischen Gruppen konfrontiert. Sie sitzen in kommunalen Parlamenten und Landtagen und sie tragen dazu bei, dass das gesamtgesellschaftliche Klima an Zeiten erinnert, die wir längst vergessen glaubten. Nicht nur im Osten unseres Landes treiben rechtsradikale sogenannte Kameradschaften ihr Unwesen – auch hier rund um den Bodensee gibt es sie – im Hegau oder in Oberschwaben. Meist unbemerkt von der Öffentlichkeit und oft auch ignoriert von den Medien organisieren sie Stammtische und Schulungsabende oder treffen sich bei Skinkonzerten in der nahegelegenen Schweiz, im Elsass oder in Vorarlberg. Wenn wir heute Parolen skandieren wie: „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Oder: Kein Fußbreit den Faschisten“ – dann, liebe Freundinnen und Freunde, sind diese Forderungen zwar weiterhin richtig, entsprechen aber keineswegs mehr den Realitäten. Faschistische und rechtsradikale Bewegungen sind nicht nur bei uns auf dem Vormarsch – Kriegerische Auseinandersetzungen nehmen weltweit täglich zu – und der braune Mob hat sich nicht nur einen fußbreit Raum erobert, sondern er hat längst die versteckten Hinterzimmer verlassen und besetzt die öffentlichen Räume. Und das in einem Ausmaß, das uns große Sorgen machen muss. Ich will nur einige Beispiele nennen, mit denen wir mittlerweile täglich konfrontiert werden: Die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte nehmen zu und es ist zu befürchten, dass wir bald mit Vorkommnissen rechnen müssen wie vor rund zwanzig Jahren in Mölln oder Rostock- Lichtenhagen – Menschen, die ihre Heimatländer aufgrund der dortigen Verhältnisse verlassen haben, die es trotz der menschenverachtenden europäischen Abschottungspolitik geschafft haben, hierher zu kommen – wenn man sie nicht vorher im Mittelmeer hat ertrinken lassen – und die sich bei uns ein halbwegs lebenswertes Leben erhoffen, werden schikaniert und bedroht – Wer sich für sie hierzulande einsetzt, muss mit Aktionen bis hin zu Todesdrohungen aus der rechtsradikalen Ecke rechnen, wie uns die Vorfälle in Tröglitz und anderswo gezeigt haben – Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sehen sich wieder zunehmend einer antisemitischen Stimmung ausgesetzt, viele haben Angst sich öffentlich zum Judentum zu bekennen und denken an Auswanderung – Damit einhergehend blüht auch die Saat der rassistischen Vorurteile vor allem gegenüber Sinti und Roma in geradezu widerlicher Weise auf – Oft tauchen auch auf den Online-Seiten der hiesigen Tageszeitung anonyme Kommentare auf, in denen sinngemäß behauptet werden darf, dass Sinti und Roma ja nur zu uns kämen, um auf Raubzüge zu gehen, sich Kindergeld abzuholen und sich auf unsere Kosten ein schönes Leben zu machen. Wundern darf man sich darüber nicht, denn noch nicht allzu lange ist es her, dass auf den Wahlkampfplakaten von CSU und AfD die deutliche Botschaft zu lesen war, Deutschland sei nicht das Sozialamt Europas. Doch diese volksverhetzenden Kommentare haben nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun, vielmehr sollten sich die Medien ihrer Verantwortung bewusst werden und solchen anonymen Brunnenvergiftern kein Forum mehr bieten. Denn mit solchen Äußerungen, die übrigens ursprünglich von der NPD verbreitet wurden, leistet man Vorschub für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Und dagegen, liebe Freundinnen und Freunde, müssen wir zusammen mit anderen Organisationen und Initiativen angehen und zeigen, dass der einst geforderte Aufstand der Anständigen nicht nur eine leere Worthülse war.

Seit Monaten erleben wir außerdem, dass zum Teil bis zu 30 000 Menschen glaubten, sie müssten gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes protestieren. Diese Einschätzung ist völlig absurd. Die Teilnehmerzahlen gehen zwar zurück, aber das Problem bleibt. Ich warne aber davor, all jene, die dieser sogenannten Pegida-Bewegung hinterher laufen, ausnahmslos in die rechtsradikale Ecke zu stellen. Da würden wir es uns zu einfach machen. Sicher aber ist auch: Hier rotten sich verunsicherte Kleinbürger zusammen, die ein diffuses Weltbild eint, das einer Überprüfung nicht stand hält. In ihrer Angst vor allem was fremd scheint, flüchten sie sich in dumpfen Nationalismus und unerträgliche Deutschtümelei und machen sich so – vereinzelt unbewusst, größtenteils aber sehr bewusst – zum Handlanger derer, die im Hintergrund die rassistischen und fremdenfeindlichen Strippen ziehen. Profitieren von dieser islamophoben Gesinnungsgemeinschaft möchte unter anderem die AfD, deren völkischer Blut- und Bodensatz hofft, dadurch noch mehr Anerkennung auch aus konservativ-bürgerlichen Kreisen zu erhalten. Diese Bewegungen müssen wir weiterhin sorgsam beobachten und wir müssen uns ihnen entgegen stellen, denn was sich da zusammen braut, ist gesamtgesellschaftlicher Zündstoff und eine weitere Radikalisierung Richtung rechts außen ist nicht ausgeschlossen. Lasst uns deshalb wachsam sein, liebe Freundinnen und Freunde und nicht nachlassen in unserem Kampf gegen falsch verstandenen Nationalismus, lasst uns eintreten für soziale Gerechtigkeit, gegen die aktuelle Kriegstreiberei, für Demokratie und Freiheit.

Birnau-2015-GedenktafelDer Blick über unsere Grenzen hinaus zeigt leider auch deutlich, dass sich seit geraumer Zeit in unseren Nachbarländern reaktionäre und zum Teil rechtsextreme Kräfte etabliert haben. In der Schweiz ist es der SVP unter Christoph Blocher längst gelungen, weite Bevölkerungsschichten auf eine fremdenfeindliche Politik einzuschwören – ebenso in Österreich, wo die rechtspopulistische FPÖ in vielen Landesteilen bei Wahlen bis zu 30 Prozent bekommt und sich auch nicht davor scheut, vielerorts ganz offen den Schulterschluss mit faschistischen Bewegungen zu vollziehen –nicht viel besser sieht es in Frankreich aus: Dort verzeichnet der rechtsextreme Front National ebenfalls enormen Zulauf und deren Chefin Marine le Pen werden sogar gute Chancen bei der kommenden Präsidentschaftswahl eingeräumt. Eine Entwicklung, die man sich vor zehn, fünfzehn Jahren nicht mal im Ansatz hat vorstellen können. Auch in Ungarn regiert mit Victor Orban ein Rechtsextremer und zwar zusammen mit der faschistischen Jobbik-Partei, deren paramilitärischer Ableger in nachempfundenen SS-Uniformen und stilisierten Hakenkreuzfahnen durch die Städte marschiert, Hass schürt vor allem gegen Sinti und Roma und auch vor Mord und Totschlag gegen diese entrechtete Bevölkerungsgruppe nicht zurückschreckt. Zsolt Bayer, ein enger Berater und Freund von Victor Orban hat dazu folgendes formuliert, Zitat: „Diese Zigeuner sind Tiere, benehmen sich wie Tiere … aus seinem tierischen Schädel dringen meistens unartikulierte Töne, und das einzige, was er bezüglich dieser elenden Welt versteht, das ist die Gewalt“. Zitat Ende. Ein Satz, den Joseph Goebbels nicht hätte furchtbarer formulieren können. Liebe Freundinnen und Freunde: Trotz dieser schwer erträglichen Fakten gilt dennoch weiterhin auch für uns: Lassen wir die Köpfe nicht hängen, schließen wir uns zusammen, stärken wir die internationale Solidarität und reichen all denen die Hände, die gewillt sind, mit uns zusammen anzugehen gegen eine zutiefst asoziale und menschenfeindliche Politik, die nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa grassiert. Auch das ist eine unserer zukünftigen und zentralen Aufgaben.

Oft vermuteten wir in der Vergangenheit , dass die deutschen Behörden auf dem rechten Auge blind sind und die aktuellen Ereignisse beweisen leider, dass es sich bei dieser Annahme nicht um verschwörungstheoretische Fantasien handelt. Im Gegenteil: Das Beispiel NSU verdeutlicht seit geraumer Zeit, dass die rassistische Mordserie ohne die Mitwirkung der deutschen Geheimdienste und mit ihr verbundener Behörden nicht möglich gewesen wäre. Ein kurzer Rückblick: Vor etwa neun Jahren endete die rassistische Attentatsserie des NSU mit einem Mord in Kassel. Danach ermittelte die Polizei gegen Angehörige der Opfer, von sogenannten „Döner-Morden“ ist die Rede und Verbindungen zur Mafia wurden vermutet. Die Opfer und ihre Angehörigen wurden wider besseres Wissen lange Zeit verhöhnt. Heute kann man sagen: Dass sich die Ermittlungsbehörden lange weigerten, ein rassistisches Motiv auch nur in Erwägung zu ziehen, ist skandalös. Der Autor und Publizist Raul Zelik hat kürzlich dazu geschrieben, ich zitiere: „Nach mittlerweile sechs parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zeichnet sich ein noch sehr viel dramatischeres Bild ab: Die Geheimdienste waren am NSU ganz nah dran, haben aber nichts gegen die Terrorzelle unternommen. So war das NSU-Umfeld durchsetzt mit Spitzeln der deutschen Inlandsgeheimdienste. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ließ den 1997 untergetauchten Rechtsextremen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe über einen Vertrauensmann sogar Geld zukommen – angeblich, um an weitere Informationen zu gelangen – und immer wieder verschwand das NSU-Trio auf magische Weise aus der Fahndung“. Fast vierzehn Jahre lang blieb die Terrorzelle unbehelligt und konnte ihre Strukturen festigen. Längst belegt ist auch: Der Thüringer Heimatschutz, jene rechtsradikale Organisation also, in der auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe aktiv gewesen sind, war nicht nur mit Informanten des Verfassungsschutzes durchsetzt, sondern wurde von ihnen tatkräftig mit aufgebaut. Insgesamt arbeitete nach zeitweise jeder vierte Aktivist des Thüringer Heimatschutzes für den Geheimdienst.

Während die angeblich die Verfassung schützenden Behörden mit Neonazis kooperierten, keilten und keilen sie aus, wenn Antifaschisten auf die Straße gehen, um gegen die braunen Brandstifter und Mörder zu protestieren. In den Augen der Staatsmacht sind Linke und Antifaschisten eben immer noch der Hauptfeind Nummer eins, den es zu bekämpfen gilt. Wie beispielsweise bereits vor einigen Jahren in Saalfeld .

Antifaschistische Gruppen wollten gegen einen Aufmarsch des Thüringer Heimatschutzes demonstrieren – also genau gegen jene, aus deren Reihen später der NSU hervorgehen sollte. Die Polizei reagierte mit brutaler Härte: 600 Demonstrantinnen und Demonstranten wurden auf der Autobahn gestoppt, von Sonderkommandos verhaftet und für zwei Tage in ein stillgelegtes ehemaliges Stasi-Gefängnis verschleppt. Auf dem Rücktransport zum Bahnhof wurden die Festgenommenen von der Polizei wie schon bei ihrer Festnahme zusammengeschlagen. Die Betroffenen sagen noch heute über die Ereignisse, sie hätten sich damals gefühlt wie in einer lateinamerikanischen Militärdiktatur. Klar ist: Bei den Ermittlungen gegen den NSU haben neben Polizei und Justiz auch die Medien versagt. Dies belegt übrigens eine ausführliche Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Große Teile der Medien folgten willfährig den Irrwegen und Deutungsmustern der Ermittlungsbehörden und haben sich teilweise mit abwegigen Spekulationen an der Tätersuche beteiligt, so Tanja Thomas, Medienwissenschaftlerin an der Uni Tübingen. Die Studie belegt auch, dass die Verlautbarungen von behördlichen Quellen mit Glaubwürdigkeit verwechselt wurden – ein fataler und fahrlässiger Irrtum, wie wir heute wissen.

Liebe Freundinnen und Freunde: Wir alle stehen vor großen Herausforderungen, was den Widerstand gegen den braunen Ungeist betrifft. Ich bin der Überzeugung, dass die Bedrohung unserer demokratischen Zivilgesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten noch nie so ernst war wie heutzutage. Ich bin aber ebenso davon überzeugt, dass immer noch eine Mehrheit in diesem Lande auf unserer Seite steht. Vorausgesetzt, wir halten zusammen, überprüfen unsere jeweilige Bündnispolitik und verabschieden uns von gegenseitigen Ressentiments, die uns nur schwächen. Erinnern wir uns diesbezüglich an Martin Niemöller, der einst rückblickend und auch selbstkritisch dazu folgende Zeilen formuliert hat, Zeilen, die aktueller sind denn je: Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen – ich war ja kein Kommunist Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen – ich war ja kein Sozialdemokrat Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich nicht protestiert – ich war ja kein Gewerkschafter Als sie die Juden holten, habe ich nicht protestiert – ich war ja kein Jude Als sie dann mich holten, gab es keinen mehr, der protestierte. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit

Holger Reile, 9.5.2015

Der KZ-Friedhof Birnau: Noch im Herbst 1944 hatten die Faschisten ein Aussenlager des Konzentrationslagers Dachau in Überlingen einrichten lassen. Etwa 800 Häftlinge mussten Stollen in den Molassefelsen im Westen Überlingens treiben. Darin wollte das Regime die militärischen Mordinstrumente weiterproduzieren lassen, deren Herstellung in den durch Bombenangriffe zerstörten Friedrichshafener Rüstungsbetriebe unmöglich geworden war. Mindestens 168 Menschen starben an den Folgen der Zwangsarbeit, an Unterernährung und Misshandlung. Zunächst verbrannte man die Getöteten im Konstanzer Krematorium, später verscharrten die SS-Schergen die Opfer im Überlinger Waldstück “Degenhardt”.

Ein knappes Jahr nach der Befreiung vom Faschismus, im April 1946, wurden 97 von ihnen auf dem Friedhof Birnau beigesetzt, bezeichnenderweise erst auf Anordnung der französischen Militärbehörde. Die hatte durch Antifaschisten von diesem Verbrechen erfahren und verlangte die Umbettung der Leichen auf einen Gedenkfriedhof. Die Stadtverwaltung Überlingen versuchte sich mit allerlei Ausflüchten dieser Anordnung zu widersetzen, musste sich aber schließlich den französischen Befreiern beugen, die dabei auch vom Antinazi-Comité, den neu gegründeten Parteien Christlich Soziale Union, Sozialistische Partei und Kommunistische Partei sowie den wieder zugelassenen Gewerkschaften unterstützt wurden. Belastete Nationalsozialisten mussten die Ausgrabung schließlich vornehmen, die Bevölkerung wurde angewiesen, an der Trauerfeier teilzunehmen und an den Särgen entlangzugehen.

Seitdem laden die VVN-BdA, die Gewerkschaften und andere Antifaschist_innen alljährlich zu einer Gedenkfeier auf den Friedhof Birnau ein, als ständige Mahnung für die heute Lebenden und die nachfolgenden Generationen.

Bildungsbetrieb heute: Nur “Stumpfsinn, Leistungswille, Konkurrenzkampf”?

Von der (nichtstudentischen) Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, nimmt sich der AStA der Konstanzer Universität im Rahmen einer Ringvorlesung spannender gesellschaftspolitischer Themen an. Die Studierendenvertreter_innen laden noch bis zum Juli im Wochenrhythmus zu Veranstaltungen ein, die sich unter dem Titel “Die Politik in der Krise?” mit den den Ursachen und Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise beschäftigen.

Studis-schlafendNachdem zuletzt die aus Griechenland stammende Übersetzerin Alexandra Pavlou darüber berichtet hat, wie sich das Land am Pelopones von unten gegen die von der EU verordnete Austeritätspolitik wehrt und organisiert, ist am 12. Mai nun Sandro Philippi zu Gast. Das Vorstandsmitglied des “fzs” (“freier zusammenschluss von studentInnenschaften” – das ist der bundesweite Dachverband von Studierendenvertretungen, der rund 90 Mitgliedshochschulen vertritt) wird über die Rolle sprechen, die das von neoliberalen Reformen deformierte öffentliche Bildungswesen “als umfassender Disziplinarapparat der Zurichtung von Menschen” spielt.

Für Philippi, er studiert in Konstanz Psychologie, Geschichte und Philosophie, ist die Rede von der Freiheit der Wissenschaft “zu einer abgeschmackten Phrase verkommen”. Tatsächlich seien Forschung und Bildung “bislang unkontrollierten Mechanismen ausgeliefert, die auf all ihre Inhalte einwirken”, heißt es im Ankündigungstext der Veranstaltung. Wer in diesen Institutionen Möglichkeiten erblicke, sich selbst zu verwirklichen, befinde sich gewaltig auf dem Holzweg: “Der normierende Schmelztiegel des Bildungsapparats verdampft die letzten Reste des bürgerlichen Individuums”.

Die Methoden seien im Rahmen neoliberaler Reformen an einigen Stellen zwar sicherlich subtiler geworden, doch gerade diese Subtilität sei es, die “die totale Strukturierung des Subjekts” befördere. Bei diesem rabenschwarzen Befund allein will es Philippi aber nicht belassen. “Nicht zuletzt werden wir der Frage nach Alternativen nachgehen. Wie könnten die Instrumente der Befreiung auf individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse eingestellt werden?”

jüg


Stumpfsinn. Leistungswille. Konkurrenzkampf. Die Formung des Selbst im „Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb“
Dienstag, 12. Mai, 19 Uhr, Universität Konstanz, Raum A701, Veranstalter: AStA

Das weitere Programm der Ringvorlesung hier.

Linksjugend will Cannabis-Shop

Die Linksjugend solid Konstanz, Jugendorganisation der Partei DIE LINKE, tritt für die Legalisierung von Cannabis und Cannabisprodukten ein. Sie möchte ein Pilotprojekt starten, in dessen Rahmen legaler Anbau und Veräußerung von THC-haltigen Pflanzen ausprobiert werden soll. Dazu soll ein Cannabis-Shop gegründet werden. Geplant ist ein entsprechender Antrag an Kreistag und Gemeinderat. Der Kreisverband der Linkspartei und die Linke Liste haben schon Unterstützung signalisiert. In einer Stellungnahme begründet Simon Pschorr den Vorstoß der Linksjugend.

WORTLAUT | Cannabis-Shop e.V. | Seit Jahren setzen sich führende Juristen, Polizeifunktionäre und Suchtpräventionsforscher für eine Legalisierung von Marihuana ein. Die Strafverfolgung des Umgangs mit der im Vergleich zu Alkohol und Tabak gesundheitlich ungefährlichen Droge hat schwere Folgen für die Konsumenten. Durch den Einstieg in die strafrechtlich verfolgte Drogenszene verlieren Cannabis-Konsumenten die Hemmung vor Beschaffungsdelikten. Es wird Kontakt mit harten Drogen hergestellt, die häufig durch die gleichen Dealer verkauft werden und damit einen Anreiz schaffen, tatsächlich hochgefährliche Substanzen zu konsumieren. Durch die strafrechtlichen Konsequenzen können Biographien zerstört werden und eine Integration in Zivilgesellschaft und Arbeitsmarkt durch Vorstrafen erheblich gehemmt werden.

Zugleich entsteht der Zivilgesellschaft eine erhebliche Kostenlast: Die heute schon deutlich unterbesetzte Polizei sieht nach eigenen Angaben andere Delikte als bedeutender an, ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt mit der Verfolgung von Kleindealern und Konsumstraftaten ausgelastet. Im Gegensatz zum Tabakkonsum entgehen dem Staat durch den Schwarzhandel von Marihuana erhebliche Steuereinnahmen.

So soll gezeigt werden, dass ein verantwortungsvoller, rechtmäßiger Umgang mit Cannabis keinen Schaden für die Allgemeinheit, sondern insbesondere eine Entlastung für Bürger und Strafverfolgungsorgane bedeutet. Gleichzeitig bedeutet die Legalisierung von Cannabis-Abgabe die Zerschlagung von kriminell organisierten Strukturen, die sich auf den Transport, Anbau und Verkauf von THC-Produkten spezialisiert haben. Schon heute eröffnet § 3 BtMG (Betäubungsmittelgesetz) Ausnahmen vom strikten Verbot zugunsten wissenschaftlicher Forschung und anderer Nutzung im gesellschaftlichen Interesse.

Der Cannabis-Shop soll als Verein betrieben werden. Anbau, Ernte und Weiterverarbeitung des Cannabis erfolgt durch die Mitglieder. Die Abgabe des Cannabis erfolgt ausschließlich an Mitglieder gegen einen Unkostenbeitrag. Die Abgabemenge soll auf maximal ein Gramm pro Tag beschränkt werden, um einen handelsweisen Vertrieb von Cannabinoiden zu verhindern. Ein Handel mit Cannabis oder eine Abgabe an Dritte, insbesondere Minderjährige, bleibt illegal und führt zum Ausschluss aus dem Cannabis-Shop e.V. Für Menschen, die Cannabis auf ärztliche Verschreibung hin konsumieren, können die Regeln bedarfsgerecht modifiziert werden.

Dem Landkreis oder Trägergemeinden soll eine Überwachungsfunktion zukommen. Die Trägergemeinden bzw. der Landkreis sorgen für einen ordnungsgemäßen Betrieb, kontrollieren die Sicherheit, Qualität, den Wirkstoffgehalt und Verbleib des Cannabis. Zudem sorgen die Trägergemeinden bzw. der Landkreis für bedarfsgerechte Präventions-, Informations-, Hilfs- und Schadensminderungsangebote u. a. durch die Förderung von Konsumformen ohne Verbrennung wie Vaporizer. Damit kann ein bewusster, risikogerechter Konsum gewährleistet werden. Gleichzeitig ist eine wissenschaftliche Betreuung und Begleitung des Projekts wünschenswert.

Simon Pschorr

Informationsveranstaltung zu Handelsabkommen: TTIP und die geheime Schattenjustiz

TTIP-Aktionstag-2Das Konstanzer Bündnis gegen TTIP lädt am kommenden Dienstag zu einer Informationsveranstaltung ins Kulturzentrum K9 ein. Simon Pschorr, Jurist und Konstanzer Landtagskandidat der Linken, und der Journalist und Gewerkschafter Pit Wuhrer (Ortsverein Medien/ver.di) werden dort darüber referieren, wie die in den transatlantischen Handelsabkommen TTIP und CETA vorgesehene private Gerichtsbarkeit bei Investitionsstreitigkeiten die Demokratie aushebeln würde.

Auch wenn sich jüngst der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments gegen solche Privatgerichte bei Investitionsstreitigkeiten ausgesprochen hat und sich die Zeichen mehren, dass die EU-Kommission zu einer Reform des umstrittenen Investitionsschutzes bereit ist – die deutsche Regierung bleibt hart. Sie will die private Schattenjustiz unbedingt beibehalten. Worum es dabei geht, soll die Veranstaltung zeigen. Denn für das Wirken solcher außerstaatlicher Gerichte gibt es durchaus schon Beispiele – und die sind alarmierend.

So verklagte vor einigen Jahren der US-Multi Oxy den Staat Ecuador vor einem Schiedstribunal der Weltbank (ICSID – “Internationales Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten”), weil er seine Gewinne geschmälert sah. Der Grund: Die Regierung hatte nach Protesten der Bevölkerung eine bereits genehmigte Probebohrung untersagt. Das ICSID verurteilte daraufhin Ecuador zur Zahlung von 2,3 Milliarden US-Dollar. 2013 verklagte das US-Unternehmen Lone Pipe ebenfalls vor dem ICSID den Staat Kanada, weil die Provinzregierung von Quebec ein Fracking-Moratorium erlassen hatte. Es verlangt 241 Millionen Dollar. Ebenfalls vor das ICSID zog der schwedische Energiekonzern Vattenfall. Er fordert vom deutschen Staat zwischen 3,7 und 5 Milliarden Euro. Soviel Profit will er durch den Atomausstieg verloren haben. Deutsche Unternehmen und Banken wiederum hätten gern von Spanien rund 800 Millionen Euro, weil die finanziell angeschlagene Regierung die Solarförderung zusammenstreichen musste.

Was all diesen Klagen gemein ist: Sie basieren auf Investitionsschutzabkommen und sie wurden oder werden von quasi privaten Gerichten entschieden, die geheim tagen und gegen deren Urteil keine Berufung möglich ist. Grundlage dieser Klagen sind bilaterale Verträge zwischen Einzelstaaten. Die jetzt von der EU geplanten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta mit den USA und Kanada wollen diese Klagemöglichkeiten von Konzernen, die längst zu einem Geschäftsmodell geworden sind, noch ausweiten.

Für die Referenten ist klar: Kämen die außerstaatlichen Gerichte, könnten künftig internationale Konzerne dank TTIP und CETA jeden Fortschritt im Umweltbereich, bei den Sozialstandards oder beim Verbraucherschutz blockieren. Dann entschieden nicht mehr gewählte Regierungen über unser Leben – sondern Konzernchefs.



Wie uns der Investitionsschutz die Zukunft verbaut – private Schattenjustiz und Milliardenklagen

Dienstag, 12. Mai, Konstanz, Kulturzentrum K9 , 19:30 Uhr (Eintritt frei)
Veranstalter: Konstanzer Bündnis gegen TTIP, CETA und TiSA

Kreisverband der Linken und Linke Liste Konstanz: Sozial- und Erziehungsdienste jetzt aufwerten!

Erziehungsberufe-aufwerten-jetztMehr als 93 Prozent der Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten, die an der Urabstimmung von ver.di teilgenommen haben, stimmten für Streik. Dieses überwältigende Votum zeigt, dass das Maß voll ist. Seit Jahren leiden die Beschäftigten in diesen Bereichen unter besonders prekären Bedingungen für ihre gesellschaftlich wichtigen, aber viel zu schlecht entlohnten Tätigkeiten.

Die LINKE und die Linke Liste Konstanz erklären sich solidarisch mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen. Das Schauspiel, das die Dienstherren seit Monaten auf dem Rücken der Beschäftigten, der Eltern und nicht zuletzt auf dem Rücken der Kinder aufführen, ist ein Skandal. Trotz der massiven Belastungen der Erzieherinnen und Erzieher, der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, sind die Arbeitgeber nicht bereit, ein vernünftiges Angebot zur Aufwertung dieser gesellschaftlich so wichtigen Berufe auf den Tisch zu legen.

Wir freuen uns über das deutliche Signal der Urabstimmung und stehen auch im Landkreis und der Stadt Konstanz an der Seite der Streikenden. Es muss endlich Schluss sein mit den Lippenbekenntnissen von Arbeitgebern und Politikern, die immer wieder beteuern, wie wichtig Investitionen in die Bildung seien. Seit 25 Jahren sind das nichts als leere Worte. Jetzt reicht es – die Arbeit der Beschäftigten muss mehr Wert sein!

Wir werden in den kommenden Tagen und Wochen das uns Mögliche tun, um die streikenden Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. An die Eltern appellieren wir: Richten Sie Ihren Unmut und Ihre Beschwerden nicht gegen die Beschäftigten, sondern wenden Sie sich damit an die Verantwortlichen in den Rathäusern und Jugendämtern, die uns den Schlamassel eingebrockt haben. Unterstützen Sie den Kampf der ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen, indem sie z.B. die Rückerstattung der Kita-Gebühren fordern. Bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Kita- und Sozialbereich dienen auch Ihren Interessen als Eltern.

DIE LINKE. Kreisverband Konstanz,
Jürgen Geiger (Sprecher des Kreisvorstands), Hans-Peter Koch, Marco Radojevic (Kreisräte)

Linke Liste Konstanz,
Anke Schwede (Stadträtin), Holger Reile (Stadtrat)

Bregenz: Polizei untersagt Pegida-Demonstration

Eine für den 9. Mai in Bregenz angemeldete Demonstration des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses ist von der Landespolizeidirektion Vorarlberg untersagt worden. Ein Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass “die Abhaltung der Versammlung das öffentliche Wohl gefährdet hätte”, weil “Verstöße gegen das Strafrecht” zu erwarten gewesen wären, begründete die Landespolizeidirektion das Verbot in einer Mitteilung. Nähere Angaben zu dieser Einschätzung machte die Behörde nicht, allerdings kam es bei anderen Pegida-Demos in Österreich wiederholt zu Straftaten: So wurden der Hitler-Gruß und Nazi-Symbole gezeigt, auch “Sieg-Heil”-Rufe erschallten.

Bei ihrem ersten Aufmarsch in der vorarlbergischen Landeshauptstadt am 22. März sahen sich nicht einmal 100 IslamhasserInnen mit dem Protest von fast 1000 AntifaschistInnen konfrontiert, die einem Aufruf des Bündnisses “No-Pegida Vorarlberg” gefolgt waren. Für den kommenden Samstag hatte das Bündnis erneut dafür mobilisiert, sich dem Marsch der RassistInnen in Bregenz, zu dem sich auch der deutsche Pegida-Ableger in Villingen-Schwenningen und Rechte aus dem Thurgau angekündigt hatten, in den Weg zu stellen: “Ein Aufmarsch, der Fremdenhass und Rassismus schürt, darf in Vorarlberg nicht stattfinden”. Das Verbot der Veranstaltung durch die Polizeibehörden wertet die am No-Pegida-Bündnis beteiligte Sozialistische Jugend Vorarlberg als Erfolg. Es sei “klar auf den Druck zurückzuführen, den wir alle in der letzten Zeit durch unsere Mobilisierung gegen die rassistische und fremdenfeindliche Pegida aufgebaut haben”, heißt es auf der Facebookseite der SP-Jugendorganisation.

Wes’ braunen Geistes Kind die regionalen Anhänger der abendländischen RassistInnen sind, zeigt ein Aufruf, der in den sozialen Netzwerken kursiert: Man wolle sich im österreichischen Bregenz “gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden” versammeln (Hervorhebung Redaktion). Als Gastredner war der rechtsradikale Blogger Karl-Michael Merkle vorgesehen, der unter dem Pseudonym Michael Mannheimer unter anderem auf der rechten Hass-Website “Politically Incorrect” regelmäßig gegen Muslime und Linke hetzt und das “deutsche Volk” schon mal zum bewaffneten Kampf gegen eine angebliche “Übernahme unseres Kontinents” durch den Islam aufruft.

jüg